Nutzungsausfallentschädigung von der Haftpflicht für mehrmonatige Autoreparatur?
Eine Autofahrerin kollidierte mit einem anderen Fahrzeug, dessen Fahrer bei Rot über die Ampel gefahren war. Der Schaden am Fahrzeug der Frau war beträchtlich, die Haftung des Rotlichtsünders stand außer Frage.
Die Reparatur den unfallbeschädigten Fahrzeuges dauerte ungewöhnlich lange
Zur gerichtlichen Auseinandersetzung kam es, weil die sich die Reparatur des Fahrzeugs der Unfallgeschädigten extrem lang hingezogen hatte und die Frau für diesen langen Zeitraum eine Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 12.561 EUR von dem beklagten Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers forderte. Das Fahrzeug stand der Klägerin erst 190 Tage nach dem Unfall wieder zur Verfügung.
Unfallopfer nutzt während der Reparaturzeit größtenteils das Auto des Sohnes
Während der langen Reparaturzeit nutzte die Frau größtenteils ein Fahrzeug ihres Sohnes, mit dem sie vereinbart hatte, dass dieser 35 % der von der beklagten Versicherung geschuldeten Nutzungsausfallentschädigung erhalte.
Airbag-Modul für Beifahrerseite war lange Zeit nicht lieferbar
Die Reparatur hatte so lange gedauert, weil ein Airbag-Modul für die Beifahrerseite des Fahrzeugs lange Zeit nicht geliefert worden war. Als das Modul dann schließlich bei der beauftragten Werkstatt eintraf, stellte sich heraus, dass auch der Kabelbaum der Beifahrertür defekt war, weshalb dieser noch nachbestellt und eingebaut werden musste.
Haftpflichtversicherung will für den Nutzungsausfall nicht aufkommen
Die Versicherung wollte für den Nutzungsausfall nicht aufkommen. Dieser sei nicht eingetreten, weil davon auszugehen sei, dass die Frau dauerhaft Zugriff auf das Auto ihres Sohnes hatte, weil sie Eigentümerin und Halterin des Fahrzeugs sei und sich die Nutzung allenfalls mit ihrem Sohn teile. Zudem habe die Klägerin die Schadenbeseitigung in erheblichem Umfang schuldhaft verzögert. Ein fehlendes Airbag-Modul habe einer Reparatur und einer anschließenden Nutzung des Fahrzeugs nicht im Wege gestanden, ein Beifahrerairbag müsse nicht zwingend einsatzbereit sein müsse.
OLG Düsseldorf spricht Klägerin Nutzungsausfall für 104 Tage zu
Das OLG Düsseldorf gab der klagenden Autofahrerin zum überwiegenden Teil Recht. Verzögerungen bei der Reparatur eines unfallgeschädigten Fahrzeugs, die nicht vom Geschädigten zu vertreten sind, gehen zu Lasten des Schädigers, so das Gericht. Insofern könne von der Geschädigten eine Nutzungsausfallentschädigung auch für einen längeren Zeitraum – im vorliegenden Fall: 104 Tage – beansprucht werden.
Schadenminderungspflicht greift nicht – Geschädigter darf sich bei Reparatur auf Werkstatt verlassen
Hat die Werkstatt, wie im vorliegenden Fall, die Verzögerung der Reparatur mit Lieferschwierigkeiten bei Ersatzteilen begründet, treffe den Geschädigten auch keine dahingehende Schadenminderungspflicht, selbst bei anderen Werkstätten oder bei dem Fahrzeughersteller nach der Verfügbarkeit der Ersatzteile zu forschen. Ein Geschädigter dürfe sich grundsätzlich darauf verlassen, dass die von ihm beauftragte Werkstatt sich unter Ausschöpfung aller verfügbaren Möglichkeiten um eine zeitnahe Beschaffung der Ersatzteile bemühen werde.
Geschädigter muss sich nicht mit Teilreparatur zufriedengeben
Die Werkstatt ist nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten, deren Verschulden er sich zurechnen lassen müsse. Eine Anspruchsminderung komme deshalb nur dann in Betracht, wenn dem Geschädigten selbst eine Verletzung der Schadenminderungspflicht aus § 254 Abs. 2 BGB vorzuwerfen sei. Auch müsse sich ein Geschädigter grundsätzlich nicht mit einer Teilreparatur seines Fahrzeugs zufriedengeben.
Nutzung des Autos des Sohnes verhindert nicht Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung
Die Nutzung des Fahrzeugs des Sohnes stehe einem Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung nicht entgegen, so das Gericht. Zwar fehle es an der für einen solchen Anspruch erforderlichen Fühlbarkeit der Nutzungsentbehrung, wenn einem Geschädigten ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung stehe, dessen Einsatz ihm zumutbar sei (BGH, Urteil v. 05.02.2013, VI ZR 363/11). Ein Nutzungsentschädigungsanspruch werde aber nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Geschädigte von einem Dritten, darunter fallen auch Familienmitglieder, unentgeltlich ein Ersatzfahrzeug erhalten hat.
Nach dem Rechtsgedanken des § 843 Abs. 4 BGB wird der Schädiger nicht durch eine (freiwillige) Leistung Dritter entlastet, die ihm nach dem Sinn der schadensrechtlichen Vorschriften nicht zugutekommen soll. Das gelte auch für den Nutzungsausfallschaden (BGH, Urteil v. 05.02.2013, VI ZR 363/11).
(OLG Düsseldorf, Urteil v. 09.03.2021, 1 U 77/20)
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