Kein Zurückbehaltungsrecht gegen Ansprüche der GmbH aus Treuepflichtverletzung
Hintergrund
Die Beklagte war zusammen mit ihrer minderjährigen Tochter Miterbin ihres Mannes, dem Minderheitsgesellschafter der Klägerin, einer GmbH. Im Frühjahr 2016 überwies die Beklagte einen mittleren sechsstelligen Betrag vom Geschäftskonto der Klägerin auf ihr Privatkonto. Die Beklagte, die weder Geschäftsführungsbefugnis noch Kontovollmacht besaß, begründete dies mit einer treuhänderischen Sicherung in Anbetracht einer möglichen Liquidation der Klägerin.
Der Geschäftsführer (und Mehrheitsgesellschafter) der Klägerin verlangte von der Beklagten Rückzahlung des abgebuchten Betrags. Die Beklagte wehrte sich dagegen u.a. mit der Begründung, dass ihr ein Zurückbehaltungsrecht zustehe, da sie unzulässigerweise nicht über die Geschäftsführungstätigkeiten informiert werde. Außerdem fehle es an einem, in analoger Anwendung des § 46 Nr. 8 GmbHG erforderlichen Gesellschafterbeschluss.
Das LG München II gab der Zahlungsklage Zug um Zug gegen Auskunft des Geschäftsführers der Klägerin u.a. über die gesamte Geschäftsführung statt. Begründet wurde dies mit dem Bestehen eines Auskunftsanspruchs gemäß § 51a GmbHG, aus dem ein Zurückbehaltungsrecht folge.
Das Urteil des OLG München vom 09.11.2017 Az. 23 U 239/17
Das von beiden Parteien im Wege der Berufung angerufene OLG München verurteilte die Beklagte vorbehaltlos zur Zahlung des eingeklagten Betrags.
Ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten wegen nicht erfüllter Auskunftsansprüche wurde abgelehnt. Die Geltendmachung der Auskunftsansprüche aus § 51a GmbHG sei ohne Mitwirkung der Tochter als Miterbin ausgeschlossen. Da diese Ansprüche zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses gehörten, könnten sie gemäß § 2038 Abs. 1 S. 1 BGB von der Erbengemeinschaft nur gemeinschaftlich geltend gemacht werden. Es handele sich hierbei nicht um eine gemäß § 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB von jedem Erben (allein) vornehmbare notwendige Erhaltungsmaßnahme.
Selbst bei Annahme eines Zurückbehaltungsrechts sei dessen Geltendmachung jedenfalls gemäß § 242 BGB ausgeschlossen, da es sich vorliegend um Ansprüche wegen Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht handele. In diesen Fällen gebiete es die Natur des Gläubigeranspruchs, dass hiergegen kein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht werden könne.
Die Klage sei überdies auch nicht mangels Gesellschafterbeschlusses unbegründet. Gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG sei ein solcher nur bei Ersatzansprüchen notwendig, die aus der Gründung oder Geschäftsführung resultierten. Vorliegend handele es sich jedoch um einen Anspruch wegen rechtsgrundlosen Handelns. Der klare Wortlaut des Gesetzes gestatte es nicht, das Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses im Wege einer Analogie auf jegliche Ansprüche der Gesellschaft gegen einen Gesellschafter, der nicht Geschäftsführer ist, auszudehnen.
Praxishinweis
Das Urteil des OLG überzeugt durch eine sehr klare Positionierung im Interesse der Gesellschaft:
Ansprüche gegen Gesellschafter wegen der Verletzung von gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten haben danach Vorrang vor denkbaren Gegenansprüchen. Der betroffene Gesellschafter ist dabei trotz des Ausschlusses des Zurückbehaltungsrechts nicht schutzlos gestellt. Es bleibt ihm unbenommen, seine Ansprüche anderweitig weiterzuverfolgen.
In die gleiche Richtung geht die zweite Aussage des Gerichts: Grundsätzlich obliegt die Vertretung der GmbH und damit die Erledigung des Tagesgeschäfts gemäß § 35 Abs. 1 GmbHG den Geschäftsführern. § 46 Nr. 8 GmbHG normiert lediglich Ausnahmefälle, in denen vorab die Entscheidung der Gesellschafter notwendig ist. Für eine uferlose Ausdehnung im Wege analoger Anwendung besteht hierbei kein Bedürfnis. Vielmehr widerspräche eine solche Ausdehnung dem Grundgedanken der Trennung von Gesellschafterstellung und Geschäftsführungsbefugnis.
Auch bei der dritten Kernaussage des Urteils geht es letztlich um den Schutz von Interessen der Gesellschaft: Erben eines GmbH-Geschäftsanteils müssen sich bei der Geltendmachung des Rechts auf Auskunft und Einsicht nach § 51a GmbHG zusammentun und können dieses Recht nicht einzeln geltend machen. Der damit einhergehende gesteigerte Aufwand ist zwar für die Miterben gegenüber einer Einzelbefugnis ärgerlich; er entspricht aber dem Grundgedanken des § 2038 BGB. So soll die Erbengemeinschaft, die von Natur aus auf Auflösung gerichtet ist, im Regelfall zum einheitlichen Handeln gezwungen werden.
Rechtsanwälte Dr. Barbara Mayer und Jonas Laudahn, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg
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