UPDATE: Keine Berufung auf Gesellschafterliste

Wenn eine einstweilige Verfügung die Einreichung einer GmbH-Gesellschafterliste zum Handelsregister untersagt, muss die Gesellschaft die Einreichung verhindern oder eine Korrekturliste einreichen. Bei Verstoß gegen diese Pflicht ist die Gesellschaft so zu behandeln, als sei die unrichtige Gesellschafterliste nie ins Handelsregister aufgenommen worden.

Hintergrund: Einreichung einer Gesellschafterliste entgegen einer einstweiligen Anordnung

An einer GmbH mit mehreren Gesellschaftern war der Hauptgesellschafter zunächst mit ca. 60 % beteiligt. Später wurden seine Geschäftsanteile eingezogen, wogegen der Hauptgesellschafter klagte. Er erwirkte außerdem eine einstweilige Verfügung gegen die GmbH und deren Geschäftsführer, mit der diesen die Einreichung einer neuen Gesellschafterliste (auf welcher der Hauptgesellschafter nicht mehr als Gesellschafter geführt wurde) untersagt wurde. Trotz der einstweiligen Verfügung reichte der Geschäftsführer eine Gesellschafterliste, in der der Hauptgesellschafter nicht mehr eingetragen war, beim elektronischen Handelsregister ein. Diese wurde auch in den Registerordner aufgenommen. In einer darauffolgenden Gesellschafterversammlung der GmbH, zu der der Hauptgesellschafter nicht geladen worden war, wurden durch die übrigen Gesellschafter der GmbH im Oktober 2017 verschiedene Gesellschafterbeschlüsse gefasst. In diesem Zusammenhang befasste sich der BGH – und das Kammergericht Berlin als Vorinstanz – mit der Frage, ob der Hauptgesellschafter an diesen Gesellschafterbeschlüssen hätte beteiligt werden müssen, obwohl er nicht mehr in die beim Handelsregister hinterlegte Gesellschafterliste eingetragen war.

Das Urteil des BGH vom 2.7.2019 (Az. II ZR 406/17)

Wie zuvor das Kammergericht Berlin entschied der BGH, dass der Hauptgesellschafter zur Gesellschafterversammlung im Oktober 2017 hätte geladen werden müssen und die Beschlüsse aufgrund der Nichtladung des Klägers unwirksam waren.

Zwar gelte bei der GmbH grundsätzlich die sog. Legitimationswirkung der Gesellschafterliste nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Danach gilt gegenüber der Gesellschaft nur derjenige als Gesellschafter, der in die im Handelsregister hinterlegte Gesellschafterliste eingetragen ist und zwar unabhängig davon, ob er tatsächlich Inhaber des Geschäftsanteils ist; nur die in der Gesellschafterliste eingetragenen Personen müssen daher beispielsweise zu Gesellschafterversammlungen geladen werden.

Im vorliegenden Fall sei von diesem Grundsatz aber eine Ausnahme zu machen, weil es der GmbH aufgrund der einstweiligen Verfügung rechtskräftig untersagt gewesen sei, eine neue Gesellschafterliste (in welcher der Hauptgesellschafter nicht mehr als Gesellschafter eingetragen war) beim Handelsregister einzureichen. Damit hätte die GmbH die Einreichung einer solchen Gesellschafterliste durch den Notar verhindern bzw. eine Korrekturliste einreichen müssen. Weil sie diese Pflicht verletzt habe, dürfe sie sich nicht auf die unrichtige Gesellschafterliste berufen. Sie müsse sich stattdessen so behandeln lassen, als sei die unrichtige Gesellschafterliste nie ins Handelsregister aufgenommen worden.  

Praxishinweis: Einstweilige Rechtsschutzmaßnahmen als wirksamer Schutz gegen die Einziehung von Geschäftsanteilen

Es ist erfreulich, dass der BGH die Entscheidung des Kammergericht Berlin bestätigt und damit für Einziehungsfälle in der GmbH einen klaren Weg vorgegeben hat, wie sich der Gesellschafter am besten gegen die Einziehung seiner Geschäftsanteile wehren kann bzw. wie sich die übrigen Gesellschafter und Geschäftsführer in solchen Fällen verhalten sollen.

Dem Gesellschafter, dessen Geschäftsanteile (zu Unrecht) eingezogen wurden, steht zum einen eine Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage gegen den Einziehungsbeschluss zur Verfügung. Bis über diese rechtskräftig entschieden ist, kann jedoch ein längerer Zeitraum vergehen, innerhalb dessen die GmbH bereits eine neue Gesellschafterliste zum Handelsregister einreichen kann (in der der Gesellschafter nicht mehr als Inhaber der eingezogenen Geschäftsanteile ausgewiesen ist). Für den Gesellschafter kann das ein erhebliches Risiko darstellen, da er ab Hinterlegung der neuen Gesellschafterliste gegenüber der GmbH nicht mehr als Gesellschafter gilt. Er wäre deswegen an den Entscheidungen der Gesellschafter nicht mehr zu beteiligen und würde damit seinen Einfluss auf die GmbH verlieren. Dies ist besonders einschneidend, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die Einziehung unwirksam war. Der Gesellschafter muss dann zwar wieder in die Gesellschafterliste aufgenommen werden – er sieht sich aber gegebenenfalls der Situation gegenüber, dass in dem vergangenen Zeitraum das Unternehmen ohne seine Mitwirkung grundlegend umstrukturiert wurde.

Um diesem Risiko zu begegnen, kann es für den ausgeschlossenen Gesellschafter sinnvoll sein, sich schon vor Hinterlegung einer aktualisierten (und ggf. unrichtigen) Gesellschafterliste gegen diese zu wehren und der Gesellschaft bzw. deren Geschäftsführern per einstweiliger Verfügung die Einreichung einer solchen Gesellschafterliste zu untersagen (zumindest bis zur Klärung, ob die Einziehung wirksam war oder nicht). Nur die Eintragung eines Widerspruchs in der Gesellschafterliste ist hingegen nicht ausreichend, da dieser gemäß § 16 Abs. 3 Satz 3 GmbHG nur den gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten verhindert. Selbst wenn die GmbH sich an diese einstweilige Verfügung nicht hält oder ein Notar versehentlich eine aktualisierte Gesellschafterliste einreicht, ist der von der Einziehung betroffene Gesellschafter – was nun der BGH bestätigt hat – dadurch geschützt, dass sich die GmbH nicht auf eine solche Gesellschafterliste berufen darf.

Für die anderen Gesellschafter und Geschäftsführer gilt in diesen Fällen: an einstweilige Verfügungen muss man sich halten. Das heißt: Damit die nach der Einziehung von ihnen gefassten Gesellschafterbeschlüsse wirksam sind, müssen sie einen Gesellschafter, der seine Stellung durch einstweilige Verfügung gesichert hat, an Gesellschafterbeschlüssen weiter beteiligen.


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