Vorfälligkeitsentschädigung bei Immobiliendarlehen erfordert klare und transparente AGB
Die vorzeitige Ablösung eines Verbraucherdarlehens kann für den Kunden im Rahmen der dann häufig fällig werdenden Vorfälligkeitsentschädigung teuer . Der Gesetzgeber hat den Banken dabei mit der Regelung des § 502 BGB Grenzen gesetzt. Die Rechtsprechung hat diese Grenzen inzwischen näher definiert und interpretiert.
Hohe Vorfälligkeitsentschädigung für vorzeitig abgelösten Immobilienkredit
In einem vom OLG Frankfurt entschiedenen Fall ging es um die vorzeitige Rückzahlung eines Verbraucherkredits im Rahmen des Verkaufs eines von einem Ehepaar finanzierten Immobilienobjekts. Die finanzierende Bank hatte neben der Rückzahlungssumme auf den Darlehensvertrag auch die von ihr errechnete Vorfälligkeitsentschädigung von etwas über 21.000 EUR erhalten. Die Zahlung war unmittelbar aus der Verkaufssumme für das finanzierte Objekt vom beauftragten Notar an die Bank gezahlt worden. Die Vorfälligkeitsentschädigung forderte das Ehepaar daraufhin von der Bank wieder zurück.
LG wies Rückzahlungsforderung gegen die Bank zurück
Das LG hat die Klage des Ehepaars auf Rückzahlung zunächst abgewiesen. Der Anspruch der Bank auf die Vorfälligkeitsentschädigung folge auf § 502 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Bank habe die Vorfälligkeitsentschädigung nachvollziehbar und verständlich nach den vertraglich vereinbarten Bedingungen für den Fall der vorzeitigen Darlehensauflösung berechnet.
OLG: Bank ist ungerechtfertigt bereichert
Auf die Berufung der Kläger hat das OLG das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Bank zur Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung an die Kläger verurteilt. Nach Auffassung des Senats hat die Bank die Vorfälligkeitsentschädigung ohne Rechtsgrund erlangt und ist daher gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Rückzahlung nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet.
Vorfälligkeitsentschädigung gesetzlich geregelt
Auch das OLG stützte seine Entscheidung maßgeblich auf die Vorschrift des § 502 BGB. Gemäß § 502 Abs. 1 Satz 1 BGB kann die Bank im Fall der vorzeitigen Rückzahlung eines Darlehens eine angemessene Vorfälligkeitsentschädigung
- für den unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung zusammenhängenden Schaden verlangen,
- wenn der Darlehensnehmer zum Zeitpunkt der Rückzahlung
- Zinsen zu einem gebundenen Sollzinssatz schuldet.
Vorfälligkeitsentschädigung erfordert klare und transparente Vertragsregelung
Ausgeschlossen ist der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung gemäß § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB, wenn die Angaben im Darlehensvertrag über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind. Das OLG sah in dem konkreten Darlehensvertrag deutliche Mängel und rügte insbesondere die mangelnde Klarheit und Verständlichkeit der getroffenen Regelungen. Die Kläger seien als Verbraucher nicht in der Lage gewesen, den vertraglichen Angaben in Verbindung mit den Banken-AGB eindeutig zu entnehmen, auf welche Weise und nach welchen Kriterien die Beklagte im Falle der vorzeitigen Rückzahlung die Vorfälligkeitsentschädigung berechnen würde.
Bankenregeln zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung lückenhaft
Nach Auffassung des OLG enthielt der Darlehensvertrag zwar eine Auflistung der einzelnen Schritte, nach denen die Beklagte im Fall der vorzeitigen Ablösung die Vorfälligkeitsentschädigung berechnet würde, jedoch sei die Darstellung in einigen Punkten lückenhaft. So sei vertraglich bestimmt, dass die Bank für die Verzinsung des vorzeitig zurückgezahlten Darlehenskapitals die Zinssätze der entsprechenden „am Kapitalmarkt verfügbaren Hypothekenpfandbriefe“ zu Grunde legt, allerdings nur, „soweit Pfandbriefe mit entsprechenden fristenkongruenten Laufzeiten vorhanden sind“. Der Vertrag enthielt aber keinerlei Angaben zum Verfahren im Fall des Fehlens entsprechender Hypothekenpfandbriefe, etwa bei unterjährigen Laufzeiten.
Vertragsmängel sind nachträglich nicht heilbar
Die Bank hatte die Lücke offensichtlich später selbst bemerkt und den Klägern hierzu ein Merkblatt übersandt, allerdings erst zwei Jahre nach Vertragsschluss. Mit den dort enthaltenen, nun nachvollziehbaren Angaben, ist nach Auffassung des Senats die bei Abschluss des Vertrages vorhandene Lücke im Nachhinein nicht mehr zu füllen.
Die Vertragslücke war kein bloßes Schreibversehen
Die Einlassung der Beklagten, die Lücke sei durch ein offensichtliches Schreibversehen entstanden, ließ das OLG nicht gelten. Der BGH lasse zwar offensichtliche Schreibversehen, die der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Verbraucher ohne weiteres erkennen kann, gelegentlich durchgehen. Dies gelte aber nur für Versehen, die der Verbraucher selbst ohne weiteres berichtigen kann. So habe der BGH die Verwendung des Begriffes „Widerspruchsrecht“ statt des Begriffes „Widerrufsrecht“ in einer Widerrufsbelehrung als unschädlich angesehen (BGH Urteil v. 8.10.2019, XI ZR 66/16). Um ein solches Schreibversehen handle es sich im vorliegenden Fall aber nicht. Die Regelung sei unvollständig. Es sei dem Verbraucher unmöglich, die Lücke selbständig zu füllen.
Transparenzgebot gilt auch für überobligationsmäßige Regelungen
Auch die Rechtsprechung des BGH, wonach Darlehensverträge lediglich in groben Zügen die wesentlichen Parameter für die Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung zu enthalten hätten (BGH, Urteil v. 6.11.2019, XI ZR 650/18), hilft nach Auffassung des OLG der beklagten Bank nicht. Die Angaben der Bank seien im konkreten Fall möglicherweise detaillierter, als es nach der Rechtsprechung des BGH erforderlich wäre. Dies ändere aber nichts daran, dass sämtliche Angaben, auch die überobligationsmäßigen, klar und verständlich sein müssten.
Bereicherungsansprüche nicht wegen Kenntnis ausgeschlossen
Schließlich ist der Anspruch auf Rückforderung der Kläger auch nicht gemäß § 814 BGB deshalb ausgeschlossen, weil die Kläger zum Zeitpunkt der Zahlung gewusst hätten, zu einer Zahlung nicht verpflichtet zu sein. Die Kläger hätten nach Auffassung des OLG zum Zeitpunkt der Leistung keine Kenntnis von ihrer fehlenden Verpflichtung haben können, da die Rechtslage für sie nicht einschätzbar gewesen sei. Eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Rechtsfrage habe zum Zeitpunkt der Zahlung nicht vorgelegen. Sei die Rechtslage aufgrund einer fehlenden höchstrichterlichen Entscheidung unklar, so könne nach gefestigter Rechtsprechung grundsätzlich keine Kenntnis von einer fehlenden Leistungspflicht bestehen (BGH, Urteil v. 13.5.2014, XI ZR 170/13).
Die Bank muss unberechtigte Vorfälligkeitsentschädigung zurückzahlen
Damit bejahte das OLG sämtliche Voraussetzungen für den bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch der Kläger und gab der Klage auf Rückzahlung statt.
(OLG Frankfurt, Urteil v. 1.7.2020, 17 U 810/19).
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Hintergrund: Immobiliendarlehen und ihre Vorfälligkeitsentschädigung
Ein grundpfandrechtlich abgesichertes Darlehen läuft in der Regel über viele Jahre. Für diesen Zeitraum wird ein fester Zinssatz vereinbart (Zinsfestschreibung) und eine „normale“ Kündigung des Darlehensnehmers innerhalb dieser Laufzeit ausgeschlossen. Von Gesetzes wegen kann der Darlehensnehmer den Kreditvertrag allerdings immer außerordentlich, also vorzeitig kündigen, sobald ein berechtigtes Interesse an der Auflösung gegeben ist (§ 490 Abs. 2 Satz 1 BGB). In diesem Fall muss der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber eine Entschädigung zahlen (Vorfälligkeitsentschädigung, § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB), der den Zinsausfall und den Verwaltungsaufwand des Darlehensgebers abdecken soll.
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