Milchstreichfett darf sich nicht Butter nennen
Die Europäische Union nimmt es mit den Bezeichnungen von Waren genau. Hochstapeln geht daher auch bei Produkten nicht: Wo Butter draufsteht, muss in der EU auch Butter - und nicht etwa nur Butterähnliches - drin sein.
Die Regel:
Im detaillierten und komplizierten Geflecht von Verordnungen der europäischen Union findet sich selbstverständlich auch eine genaue Regelung darüber, wann und warum etwas in den Mitgliedstaaten „Butter“ genannt werden darf. In der Verordnung über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse (Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates v. 22. Oktober 2007) heißt es dazu: Nur Erzeugnisse mit einem Milchfettgehalt von mindestens 80 % und weniger als 90 %, einem Höchstgehalt an Wasser von 16 % und einem Höchstgehalt an fettfreier Milchtrockenmasse von 2 % dürfen unter dem Begriff „Butter“ vermarktet werden.
Butter vs. Milchstreichfette
Das in der Tschechischen Republik vermarktete Produkt mit der Bezeichnung „streichfähige Butter“ erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Es handelt sich vielmehr um ein butterähnliches Erzeugnis, das als u.a. als Brotaufstrich verwendet wird. Mit seinen Bestandteilen, insbesondere einem Fettgehalt von nur etwas über 31 %, fällt es daher unter die in der Verordnung ebenfalls genau definierten Bezeichnung „Milchstreichfette X %“.
Die Ausnahme:
Natürlich gibt es wie immer bei einer Regel auch die berühmte Ausnahme: Ergibt sich die genaue Beschaffenheit eines Produkts aus ihrer traditionellen Verwendung und/oder wird die Bezeichnung eindeutig zur Beschreibung einer charakteristischen Eigenschaft des Erzeugnisses verwandt, gilt die Bezeichnungspflicht nicht. Diese ausgenommenen Erzeugnisse sind in einer von der Kommission erstellten Liste vollständig aufgeführt. Eine Neuaufnahme in diese Liste ist von einer vorherigen Entscheidung der Kommission abhängig.
Kommission erhob Vertragsverletzungsklage
Die europäische Kommission war der Ansicht, dass die Tschechische Republik mit der Erlaubnis der Vermarktung des Produkts als „streichfähige Butter“ gegen ihre Verpflichtung aus dieser Verordnung verstoßen habe und erhob beim Europäischen Gerichtshof Vertragsverletzungsklage. Das Produkt sei auch nicht in der Ausnahmeliste aufgeführt. Die Tschechische Republik vertrat hingegen die Auffassung, dass der Verbraucher das in Rede stehende Erzeugnis klar von Butter unterscheiden könne und dieses Erzeugnis damit automatisch unter die Ausnahmeregelung falle. Eine Aufnahme in die genannte Liste und demzufolge eine vorherige Genehmigung durch die Kommission seien hierfür nicht erforderlich.
EuGH stellt Verstoß gegen Bezeichnungspflicht fest
Der EuGH schloss sich der Argumentation der Kommission an und stellte einen Verstoß gegen die unionsrechtliche Bezeichnungspflicht fest. Das Produkt darf nicht unter der Bezeichnung „Butter“ vermarktet werden. Ziel der Verordnung sei es, eine Verwechslungsgefahr für den Verbraucher auszuschließen und einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten. Da sich das tschechische Produkt insbesondere hinsichtlich seiner Beschaffenheit nicht hinreichend von „Butter“ unterscheide, müsste es daher zwingend unter der Bezeichnung „Milchstreichfett X %“ vermarktet werden.
Vorherige Entscheidung der Kommission erforderlich
Nach Ansicht der Richter falle das Produkt auch nicht unter die Ausnahmeregelung, da es in der abschließenden Liste nicht genannt ist. Die betreffende Verordnung ermächtigt ausdrücklich die Kommission, die vollständige Liste der Erzeugnisse zu erstellen.
Eine Neuaufnahme in die Ausnahmeliste erfordert daher eine vorherige Entscheidung der Kommission und schließt eine automatische Aufnahme aus. Andernfalls würde die Zuständigkeit der Kommission unterlaufen werden und vor allem die praktische Wirksamkeit dieser Verordnung in Frage gestellt, den Gebrauch von Verkehrsbezeichnungen zu vereinheitlichen.
Hinweis: Verstößt ein Mitgliedstaat gegen eine Verpflichtung aus dem Unionsrecht, kann entweder die Kommission oder ein anderer Mietgliedstaat Vertragsverletzungsklage beim Europäischen Gerichtshof erheben. Wird von den Europarichtern dann eine Verletzung festgestellt, hat der betreffende Mitgliedstaat dem Urteil unverzüglich nachzukommen. Im vorliegenden Fall muss die Tschechische Republik also die Vermarktung des fraglichen Produkts unter der Bezeichnung „streichfähige Butter“ untersagen bzw. auf die Bezeichnung „Milchprodukt X %“ bestehen. Bei Missachtung des Urteils können auch finanzielle Sanktionen verhängt werden.
(EuGH, Urteil v. 18.10.2012, C-37/11).
-
Italienische Bußgeldwelle trifft deutsche Autofahrer
2.943
-
Wie kann die Verjährung verhindert werden?
2.041
-
Klagerücknahme oder Erledigungserklärung?
1.654
-
Wohnrecht auf Lebenszeit trotz Umzugs ins Pflegeheim?
1.5782
-
Diese Compliance-Regelungen gelten für Geschenke und Einladungen
1.381
-
Brief- und Fernmelde-/ Kommunikationsgeheimnis: Was ist erlaubt, was strafbar?
1.380
-
Gerichtliche Ladungen richtig lesen und verstehen
1.340
-
Patronatserklärungen: Wirkung, Varianten und praktische Bedeutung
1.333
-
Überbau und Konsequenzen – wenn die Grenze zum Nachbargrundstück ignoriert wurde
1.169
-
Wann muss eine öffentliche Ausschreibung erfolgen?
1.110
-
Rechtsunsicherheit für die Kundenanlage
17.12.2024
-
Die Verordnung über das Verbot von Produkten, die in Zwangsarbeit hergestellt wurden
11.12.2024
-
Änderungen des Energiewirtschaftsrechts – Was kommt noch nach dem Ampel-Aus?
10.12.2024
-
Anteil der Zahlungen von Cyber-Versicherungen wegen Datenschutzverstößen steigt stetig
06.12.2024
-
Das Scraping-Urteil des BGH zum Facebook-Datenleck
04.12.2024
-
BGH begrenzt Zulässigkeit von Skonti auf verschreibungspflichtige Arzneimittel
03.12.2024
-
Microsoft Advertising haftet bei fehlender Einwilligung automatisch gesetzter Cookies
28.11.2024
-
Rückbeteiligung bei Unternehmensverkäufen: Chancen und Herausforderungen
26.11.2024
-
Diese Compliance-Regelungen gelten für Geschenke und Einladungen
25.11.2024
-
Risiko der Betriebsstättenbegründung durch mobiles Arbeiten im Ausland
18.11.2024