Reform der Insolvenzanfechtung
Der Gesetzentwurf verfolgt das Ziel, die Kalkulationsgrundlage für Unternehmen und für Arbeitnehmer im Hinblick auf von Insolvenzverwaltern erhobene Rückforderungen auf erhaltene Zahlungen zu verbessern. Die derzeitige Rechtslage gibt den Gläubigern wenig Sicherheit, ob sie Zahlungen, die sie von ihren Schuldnern erhalten haben, dauerhaft behalten können, wenn diese insolvent werden.
Weiter gesetzlicher Spielraum für Insolvenzanfechtungen
Gemäß geltendem § 133 InsO kann der Insolvenzverwalter Rechtshandlungen anfechten, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen hat mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, wenn der andere Teil den Vorsatz des Schuldners kannte. Nach § 133 Abs. 1 Satz 2 wird diese Kenntnis des Gläubigers vermutet, wenn er wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligen würde.
Der BGH erweiterte die Anfechtungsmöglichkeiten zusätzlich
Nach der Rechtsprechung des BGH war bereits dann von einer Kenntnis des Gläubigers auszugehen, wenn dieser einem Unternehmen eine Forderung mehrfach gestundet hat und er aufgrund dessen mit bestehenden Zahlungsschwierigkeiten des Unternehmens rechnen musste (BGH, Urteil v.6.12.2012, IX ZR 3/12). Dies führte in der Praxis zu ausufernden Anfechtungshandlungen durch Insolvenzverwalter. Bereits die Gewährung großzügiger Zahlungsbedingungen an Abnehmer in einer angespannten finanziellen Situation führte dazu, dass Insolvenzverwalter Zahlungen bis zu einem zurückliegenden Zeitraum von zehn Jahren zurückverlangten. Diese Forderungen gingen in der Praxis häufig in die Millionen und zogen nicht selten die Konsequenz der Insolvenz des in Anspruch genommenen Gläubigers nach sich. Die hierdurch hervorgerufene rechtliche Unsicherheit in der Wirtschaft war erheblich.
Grundsatz der Vorsatzanfechtung bleibt
Das Kabinett reagiert nun mit einer durchgreifenden Änderung der in § 133 InsO geregelten Insolvenzanfechtung. So sollen Zahlungserleichterungen, die der Gläubiger dem Schuldner gewährt, von der Vorsatzanfechtung ausgenommen werden, ebenso in einem bestimmten Rahmen die Rückforderung von verspätet ausgezahltem Arbeitsentgelt. Die Grundstruktur der Vorsatzanfechtung bleibt jedoch unberührt, das heißt der Insolvenzverwalter kann weiterhin Handlungen anfechten, die der Schuldner mit dem Vorsatz vornimmt, Gläubiger zu benachteiligen.
Anfechtung nur noch bei „unangemessener Benachteiligung“
Die Neuregelung sieht allerdings einschränkend vor, dass der Vorsatz des Schuldners darauf abzielen muss, seine Gläubiger „unangemessen“ zu benachteiligen. Unangemessen ist eine Rechtshandlung nur dann, wenn sie die Befriedigungsaussichten der Gläubiger in einer Weise beeinträchtigt, die sich mit den Zwecken des Insolvenzrechts nicht vereinbaren lässt. Dies gilt vor allem für Fälle der inkongruenten Deckung, wenn diese zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem sich die Insolvenz des Schuldners in Gestalt einer drohenden Zahlungsunfähigkeit bereits ankündigt und der Schuldner deshalb Anlass hatte, auf die Belange der übrigen Gläubiger Rücksicht zu nehmen.
Änderung betrifft vor allem die Fälle kongruenter Deckung
Auswirkungen hat die Neuregelung vor allem im Falle der so genannten kongruenten Deckung, bei der die beiderseitige Kenntnis der bloß drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners für eine Anfechtung künftig nicht mehr ausreicht.
- In Zukunft soll der Rechtsverkehr sich darauf verlassen können, dass eine Vorsatzanfechtung nicht möglich ist, wenn dem Schuldner mit wertäquivalenten Bargeschäften die Fortführung seines Unternehmens und die Sicherung seines Lebensbedarfs ermöglicht werden soll oder wenn ernsthafte Sanierungsbemühungen des Schuldners unterstützt werden sollen.
- Wichtig: Die Beweislast dafür, dass diese Fälle nicht vorliegen, liegt zukünftig beim Insolvenzverwalter.
- Für kongruente Deckungen wird die Vermutungsregelung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO dahin geändert, dass an die Kenntnis der tatsächlich eingetretenen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners (nicht wie bisher der bloß drohenden Zahlungsunfähigkeit) angeknüpft wird.
- Darüber hinaus ist die Anfechtung künftig nicht mehr 10 Jahre rückwirkend, sondern gemäß § 130 Abs. 2 InsO nur noch für 4 Jahre rückwirkend möglich.
Erhebliche Vorteile für Arbeitnehmer
Das Bargeschäftsprivileg des § 142 InsO wird konkretisiert. Dies ist wichtig für Arbeitnehmer, die ihren Arbeitslohn verspätet enthalten. Die für ein Bargeschäft notwendige Unmittelbarkeit des Austausches im Rahmen von Arbeitsverträgen ist nach der Neuregelung dann zu bejahen, wenn der Zeitraum zwischen Beginn der Arbeitsleistung, deren Vergütung in Streit steht und der Auszahlung des Arbeitsentgeltes 3 Monate nicht übersteigt. Innerhalb dieser Grenze wird eine Anfechtung von Arbeitsentgeltzahlungen durch den Insolvenzverwalter in der Praxis in Zukunft nicht mehr möglich sein, jedenfalls dann, wenn die Leistung des Arbeitnehmers für den Betrieb fortführungsnotwendig war.
Stärkung der Titelinhaber
Darüber hinaus wird die Inkongruenzanfechtung gemäß § 131 Abs.1 InsO eingeschränkt. Nach der beabsichtigten Änderung werden Sicherungen und Befriedigungen, die ein Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung auf der Grundlage eines in einem gerichtlichen Verfahren erlangten vollstreckbaren Titels erwirkt hat, aus dem Anwendungsbereich der Inkongruenzanfechtung herausgenommen. Zweck: Gläubiger, die das Kostenrisiko eines Prozesses auf sich genommen haben, sollen nachträglich nicht um die Früchte ihrer Anstrengung gebracht werden, es sei denn, die Vollstreckung erfolgte in voller Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, was in der Praxis eher selten sein dürfte.
Allgemeine Zustimmung zu den Änderungen
In der Wirtschaft und von Arbeitnehmerseite wird der Gesetzentwurf allgemein begrüßt. Die Anfechtungsrisiken werden durch den Entwurf kalkulier- und planbarer. Das Risiko, erhaltene Zahlungen infolge einer Insolvenzanfechtung zurück zahlen zu müssen, wird sowohl für den Wirtschaftsverkehr als auch für Arbeitnehmer deutlich verringert. Ein vernehmliches Murren ist lediglich von den Insolvenzverwaltern zu hören - für die wird eine bisher sprudelnde Geldquelle deutlich spärlicher.
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