Arzt haftet bei Behandlungsfehler auch für den Zweiteingriff

Begeht ein Arzt bei einem Eingriff einen groben Behandlungsfehler, ist häufig eine weitere OP nötig. Entstehen dabei dann Komplikationen, muss der Arzt des ersten Eingriffs dafür haften.

Einem Arzt war bei einem Eingriff ein Behandlungsfehler unterlaufen, wodurch eine zweite Operation erforderlich wurde. Der Betroffene kann wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung vom erstbehandelnden Arzt Ersatz für die infolge der Nachoperation entstandenen materiellen und immateriellen Schäden verlangen. So urteilte der Bundesgerichtshof (BGH) am 22.5.2012 (VI ZR 157/11).

Das Urteil dürfte auch die Krankenkassen interessieren, da auch ihnen Folgekosten durch Behandlungsfehler entstehen.

Komplikationen nach der zweiten Operation

Im verhandelten Fall hatte ein Arzt im Rahmen einer Darm-OP den vom Tumor betroffenen Darmabschnitt der Klägerin nicht mit entfernt und so einen groben Behandlungsfehler begangen. Die Patientin musste erneut operiert werden - dieser zusätzliche Eingriff wäre bei korrektem medizinischem Vorgehen nicht erforderlich gewesen. In der Folge der zweiten OP stellten sich Wundheilungsstörungen im Bereich der Bauchdecke sowie Probleme im Bereich der Darmnaht ein. Der weitere Heilungsverlauf war äußerst komplikationsbehaftet.

Folgeschäden wären ohne Behandlungsfehler nicht entstanden

Die Haftung des ersten Operateurs beschränkt sich nicht auf die unmittelbar mit dem Zweiteingriff verbundenen gesundheitlichen Belastungen des Patienten. Sie umfasst nach Auffassung des BGH auch die im Zusammenhang mit diesem Eingriff aufgetretenen Komplikationen. Es spielt dabei keine Rolle, dass die erste OP keinen primären Schaden hervorgerufen hat, obwohl die nach der Zweit-OP eingetretenen Komplikationen schon bei der ersten OP theoretisch hätten eintreten können. Vielmehr wären die Folgeschäden in ihrer konkreten Ausprägung ohne den zweiten Eingriff nicht eingetreten. Die Folgeschäden sind damit ursächlich auf die Primärschädigung zurückzuführen.

Arzt ist beweispflichtig

Steht – wie im verhandelten Fall – fest, dass ein Arzt dem Patienten durch fehlerhaftes und rechtswidriges Handeln einen Schaden zugefügt hat, so muss der Arzt beweisen, dass der Patient den gleichen Schaden auch bei rechtmäßigem und fehlerfreiem ärztlichem Handeln erlitten hätte. An dem Zusammenhang mit dem Behandlungsfehler aus der ersten Operation würde es fehlen, wenn der die Zweitschädigung herbeiführende Arzt in außergewöhnlich hohem Maße die an ein gewissenhaftes ärztliches Verhalten zu stellenden Anforderungen außer Acht gelassen und derart gegen alle ärztlichen Regeln und Erfahrungen verstoßen hat, dass der eingetretene Schaden seinem Handeln alleizugeordnet werden muss. Doch dies war im Streitfall nicht gegeben.

Schadenersatzanspruch gegen den Erstbehandler

Die den Arzt treffende Verpflichtung zu einer den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechenden Versorgung des Patienten diente u. a. dem Zweck, Patienten vor einem an sich nicht erforderlichen Zweiteingriff und den damit einhergehenden Folgen zu schützen. Die vom Patienten geltend gemachten Gesundheitsschäden stehen auch in einem inneren Zusammenhang mit der durch den Arzt geschaffenen Gefahrenlage. Der dem Arzt vorzuwerfende Behandlungsfehler hat den weiteren Krankheitsverlauf entscheidend geprägt, zumal den nachbehandelnden Ärzten kein Behandlungsfehler vorzuwerfen ist.


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