Forderungen zwischen Gesellschaft und ausgeschiedenem Gesellschafter nicht abtretbar
Hintergrund
Der Beklagte war aus einer Architekten-GbR ausgeschieden. Sein Kapitalkonto bei der GbR war negativ. Es war nach dem Gesellschaftsvertrag innerhalb von sechs Monaten nach dem Ausscheiden auszugleichen. Die Gesellschafter vereinbarten, das negative Kapitalkonto in ein Darlehen umzuwandeln. Nachdem der Beklagte die Raten nicht bediente, trat die GbR die Ansprüche aus dem Darlehen an eine weitere Gesellschaft ab, die sie einklagte. Das Landgericht gab der Klage statt, das OLG Hamm wies sie (in dem hier interessierenden Punkt) jedoch ab.
OLG Hamm, Urteil v. 13.1.2016, I-8 U 115/15, 8 U 115/15
Das OLG Hamm verwies für seine Entscheidung auf die Grundsätze der gesellschaftsrechtlichen Durchsetzungssperre. Danach können bei Auflösung einer GbR (entsprechendes gilt für KG und OHG) oder beim Ausscheiden von Gesellschaftern keine einzelnen Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern oder zwischen den Gesellschaftern untereinander individuell durchgesetzt werden. Diese sind vielmehr als unselbständige Rechnungsposten in die Schlussrechnung bzw. in die Berechnung der Abfindung einzustellen. Diese Kontokorrentgebundenheit würde umgangen, wenn die Ansprüche abgetreten und dann von Dritten individuell geltend gemacht werden könnten. Etwas anderes gilt nur bei Forderungen, die vereinbarungsgemäß auch bei Ausscheiden aus der Gesellschaft selbständig durchsetzbar bleiben sollen, wofür der Senat im vorliegenden Fall aber keine Anhaltspunkte sah.
Anmerkung
Die gesellschaftsrechtliche Durchsetzungssperre wurde von der Rechtsprechung entwickelt, um in der Auseinandersetzung einen Gesamtausgleich zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern sowie den Gesellschaftern untereinander zu ermöglichen. Insbesondere soll dadurch der Gefahr von Hin- und Herzahlungen begegnet werden. Sie gilt deshalb umfassend für alle Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis, z.B. auf Einlagenrückerstattung, Auszahlung von Gewinnen und Aufwendungsersatz. Ausnahmen gelten nur, wenn bereits feststeht, dass dem Gesellschafter ein bestimmter Betrag in jedem Falle zusteht, oder wenn es nur noch um die Verteilung des letzten Aktivpostens geht. Somit ist auch der Anspruch gegen einen ausgeschiedenen Gesellschafter auf Ausgleich eines negativen Kapitalkontos grundsätzlich von der Durchsetzungssperre erfasst. Die Entscheidung des OLG Hamm ist insofern konsequent, als eine Abtretung einzelner Ansprüche an Dritte den erstrebten Gesamtausgleich verhindern würde. Die Durchsetzungssperre muss daher auch eine solche Abtretung erfassen.
Allerdings gilt die Durchsetzungssperre nach der Rechtsprechung des BGH nicht für Ansprüche, die auf einem unabhängig vom Gesellschaftsvertrag zwischen Gesellschafter und Gesellschaft abgeschlossenen Rechtsgeschäft, z.B. einem Dienstvertrag, beruhen (sog. Drittgläubigeransprüche, vgl. BGH, Urteil v. 3.4.2006, II ZR 40/05). Dies erfasst grundsätzlich auch einen mit der Gesellschaft geschlossenen Darlehensvertrag. Die Revision zum BGH ist anhängig (II ZR 38/16). Es bleibt abzuwarten, ob der BGH aufgrund des Ursprungs der Forderung im Gesellschaftsverhältnis die isolierte Durchsetzbarkeit ebenso wie das OLG Hamm verneint.
Praxishinweis
Um derartige Unsicherheiten zu vermeiden, sollten Gesellschaften und Gesellschafter bei Vereinbarungen über Forderungen, die ihren Ursprung im Gesellschaftsverhältnis haben bzw. eng mit diesem verknüpft sind, ausdrücklich regeln, ob die Forderungen auch bei einem Ausscheiden aus der Gesellschaft oder deren Auflösung selbständig durchsetzbar sein sollen. Eine solche Vereinbarung ist nach dem Urteil des OLG Hamm ausdrücklich beachtlich.
Rechtsanwälte Dr. Hendrik Thies, Dr. Sven Ufe Tjarks, Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Freiburg
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