Ein Steuerberater muss eine GmbH nicht auf deren Überschuldung hinweisen
Hintergrund
Im Dezember 2006 stellte die Schuldnerin, eine GmbH, Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Der Kläger, Insolvenzverwalter der Schuldnerin, forderte von dem Geschäftsführer der Schuldnerin Schadensersatz, da dieser eine Kreditrückführung trotz Überschuldung der Schuldnerin zugelassen habe. Durch Vergleich trat der Geschäftsführer Ansprüche gegen den beklagten Steuerberater der Schuldnerin an den Kläger ab. Die Ansprüche des Geschäftsführers gegenüber dem Beklagten sollten sich aus einem unterlassenen Hinweis gegenüber dem Geschäftsführer ergeben, dass die Schuldnerin überschuldet sei und der Geschäftsführer daher eine Überschuldungsprüfung hätte vornehmen lassen müssen. Der BGH hatte über die Hinweispflicht des Steuerberaters zu entscheiden.
Das Urteil des BGH v. 23.2.2012, IX ZR 64/12
Der BGH hat eine Schadensersatzpflicht des beklagten Steuerberaters abgelehnt. Gegenüber seiner Mandantin habe der Beklagte lediglich die allgemeinen steuerlichen Pflichten wahrgenommen. Diese erfassten jedoch gerade nicht die Pflicht, die Mandantin auf eine Überschuldung aufmerksam zu machen. Dies sei nur dann der Fall, wenn das Mandat explizit um die rechtlich komplexe Prüfung einer Insolvenzreife des Unternehmens erweitert hat. Die Klage wurde daher abgewiesen.
Anmerkung
Das Urteil ist für Steuerberater beruhigend, führt dem Geschäftsführer den Umfang seiner Pflichten aber noch einmal eindrücklich vor Augen. Es ist die originäre Aufgabe des Geschäftsführers, die Zahlungsunfähigkeit und eine mögliche Überschuldung der von ihm geführten Gesellschaft zu kontrollieren und entsprechend zu reagieren. Hierfür kann der Geschäftsführer sich zwar sachverständiger Hilfe bedienen und wird dies regelmäßig für eine die insolvenzrechtlich relevante Überschuldung vermeidende Fortführungsprognose (Frage, ob die Gesellschaft – prognostisch – für die kommenden zwei bis drei Jahre in der Lage ist, die fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen) sowie die Ermittlung des Zahlungsfähigkeits- und Überschuldungsstatus auch benötigen. Diese Aufträge sind jedoch ausdrücklich zu erteilen und nicht bereits Bestandteil allgemeiner (Steuer)Beratungsaufträge, innerhalb derer der Geschäftsführer nicht einmal Hinweise zur Insolvenzsituation erwarten darf.
Rechtsanwälte Dr. Stefan Lammel, Dr. Jan Henning Martens, Friedrich Graf von Westpahlen & Partner, Freiburg
-
Italienische Bußgeldwelle trifft deutsche Autofahrer
2.172
-
Wohnrecht auf Lebenszeit trotz Umzugs ins Pflegeheim?
1.7342
-
Gerichtliche Ladungen richtig lesen und verstehen
1.635
-
Klagerücknahme oder Erledigungserklärung?
1.613
-
Überbau und Konsequenzen – wenn die Grenze zum Nachbargrundstück ignoriert wurde
1.471
-
Wie kann die Verjährung verhindert werden?
1.400
-
Brief- und Fernmelde-/ Kommunikationsgeheimnis: Was ist erlaubt, was strafbar?
1.368
-
Wann muss eine öffentliche Ausschreibung erfolgen?
1.305
-
Verdacht der Befangenheit auf Grund des Verhaltens des Richters
1.136
-
Formwirksamkeit von Dokumenten mit eingescannter Unterschrift
1.0461
-
Risiko der Betriebsstättenbegründung durch mobiles Arbeiten im Ausland
18.11.2024
-
Handelsregistervollmachten – Anforderungen und Umgang bei Rückfragen des Handelsregisters
12.11.2024
-
Datenschutzbehörden müssen nicht zwingend Sanktionen verhängen
07.11.2024
-
Typisch stille Beteiligung an Kapitalgesellschaften – Unterschiede zwischen GmbH und AG
06.11.2024
-
Bundesnetzagentur wird nationale Marktüberwachungsbehörde bei der KI-Aufsicht
05.11.2024
-
Neue Bundesverordnung zur „Cookie-Einwilligung“
31.10.2024
-
Zahl der Datenschutz-Bußgeldverfahren steigt
24.10.2024
-
Untersuchungs- und Rügeobliegenheit im B2B-Bereich
23.10.2024
-
Fernmeldegeheimnis gilt nicht für private E-Mails und Telefonate am Arbeitsplatz
17.10.2024
-
Wirecard: Geschädigte Aktionäre sind keine nachrangigen Gläubiger!
16.10.2024