Die Insolvenzantragspflicht wird für von der Flut betroffene Unternehmen ausgesetzt
Einen entsprechenden Gesetzesvorschlag hat das Bundesjustizministerium in Form einer Formulierungshilfe für die Koalitionsfraktionen mit Zustimmung des Kabinetts bereits vorbereitet. Der Bundestag muss allerdings noch zustimmen.
Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für Unternehmen in den Überflutungsgebieten
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht betonte, dass die Befreiung von der Insolvenzantragspflicht sämtliche Betriebe betrifft, die infolge der Flutkatastrophe im Juli 2021 plötzlich und unverschuldet in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind. Dies betreffe vor allem Betriebe, bei denen
- Fabrikhallen,
- Gebäude,
- Geräte und
- Fahrzeuge
durch die Überschwemmungen stark beschädigt oder zerstört wurden. Diese Unternehmen sollen, wenn sie über tragfähige und erfolgreiche Geschäftsmodelle verfügen, in der Folge nicht verpflichtet sein, den Gang zum Insolvenzgericht zu beschreiten.
Aussetzung betrifft Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung
Gemäß § 15 a InsO ist der Geschäftsführer eines Unternehmens verpflichtet, innerhalb von drei Wochen nach Eintritt der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit einen Antrag auf Insolvenz beim zuständigen Amtsgericht zu stellen. Zahlungsunfähig ist ein Unternehmen, das seine laufenden Verbindlichkeiten nicht bedienen kann, überschuldet ist es, wenn die Summe der Verbindlichkeiten die auf der Habenseite vorhandenen Mittel übersteigt, auch wenn das Unternehmen einzelne Verbindlichkeiten noch bedienen könnte. Beide Varianten sollen von der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht betroffen sein.
Aussetzung nach Vorbild der Corona-Regelung
Für die geplante Regelung existiert bereits ein Vorbild, das wohl auch jetzt Grundlage der vom Bundesjustizministerium herausgegebenen Formulierungshilfe für das geplante Aussetzungsgesetz ist. Angesichts der Corona-Pandemie hatte das Parlament eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht beschlossen. Gemäß dem im Galopp vom Parlament beschlossenen Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG) wurde die Insolvenzantragspflicht gemäß § 1 COVInsAG für die Fälle ausgesetzt, in denen der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung Folge der Pandemie war.
Die nun zu erwartenden Regelungen im einzelnen
In Anlehnung an die Corona-Regelung soll die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für von der Flut betroffene Unternehmen nach derzeitigem Informationsstand bestimmen:
- Die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags wird ausgesetzt, wenn der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung eines Unternehmens Folge des Starkregens und des Fluthochwassers im Juli 2021 ist und
- die Zahlungsfähigkeit bzw. Überschuldung wahrscheinlich nur vorübergehend ist.
- Die Kausalität zwischen Hochwasser und Zahlungsunfähigkeit wird vermutet, wenn der Schuldner vor dem 10.7.2021 noch nicht zahlungsunfähig war.
- Das betroffene Unternehmen muss ernsthafte Finanzierungs- und Sanierungsverhandlungen führen und
- es muss eine begründete Aussicht auf eine erfolgreiche Sanierung bestehen.
Auch diesmal Privilegierungen für Leitungspersonal und Kreditgeber?
Gemäß § 2 COVInsG waren mit der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht im Rahmen der Corona-Pandemie weitere Folgen verbunden, unter anderem eine
- Haftungsprivilegierung von Leitungspersonen sowie
- die Privilegierung von Kreditgebern, um diese zur Gewährung von Krediten an betroffene Unternehmen zu motivieren.
- Die Möglichkeiten der Gläubigeranfechtung wurden gleichzeitig eingeschränkt,
- ebenso die die Möglichkeiten der Gläubiger, ihrerseits einen Insolvenzantrag zu stellen.
Inwieweit vergleichbare Regelungen auch diesmal zum Zuge kommen werden, steht wohl noch nicht im einzelnen fest.
Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis längstens März 2022
Die Insolvenzantragspflicht für betroffene Unternehmen soll rückwirkend zum 10.7.2021 ausgesetzt werden. Die Aussetzung gilt vorläufig bis 31.10.2021. Hierdurch soll den Betrieben die nötige Zeit verschafft werden, um die angebotenen wirtschaftlichen staatlichen Hilfen in Anspruch zu nehmen und Sanierungshandlungen zu führen. Das Justizministerium wird ermächtigt, die Regelung - falls nötig - bis 31.3.2022 zu verlängern.
Zustimmung des Bundestags erforderlich
Der Vorschlag der Bundesregierung wurde zunächst als Formulierungshilfe für die Koalitionsfraktionen beschlossen. Betroffen sind Tausende von Unternehmen in den Flutgebieten. Da der Bundestag zustimmen muss, könnte es zu einer Sondersitzung des Bundestags noch in der Sommerpause kommen. Dies fordern jedenfalls FDP und Grüne, um den betroffenen Unternehmen möglichst schnell Planungssicherheit zu geben.
Gemischte Erfahrungen mit bisherigen Aussetzungsregelungen
Auch nach dem Hochwasser an Elbe und Oder im Jahr 2002 hatte die Bundesregierung regional die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt. Insolvenzverwalter bewerten die Bilanz dieser Maßnahme – auch in der Corona-Pandemie - allenfalls als „gemischt“. Einige schon vorher mit wirtschaftlichen Problemen kämpfende Unternehmen seien dadurch um die eigentlich zwingende Insolvenzantragspflicht herumgekommen. Ein Großteil der Unternehmen sei nach Ablauf der Aussetzung dann doch gezwungen gewesen, den Insolvenzantrag zu stellen. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie wurde mit Wirkung zum 3.5.2021 wieder aufgehoben, weil Insolvenzverwalter einen nicht erwünschten Anstieg verschleppter Insolvenzen beobachtete mit den entsprechenden Nachteilen für die übrige Wirtschaft.
Bund und Länder planen Einrichtung eines Wiederaufbaufonds
Daneben wird das Bundeslandwirtschaftsministerium ein Unterstützungsprogramm für die Landwirtschaft und die Weinbaubetriebe in Kooperation mit der landwirtschaftlichen Rentenbank auflegen. Nach diesem Programm soll Landwirten und Winzern die Ersatzbeschaffung von Maschinen und Geräten, die Reparatur sowie der Neuaufbau der durch das Hochwasser zerstörten oder beschädigten Gebäude finanziert werden. Den Betroffenen werden nach diesem Programm Darlehen zu einem Zinssatz von 0,01 % zur Verfügung gestellt. Daneben werden Bund und Länder in der kommenden Woche über einen milliardenschweren Wiederaufbaufonds beraten, über den wohl auch nicht rückzahlbare Zuschüsse zur Verfügung gestellt werden sollen.
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