ARB-Klausel der ARAG-Rechtsschutzversicherung als unangemessen vom BGH kassiert
Eine in den Allgemeinen Bedingungen für Rechtsschutzversicherungen (ARB) der ARAG enthaltene Klausel zur zeitlichen Eingrenzung des Versicherungsschutzes ist teilweise unwirksam. Der BGH hat eine entsprechende Entscheidung des OLG Düsseldorf bestätigt. Geklagt hatte die Verbraucherzentrale NRW.
ARB-Klausel zur zeitlichen Begrenzung des Rechtsschutzes
In den ARB 2016 der ARAG war die bei Rechtsschutzversicherungen übliche Klausel enthalten, wonach Versicherungsschutz nur für solche Rechtsfälle besteht,
- die nach Abschluss
- bzw. vor Beendigung
- des Versicherungsvertrages entstanden sind.
Darüber hinaus war bestimmt, dass es bei der zeitlichen Einordnung des Rechtsschutzfalles entscheidend auf die Argumente des Gegners ankommt, mit denen dieser sich gegen einen vom Rechtsschutzversicherten geltend gemachten Rechtsanspruch wehrt.
Versicherung wollte Rückwirkung des Versicherungsschutzes vermeiden
Mit solchen Klauseln wollen die Versicherungen jede Form der Rückwirkung von Rechtschutzversicherungsverträgen ausschließen.
Beispielsfall:
Die ARAG selbst hat als Beispiel den Fall vorgebracht, dass ein seit dem Jahr 2020 Rechtsschutzversicherter den Abschluss einer im Jahre 2010 abgeschlossenen Lebensversicherung mit der Argumentation widerrufen will, bei Abschluss der Lebensversicherung habe er die gesetzlich vorgeschriebenen Verbraucherinformationen, nicht erhalten, während die Versicherung behauptet, die Verbraucherinformationen ordnungsgemäß bereits im Jahre 2010 an den Kunden ausgehändigt zu haben.
Gretchenfrage: Wann ist der Rechtsschutzfall eingetreten?
Die Eintrittspflicht der Rechtsschutzversicherung hängt im Beispielsfall davon ab, zu welchem Zeitpunkt der Rechtsschutzfall eingetreten ist. Nach den von der ARAG verwendeten Rechtsschutzbedingungen könnte die Rechtschutzversicherung argumentieren, der Versicherungsfall sei bereits im Jahr 2010 eingetreten, weil die Gegenseite behauptet, die gesetzlich vorgeschriebenen Verbraucherinformationen bereits im Jahr 2010 ausgehändigt zu haben. Da der Rechtsschutzvertrag erst im Jahr 2020 abgeschlossen wurde, könnte sie also den Versicherungsschutz verweigern.
Ausschlussklausel benachteiligt Versicherungsnehmer unangemessen
Eine Rechtsschutzklausel, die eine solche Argumentation ermöglicht, ist nach Auffassung des BGH - wie auch nach den Entscheidungen der Vorinstanzen - unzulässig, da sie eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers beinhaltet. Die konkrete ARB-Klausel ermöglicht nach Auffassung des BGH der Rechtsschutzversicherung eine uferlose Rückverlagerung eines Rechtsschutzfalles.
Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers ist entscheidend
Entscheidend für die Beurteilung, zu welchem Zeitpunkt ein Rechtsschutzfall eingetreten ist, sei die Sichtweise des durchschnittlichen Versicherungsnehmers. Dieser gehe davon aus, dass eine Streitigkeit dann vom Versicherungsschutz der Rechtschutzversicherung abgedeckt ist, wenn die Streitigkeit ihren Grund in einer nach Abschluss des Rechtsschutzvertrages entstandenen Differenz über eine Rechtsposition des Versicherungsnehmers hat. Aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers sei in dem Beispielsfall daher davon auszugehen, dass
- der Versicherungsfall in dem Zeitpunkt entstanden ist,
- als der Lebensversicherer das Widerrufsrecht des Rechtsschutzversicherten bestreitet.
Für die Beurteilung sei es unerheblich, welche Argumente die Gegenseite gegen die Rechtsposition des Versicherungsnehmers einwendet.
Verbraucherzentrale sieht Rücken der Verbraucher gestärkt
Aus Sicht der Verbraucherschützer hat der BGH damit im Sinn der Versicherten entschieden und die Verbraucherrechte gestärkt. In Fällen wie dem gewählten Beispielsfall könnten Verbraucher nun noch nachträglich Rechtsschutz für Gerichts- und Anwaltskosten von der ARAG einfordern. Dies gelte auch für alle sonstigen Rechtsschutzversicherungen, die entsprechende Bedingungen verwenden.
Die ARAG reklamiert den entscheidenden Erfolg für sich
Die ARAG selbst bewertet das Urteil anders. Der Rechtschutzversicherer weist darauf hin, dass ein entscheidender Teil des Verfahrens, in dem es um die Klausel zum Darlehenswiderruf geht, zu seinen Gunsten ausgegangen sei. Nach dieser Klausel wird der Widerruf eines vor Beginn des Versicherungsschutzes abgeschlossenen Darlehens- oder Versicherungsvertrages dann nicht vom Versicherungsschutz umfasst, wenn der Widerruf mit der Begründung erfolgt, über das Widerrufsrecht unzureichend belehrt worden zu sein.
Dies gilt auch dann, wenn der Widerruf erst nach Eintritt des Versicherungsschutzes erklärt wird. Diese Klausel hatte der BGH als ausreichend transparent und damit als wirksam bewertet.
Mit ihrer Einschätzung des Urteils liegt die ARAG nicht ganz falsch. Die Wirkung des Urteils für den Verbraucherschutz ist begrenzt. Unzulässig ist nach der Entscheidung des BGH lediglich der ARB-Zusatz, bei der zeitlichen Eingrenzung des Versicherungsschutzes auf die Argumente des Gegners abzustellen. Damit bleibt die Reichweite der verbraucherschützenden Wirkung des Urteils hinter den Hoffnungen der Kläger zurück.
(BGH, Urteil v. 21.3.2021, IV ZR 221/19).
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Hintergrund: Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers
Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an (BGHZ 153, 182, 185 f.; 123, 83, 85; jeweils m.w.N.).
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