Kommt es für wirksamen Widerruf eines Fernabsatzvertrags auf die Motive an?
Der Kläger hatte über das Internet zwei Matratzen bestellt, die im Januar 2014 ausgeliefert und von ihm zunächst auch bezahlt worden waren.
Günstigeres Angebot entdeckt
Unter Hinweis auf ein günstigeres Angebot eines anderen Anbieters und eine "Tiefpreisgarantie" des Verkäufers bat der Käufer um Erstattung des Differenzbetrags von 32,98 Euro. Dann wollte er von dem ihm als Verbraucher zustehenden Widerrufsrecht absehen. Zu einer entsprechenden Einigung kam es nicht. Der Käufer widerrief den Kaufvertrag daraufhin fristgerecht und schickte die Matratzen zurück.
Verkäufer hielt der Widerruf für rechtsmissbräuchlich
Der Verkäufer war der Auffassung, dass der Käufer sich rechtsmissbräuchlich verhalten habe und der Widerruf deshalb unwirksam sei.
- Das Widerrufsrecht beim Fernabsatzgeschäft bestehe, damit der Verbraucher die Ware prüfen könne.
- Aus diesem Grund habe der Kläger aber nicht widerrufen, sondern um Forderungen aus der "Tiefpreisgarantie" durchzusetzen.
Diese einschränkende Auslegung des Widerrufsrechts teilten die Gericht nicht. Die klage auf Rückzahlung des Kaufpreises hatte in allen Instanzen Erfolg. Es sei dem freien Willen des Verbrauchers überlassen, ob und aus welchen Gründen er von einem bei einem Fernabsatzgeschäft bestehenden Widerrufsrecht Gebrauch macht.
BGH winkt Widerruf durch - fristgerecht reicht
Auch der für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH entschied, dass dem Kläger ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises zustehe, da er den Kaufvertrag wirksam widerrufen habe.
- Es ist kein Hinderungsgrund, dass es dem Kläger darum ging, einen günstigeren Preis für die Matratzen zu erzielen.
- Für die Wirksamkeit des Widerrufs eines im Internet geschlossenen Kaufvertrags genügt allein, dass der Widerruf fristgerecht erklärt wird.
Widerruf bedarf keiner Begründung
Die Vorschriften über den Widerruf sollen dem Verbraucher ein effektives und einfach zu handhabendes Recht zur Lösung vom Vertrag geben.
- Einer Begründung des Widerrufs bedarf es nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung nicht.
- Deshalb ist es grundsätzlich ohne Belang, aus welchen Gründen der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Gebrauch macht.
Rechtsmissbrauch nur ganz ausnahmsweise gegeben
Ein Ausschluss dieses von keinen weiteren Voraussetzungen abhängenden Widerrufsrechts wegen eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Verbrauchers kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht, in denen der Unternehmer besonders schutzbedürftig ist. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein Verbraucher arglistig handelt,
- etwa indem er eine Schädigung des Verkäufers beabsichtigt
- oder schikanös handelt.
Damit ist der vorliegende Fall jedoch nicht vergleichbar.
Dass der Kläger Preise verglichen und angeboten hat, den Vertrag bei Zahlung der Preisdifferenz nicht zu widerrufen, stellt kein rechtsmissbräuchliches Verhalten dar. Das ist vielmehr Folge der sich aus dem grundsätzlich einschränkungslos gewährten Widerrufsrecht ergebenden Wettbewerbssituation, die der Verbraucher zu seinem Vorteil nutzen darf
(BGH, Urteil v. 16.03.2016, VIII ZR 146/15).
Vgl. zum Thema Widerruf auch:
Möglichkeit des Widerrufs bei einem per E-Mail geschlossenen Maklervertrag
Musterwiderrufsbelehrung ist exakt wiederzugeben
Wann endet die Frist für ein Widerspruchsrecht, über das nicht belehrt wurde?
-
Italienische Bußgeldwelle trifft deutsche Autofahrer
2.172
-
Wohnrecht auf Lebenszeit trotz Umzugs ins Pflegeheim?
1.7342
-
Gerichtliche Ladungen richtig lesen und verstehen
1.635
-
Klagerücknahme oder Erledigungserklärung?
1.613
-
Überbau und Konsequenzen – wenn die Grenze zum Nachbargrundstück ignoriert wurde
1.471
-
Wie kann die Verjährung verhindert werden?
1.400
-
Brief- und Fernmelde-/ Kommunikationsgeheimnis: Was ist erlaubt, was strafbar?
1.368
-
Wann muss eine öffentliche Ausschreibung erfolgen?
1.305
-
Verdacht der Befangenheit auf Grund des Verhaltens des Richters
1.136
-
Formwirksamkeit von Dokumenten mit eingescannter Unterschrift
1.0461
-
Risiko der Betriebsstättenbegründung durch mobiles Arbeiten im Ausland
18.11.2024
-
Handelsregistervollmachten – Anforderungen und Umgang bei Rückfragen des Handelsregisters
12.11.2024
-
Datenschutzbehörden müssen nicht zwingend Sanktionen verhängen
07.11.2024
-
Typisch stille Beteiligung an Kapitalgesellschaften – Unterschiede zwischen GmbH und AG
06.11.2024
-
Bundesnetzagentur wird nationale Marktüberwachungsbehörde bei der KI-Aufsicht
05.11.2024
-
Neue Bundesverordnung zur „Cookie-Einwilligung“
31.10.2024
-
Zahl der Datenschutz-Bußgeldverfahren steigt
24.10.2024
-
Untersuchungs- und Rügeobliegenheit im B2B-Bereich
23.10.2024
-
Fernmeldegeheimnis gilt nicht für private E-Mails und Telefonate am Arbeitsplatz
17.10.2024
-
Wirecard: Geschädigte Aktionäre sind keine nachrangigen Gläubiger!
16.10.2024