Wird eine mangelhafte Sache geliefert, entschied der BGH in einem viel beachteten Urteil, dass der Verkäufer etwaige Einbaukosten einer neu gelieferten Sache nur bei Verschulden tragen muss. Diesem Ergebnis widersprach nun der EuGH, was Folgen für die Vertragsgestaltung und Haftung, insbesondere gegenüber Verbrauchern, haben wird.

Hintergrund

Seit der Modernisierung des Schuldrechts, die am 1.Januar 2002 in Kraft getreten ist, war die Frage umstritten, wer denn bei einer mangelhaften Lieferung die Kosten des Aus- und Einbaus zu tragen hat, sofern sich der Käufer wegen eines Mangels dazu entscheidet, Ersatzlieferung zu begehren. Unter Geltung des früheren Rechts war es allerdings unbestritten, dass im Fall der Mangelbeseitigung in Form einer Nachbesserung der Verkäufer auch verpflichtet ist, die Aufwendungen zu tragen, welche zum Zweck der Mangelbeseitigung erforderlich sind, also insbesondere die Kosten der Fehlersuche, die Kosten des Hin- und Rücktransports der Sache sowie die Aufwendungen, die für den Ausbau der mangelhaften Sache anfallen und die, welche den Einbau einer mangelfreien Sache erforderlich sind. Doch nachdem der Gesetzgeber – unter dem Einfluss der europäischen Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie – das Kaufrecht reformiert hatte, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am 15.7.2008, dass eine neue Zeitrechnung begonnen hatte.

Es ging darum, dass ein Händler fehlerhafte Parkettstäbe geliefert hatte; der Käufer hatte sie eingebaut, entdeckte aber sodann, dass sie mangelhaft waren und verlangte Ersatzlieferung, aber auch den Ersatz der Kosten für die Neuverlegung (BGH WM 2008, 1890). Den Anspruch auf Ersatz dieser Kosten verweigerte der BGH jedoch. Er begründete dies mit der Erwägung, dass ja der Verkäufer seine kaufvertraglichen Pflichten erfüllt hat, wenn er anstelle der mangelhaften Parkettstäbe, neue, mangelfreie als Ersatz geliefert hat. Denn die kaufvertragliche Pflicht zur Nacherfüllung ist, so der BGH, deckungsgleich mit der ursprünglich im Rahmen des Kaufvertrages übernommenen Erfüllungspflicht. Die Pflicht, die Kosten der Neuverlegung zu tragen, könne daher nur auf einen – verschuldensabhängigen – Anspruch auf Schadensersatz gestützt werden. Denn  sie war ja nicht Gegenstand der ursprünglichen kaufvertraglichen Erfüllungspflicht, hatte doch der Käufer den Einbau der Parkettstäbe selbst übernommen.

Diesen Schadensersatzanspruch des Käufers aber verneinte der BGH zugunsten des Händlers. Denn der Hersteller ist im Blick auf die Lieferpflicht des Verkäufers nicht sein Erfüllungsgehilfe, so dass er für die Kosten der Neuverlegung der Parkettstäbe nicht im Rahmen einer neben dem Kaufvertrag bestehenden Pflicht auf Ersatz des dem Käufer entstandenen Schadens ohne Rücksicht auf dem Händler zurechenbares Verschulden haftet. Dies wäre nur dann anders, wenn der Verkäufer/Händler verpflichtet gewesen wäre, die Parkettstäbe vor ihrem Verkauf zu untersuchen, ob sie herstellerbedingte Mängel aufweisen. Doch grundsätzlich – so der BGH – besteht eine solche Untersuchungspflicht des Händlers nicht. Also haftet er auch nicht im Rahmen des Schadensersatzes für die dem Käufer entstandenen Kosten der Neuverlegung mangelfreier Parkettstäbe. Mangels einer dem Händler vorwerfbaren Pflichtverletzung blieb also der Käufer auf diesen Kosten sitzen.

Da in der juristischen Literatur an dieser Entscheidung scharfe Kritik deswegen geübt worden war, weil der BGH die Bestimmungen von Art. 3 Abs. 2 und 3 der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie verletzt habe, entschloss sich der BGH am 14.1.2009 die Frage dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorzulegen, ob denn die Kosten des Ausbaus einer mangelhaften Sache – es handelte sich um die Lieferung fehlerhafter Fliesen – im Rahmen einer Ersatzlieferung auch vom Verkäufer zu übernehmen sind.

Das Urteil des EuGH vom 16.06.2011

In einer soeben am 16.6.2011 (Az. C-65/09; C-87/09) veröffentlichten Entscheidung hat der EuGH diese Frage rückhaltlos bejaht. Danach steht nunmehr fest, dass im Fall einer Ersatzlieferung der Verkäufer sowohl die Kosten des Ausbaus der mangelhaften Sache als auch die des Einbaus der mangelfreien Ersatzsache zu tragen hat. Es handelt sich um Aufwendungen – so die Begründung des EuGH – die der Käufer deswegen nicht zu tragen hat, weil sie das unmittelbare Ergebnis der dem Verkäufer anzulastenden Lieferung einer mangelhaften Sache sind. Würden nämlich diese Kosten nicht vom Verkäufer übernommen, dann wäre der in den Art. 3 Abs. 2 und 3 der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie verankerte Anspruch des Käufers, dass die Nacherfüllung „unentgeltlich“ durchzuführen sei, nicht beachtet. Zwar bleibt dem EuGH nicht verborgen, dass die Kosten des Aus- und die des Einbaus nicht in den beiden Bestimmungen der Richtlinie ausdrücklich erwähnt sind. Aber diese Aufwendungen – so der EuGH - sind letztlich erforderlich, um die „Herstellung eines vertragsgemäßen Zustandes des Verbrauchsguts“ zu erreichen, zumal die Nacherfüllung im Fall eines Mangels „ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher“ zu erbringen ist.

Welche Folgen ergeben sich aus diesem Urteil für die Praxis?

1.         Sofern der Verkäufer mit einem Verbraucher einen Kaufvertrag abschließt, fallen die Kosten des Aus- und die des Einbaus im Rahmen einer Ersatzlieferung jetzt unmittelbar in den Bereich der Mängelhaftung. Sie sind nicht mehr dem Schadensersatzrecht zuzuweisen. Dadurch verschlechtert sich die Rechtsstellung des Händlers im Vergleich zur bisherigen Rechtslage. Dass das deutsche Gesetz noch nicht geändert ist, ist gleichgültig.

2.         Da das deutsche Recht die hier in Rede stehende Norm des § 439 Abs. 1 und Abs. 2 BGB jedoch sowohl für den Bereich des Kaufes eines Verbrauchsgutes als auch für den unternehmerischen (kaufmännischen) Verkehr in identischer Weise vorgesehen hat, stellt sich die heikle Frage, ob das Urteil des EuGH auch für Kaufleute einschlägig ist. Das wird man wohl verneinen müssen.

2.1       Vielmehr kommt man hier zur Anwendung der verschiedentlich in der Wissenschaft debattierten Rechtsfigur der „gespaltenen Auslegung“. Das bedeutet: Gegenüber einem Verbraucher gilt im Rahmen der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie uneingeschränkt die Pflicht des Verkäufers, die Kosten des Aus- und die des Einbaus im Rahmen einer Ersatzlieferung zu tragen. Denn der EuGH hat das Auslegungsmonopol. Allein ihm steht es zu, die Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie verbindlich zugunsten des Verbrauchers auszulegen.

2.2       Für den Kaufmann, der gegenüber einem anderen Kaufmann wegen eines Mangels der Sache Ersatzlieferung begehrt, wird es aber bei der bisherigen Rechtslage bleiben. Denn das Urteil des EuGH ist insoweit nicht anwendbar, so dass es bei der bisherigen Auslegung von § 439 Abs. 1 und Abs. 2 BGB durch den BGH sein Bewenden haben kann. Daher der Begriff der „gespaltenen Auslegung“. Das heißt praktisch, der Händler schuldet dem Käufer, wenn dieser dennUnternehmer/Kaufmann ist, im Fall eines Mangels der gelieferten Sache grundsätzlich keinen Ersatz der Aus- und Einbaukosten, sofern er nicht (sehr selten) eine neben dem Kaufvertrag bestehende Pflicht schuldhaft verletzt hat. Dann freilich ist Schadensersatz geschuldet.

3.         Wenn der Verkäufer für den Bereich des Kaufvertrages mit Verbrauchern Geschäftsbedingungen (AGB) verwendet, dann sind diese schnellstens an das Urteil des EuGH anzupassen. Denn nach der neuesten Rechtsprechung des BGH können Wettbewerber bei der Verwendung unwirksamer AGB nach § 4 Nr. 11 des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb (UWG) Ansprüche auf Unterlassung und ggfs. auch auf Schadensersatz geltend machen. Auch hat der Verbraucher selbst einen eigenen Schadensersatzanspruch, wenn unwirksame AGB verwendet werden. Denn darin liegt, wie der BGH im vergangenen Jahr entschieden hat. eine schuldhafte Verletzung des vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses (§ 311 ABS. 2 BGB). Es lohnt also nicht, von einer Überarbeitung der AGB Abstand zu nehmen.

Rechtsanwalt Prof. Dr. Friedrich Graf von Westphalen, Sozietät Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Köln


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