Besicherung eines Darlehens: Von der Verpfändung zum Kauf von Geschäftsanteilen
Hintergrund: Einsatz von Gesellschaftsanteilen als Sicherheit
Im Jahr 2013 gewährte eine GmbH (die „Darlehensgeberin“) einem Darlehensnehmer ein Darlehen in Höhe von EUR 250.000,00 mit 3 % Zinsen p.a. Das Darlehen war zum 31. Dezember 2015 zur Rückzahlung fällig. Zur Absicherung des Darlehens zu Gunsten des Geschäftsführers der Darlehensgeberin sollten Aktien an einer Schweizer AG verpfändet werden. Hierzu sollte in der Schweiz eine separate Vereinbarung beurkundet werden. Weiterhin hatte die Präambel des Darlehensvertrages unter anderem folgenden Inhalt:
„Die Sicherheitspfändung wird folgenden Inhalt haben: zahlt der Darlehensnehmer den Darlehensbetrag nicht fristgerecht zurück, so erhält Herr S ein Drittel der Aktien übertragen. Damit sind sämtliche Forderungen gegen den Darlehensnehmer abgegolten.“
Am 24./25. Juli 2013 schlossen die Parteien den Sicherungsvertrag. In diesem wichen sie einvernehmlich von dem Wortlaut aus der Präambel des Darlehensvertrages ab. Sie vereinbarten, dass der Geschäftsführer der Darlehensgeberin bis zum 31. Dezember 2015 die Möglichkeit (aber nicht die Pflicht) haben sollte, zwei Drittel der Aktien anzukaufen. Dieser „Kaufrechtsvertrag“ nahm auch explizit auf den Darlehensvertrag Bezug.
Der Geschäftsführer machte von diesem Recht, die Aktien anzukaufen, keinen Gebrauch und die Aktien wurden an ihn nicht übertragen.
Am 4. Februar 2019 erklärte die Darlehensgeberin die (außerordentliche, hilfsweise ordentliche) Kündigung des Darlehens und verlangte die Rückzahlung. Der Darlehensnehmer verweigerte die Rückzahlung des Darlehens mit folgender Begründung: Das Darlehen sei zum 31. Dezember 2015 fällig gewesen. Weil er das Darlehen aber nicht zurückgezahlt hat, habe sich der Rückzahlungsanspruch entsprechend den in der Präambel des Darlehensvertrages getroffenen Vereinbarungen automatisch in einen Anspruch auf Übertragung der Aktien umgewandelt. Dieser Übertragungsanspruch sei aber inzwischen verjährt. Der am 24./25. Juli 2013 geschlossene Kaufrechtsvertrag ersetze die Regelung in der Präambel nicht, sondern trete lediglich neben sie. Die Darlehensgeberin erhob daraufhin Klage auf Rückzahlung des Darlehens.
Das Urteil des OLG München vom 24.03.2021 (Az. 20 U 1907/20)
Das OLG München hat der Klage auf Rückzahlung des Darlehens – anders als noch das Landgericht – im vollem Umfang stattgegeben. Die Präambel des Darlehensvertrages sehe keinen Anspruch auf eine Übertragung vor, sondern lediglich eine Absichtserklärung, einen Sicherungsvertrag mit einem bestimmten Inhalt zu schließen. Diesen Vertrag hätten die Parteien zwar in Form des Kaufrechtsvertrags geschlossen, darin aber die ursprünglich angedachten Bestimmungen einvernehmlich neu geregelt.
Auch trete der Kaufrechtsvertrag vom 24./25. Juli 2013 nicht neben die Regelung in der Präambel des Darlehensvertrages. Aus den Unterlagen ergebe sich unzweifelhaft, dass der Kaufrechtsvertrag (und nur dieser) derjenige „Sicherungsvertrag“ ist, der die in der Präambel angekündigten Regelungen umsetzen sollte. Dies gelte erst recht, weil der Kaufrechtsvertrag auf den Darlehensvertrag ausdrücklich Bezug nimmt.
Im Übrigen komme der Präambel schon nach deren Wortlaut keine bindende Wirkung zu. Zudem haben die Parteien unstreitig nicht einmal die Verpfändung der Aktien vereinbart.
Praxishinweis:
Zur Sicherung von Ansprüchen ist eine saubere Vertragsgestaltung mit sprachlich klaren und rechtlich unmissverständlichen Regelungen unerlässlich. Um die Regelungen in dem jeweiligen Vertrag besser sachlich einordnen zu können, bietet es sich an, diesem eine aussagekräftige Präambel voranzustellen. Präambeln enthalten in der Regel eine auch für den außenstehenden „Dritten“ (wie etwa einen späteren Richter) aus sich heraus nachvollziehbare Vorgeschichte darüber, wer die Parteien sind oder was sie tun, einen Grund, warum die Parteien den Vertrag schließen wollen, welche Vereinbarungen zum Regelungsgegenstand (oder vergleichbaren Gegenständen) bereits abgeschlossen wurden, ferner auch Absichtserklärungen in Bezug auf die (noch) zu regelnden Gegenstände und gegebenenfalls überdies Erklärungen über schon eingetretene Ereignisse oder Bestätigungen von Tatsachen. Da Präambeln grundsätzlich ebenso bindend sind wie die ihnen nachfolgenden Regelungen im Vertrag, ist auch hier bei der Formulierung besondere Vorsicht geboten.
Im Streitfall haben die Parteien – wie das OLG München zu Recht erkennt – nur eine Absichtserklärung in Bezug auf einen nach dem Verständnis beider Parteien noch separat in notarieller Form zu schließenden Sicherungsvertrag getroffen. Weil der Sicherungsvertrag zeitlich nach dem Darlehensvertrag abgeschlossen werden sollte, war das Darlehen für wenige Tage unbesichert. Deshalb benötigte der Darlehensgeber ein rechtliches Mittel, um den Darlehensnehmer zum Abschluss einer Sicherungsvereinbarung mit einem ganz bestimmten Inhalt „zwingen“ zu können. Das war der Sinn und Zweck der – im Streitfall leider nicht gut formulierten – Präambel.
Aus diesem Verständnis heraus wird erkennbar, dass die Regelungen in der vorliegenden Präambel für die Parteien nicht sofort bindend sein sollten, sondern nur dem Darlehensgeber einen Anspruch auf Abschluss einer Sicherungsvereinbarung mit einem bestimmten Inhalt verschaffen sollten. Dabei ist es unschädlich, dass die Parteien diese Sicherungsvereinbarung letztlich anders getroffen haben, als in der Präambel angedacht. Denn durch einvernehmlichen Abschluss des notariell beurkundeten Kaufrechtsvertrages vom 24./25. Juli 2013 haben beide Parteien den in der Präambel enthaltenen Wortlaut abgeändert. Dadurch wurde die Regelung in der Präambel letztlich nicht umgesetzt.
Der Darlehensrückzahlungsanspruch bestand also unverändert fort und führte dementsprechend zu einem stattgebenden Berufungsurteil.
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