Insolvenzrechtsreform eröffnet neue Sanierungsmöglichkeiten

Die Reform Insolvenzrecht trat zum 1.1. in Kraft. Ihr Hauptziel ist es, angeschlagenen Firmen - mit denen in Folge von Corona vermehrt zu rechnen ist - zu helfen, sich aus eigener Kraft und Verantwortung im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens selbst zu retten. Dazu liefert der Restrukturierungsrahmen ein neues Instrument. Zugleich wird eine EU-Richtlinie umgesetzt.

Sanierungs- und Insolvenzrecht wird einschneidend verändert

Mit dem vom Bundestag am 17.12.2020 (in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung; 19/25303, 19/25353) angenommenen Regierungs-Entwurf des Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetzes (SanInsFoG; 19/24181, 19/24903, 19/25170) wird einerseits eine EU-Richtlinie umgesetzt (Richtlinie (EU) 2019/1023 vom 20.6.2019), andererseits den wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie begegnet. Das deutsche Sanierungs- und Insolvenzrecht wird deutlich ergänzt und fortentwickelt.

Restrukturierungsrahmen als neue Sanierungsmöglichkeit eingeführt

Kernstück der Reform ist das neue „Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen“ (StaRUG), das ein neues, im wesentlichen außergerichtliches und vom Unternehmen selbstverantwortlich geführtes Sanierungsverfahren einführt. Es möchte die makelbehaftete Insolvenz für möglichst viele Betriebe verhindern.

Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wird bis 30.4. verlängert

Die Insolvenzantragspflicht war von März bis September 2020 auch für zahlungsunfähige Unternehmen ausgesetzt,  worden. Für überschuldete, aber nicht zahlungsunfähige Betriebe wurde diese Frist bis zum 31.12.2020, dann bis Ende Januar verlängert. Geschäftsleiter brauchen trotz Insolvenzreife keinen Insolvenzantrag stellen, wenn sie

  • im Zeitraum vom 1.11.2020 bis 31.12.2020 einen Antrag auf die staatlichen November- und Dezemberhilfen gestellt haben oder
  • dazu berechtigt gewesen wären, den Antrag aber aus rechtlichen oder tatsächlichen (v.a. wegen technischer Probleme) nicht gestellt haben.

Voraussetzung ist, dass die Insolvenz auf der COVID-19-Pandemie beruht und Aussicht auf Beseitigung der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit besteht.

Die Coronabeschlüsse vom 19.1. sehen vor, die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 30. April 2021 zu verlängern.

Insolvenzantragsfrist bei Überschuldung 6 Wochen

Abgesehen davon besteht bei Insolvenzreife wieder die Pflicht einen Insolvenzantrag zu stellen, allerdings mit einer geänderten Frist:

  • Bei Zahlungsunfähigkeit beträgt die Antragsfrist weiterhin drei Wochen,
  • verdoppelt sich aber für den Überschuldungstatbestand auf sechs Wochen.

Prognosezeiträume verkürzt und gestaffelt

Bei pandemiebetroffenen Unternehmen gilt bei Überschuldung im Jahr 2021 ein verkürzter Prognosezeitraum. Es reicht, wenn sie nachweisen, dass sie ihre Schulden in den nächsten vier Monaten begleichen können. Ab 2022 gilt dauerhaft der Überprüfungszeitraum von einem Jahr. Der Prognosezeitraum für die drohende Zahlungsunfähigkeit beträgt 24 Monate.

Restrukturierungsrahmen nur bei drohender Zahlungsunfähigkeit

Zugang zum Sanierungskonzept des Restrukturierungsrahmens erhalten nur Unternehmen, die drohend zahlungsunfähig sind. Bislang sind außergerichtliche Sanierungsversuche in diesem Stadium oft daran gescheitert, dass dem Geschäftsführer zum einen die drei-wöchige Insolvenzantragsfrist im Nacken saß und zum anderen nicht ausnahmslos alle Gläubiger überzeugt werden konnten, aber Einstimmigkeit gefordert war. Der Restrukturierungsrahmen bietet nun die Möglichkeit zur Unternehmensrettung, wenn nur 75 % der Gläubiger pro Gruppe, gemessen an der Forderungshöhe (nicht nach Köpfen) mitmachen.

Unternehmer bleibt eigenständig und flexibel bei Sanierungsbemühungen

Der Restrukturierungsrahmen beginnt mit der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens bei Gericht. Er ist nicht durchdekliniert und formell wie das Insolvenzverfahren, sondern erlaubt es der Geschäftsleitung, sehr individuell abgestimmt auf die Unternehmensbedürfnisse bestimmte Maßnahmen einzuleiten oder auch nicht.

Vollstreckungsaussetzung mit Hilfe von Gericht möglich

Umgestaltet werden können beispielsweise Forderungen, Absonderungsanwartschaften, Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte. Es ist möglich gegenseitige Verträge anzupassen und Vollstreckungsmaßnahmen gerichtlich bis zu drei Monate lang vorübergehend zu stoppen. Unantastbar sind jedoch Lohn- und Gehaltsansprüche und betriebliche Altersvorsorgen.

Wahrung der Gläubigerinteressen ist Voraussetzung

Der Schuldner muss die Krisenanzeichen frühzeitig erkennen, Gläubigerinteressen wahren und dann sehr gründlich einen umfassenden Restrukturierungsplan erstellen, in dem er u.a. die aktuelle Situation des Unternehmens aufzeigt, die Planbetroffenen benennt, sie je nach Rechtsstellung in Gruppen einteilt und die Rettungsmaßnahmen beschreibt, die den Betrieb nachvollziehbar vor der Pleite bewahren sollen.

Restrukturierung kann gegen eine Gläubigerminderheit durchgesetzt werden

Stimmen alle Gläubiger dem Restrukturierungsplan zu, kann er ohne gerichtliche Einbeziehung umgesetzt werden. Wenn die Mehrheit zustimmt, wird der Plan dem Gericht vorgelegt, das ihn mit Wirkung auch für die ablehnenden Gläubiger bestätigen kann. Der Plan muss dann wie vorgezeigt umgesetzt werden. Das Gericht kann einen neutralen Restrukturierungsbeauftragten oder einen Gläubigerbeirat zur Überwachung und Prüfung einsetzen. Auch eine Sanierungsmoderation ist denkbar.

Mehr Geld für Insolvenzverwalter und moderne Kommunikationswege

Der Gesetzesentwurf regelt auf seinen 265 Seiten noch einiges mehr, u.a. wird die Vergütung von Insolvenz- und Sachwaltern (mit Ausnahme des Sondersachwalters) deutlich, nämlich etwa 40 % angehoben und der Weg für den Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel z.B. bei Gläubigerversammlungen und Abstimmungen über Insolvenz- oder Restrukturierungspläne eröffnet.

Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts v. 14.10.2020 = Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz = SanInsFoG in der angenommenen Form mit den Änderungen des Rechtsausschusses, 19/25303, 19/25353.


Hintergrund: Lage der Unternehmen 

Die aktuellen Zahlen von Insolvenzanmeldungen auf einem eher niedrigen Niveau bestätigen, dass die Maßnahmen der Regierung bisher erfolgreich waren. Neben der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht dürften die bis Ende 2021 geltende Kurzarbeiterregelung sowie die staatlichen Überbrückungshilfen ein wichtiges Element bei der Zurückdrängung der Insolvenzen sein. Wirtschaftswissenschaftler sehen aber gerade darin auch ein Problem.

Die Regelungen unterstützen möglicherweise eine Reihe von Unternehmen, die bereits vor der Corona-Pandemie wirtschaftlich schwach gewesen seien. Dies führe u. U. dazu, dass strukturell schwache Unternehmen künstlich am Leben erhalten würden.


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