Zur Kritik am Rentenpaket
Harsche Kritik am Rentenpaket gibt es aus der Wirtschaft und seitens der Arbeitgeber. Im Mittelpunkt der Kritik stehen die abschlagsfreie Rente ab 63 nach 45 Beitragsjahren und die Mütterrente.
Rente ab 63 gilt als "Rolle rückwärts"
Bei der Rente ab 63 handele es sich um die "Rolle rückwärts" bei der Rente mit 67. Die geplante Regelung stehe, auch wenn sie nur als Übergangsregelung für vergleichsweise wenige Geburtsjahrgänge angewandt wird, im Widerspruch zu den seit Ende der 1980er-Jahre kontinuierlich verfolgten Bemühungen des Gesetzgebers, die Auswirkungen des demografischen Wandels auf die gesetzliche Rentenversicherung auch durch eine Anhebung der Altersgrenzen zu bewältigen. Sie führe eher noch zu einer Verschärfung des Fachkräftemangels. In den nächsten Jahren werde zusätzlich ein Teil jedes Jahrgangs vorzeitig in den Ruhestand gehen. Die Maßnahme sei zudem problematisch hinsichtlich ihrer Verteilungseffekte. Sie begünstige vorwiegend männliche Versicherte mit ohnehin schon überdurchschnittlich hohen Rentenansprüchen.
Neue Ungerechtigkeiten entstehen
Was die abschlagsfreie Rente mit 63 Jahren angeht, so scheint es überzogen, hier von einer vollständigen Abkehr von der bisherigen Rentenpolitik einer langfristigen Anhebung der Altersgrenzen zu sprechen. Schließlich bleibt es insgesamt bei der Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre und der entsprechenden Anhebung der Altersgrenzen der anderen vorzeitigen Altersrenten (z. B. Altersrente für langjährig Versicherte und Altersrente für schwerbehinderte Menschen). Dennoch bringt diese Maßnahme in erheblichem Maße neue Ungerechtigkeiten mit sich. So ist es nicht einzusehen, warum Menschen, die vor einem Jahr mit 63 Jahren und 45 Beitragsjahren mit einem erheblichen lebenslangen Rentenabschlag in die Rente gegangen sind, nunmehr nicht auch von dieser Maßnahme profitieren können. Hier hätte erwogen werden können, diese Menschen wenigstens ab dem 1.7. 2014 für die Zukunft abschlagsfrei zu stellen. Schließlich ist es wohl auch nicht gerecht, jetzt wieder für einige Jahrgänge die Tür zur Frühverrentung zu öffnen, um sie dann wieder für Jüngere zu schließen.
Finanzierung der Mütterrente über Beitragsmittel
Die Mütterrente steht insbesondere wegen ihrer ordnungspolitisch nicht sachgerechten Finanzierung über Beitragsmittel in der Kritik. Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen.
Betrachtet man die Ausgaben für die einzelnen Maßnahmen, so hätte es nahe gelegen, für erwerbsgeminderte Menschen ein wenig mehr zu tun.
Einschätzung durch die Bevölkerung
In der Bevölkerung findet sich eine breite Zustimmung zu den Reformmaßnahmen bei der gesetzlichen Rente. Dies ist wohl auch der Grund dafür, dass die Politik neben dem Schließen von "Gerechtigkeitslücken" gerne auf die Einschätzung der Bevölkerung verweist.
Bei einer repräsentativen Umfrage des ARD DeutschlandTrends vom Mai 2014 hielten 73 % der Deutschen es für richtig, dass Menschen nach 45 Beitragsjahren im Alter von 63 Jahren ohne Abschläge in Rente gehen können. Lediglich 22 % waren dagegen. In der Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen fanden immerhin noch 64 % diese Rentenpläne richtig, nur 31 % hielten dies für den falschen Weg.
Dieses Ergebnis überrascht nicht. Auch die "Rente mit 67" wurde stets in weiten Teilen der Bevölkerung abgelehnt.
Internationaler Kontext
Das Rentenpaket der Bundesrepublik Deutschland wird international eher skeptisch gesehen. So hat beispielsweise die OECD in ihrem Deutschland betreffenden Wirtschaftsbericht aus dem April 2014 die deutschen Reformmaßnahmen kritisiert, insbesondere die Einführung der Rente ab 63 und die Finanzierung der sog. Mütterrente. Das Rentenpaket der Bundesregierung (insb. Mütterrente und Rente ab 63) erschwere die Verringerung der Abgabenlast in der Sozialversicherung. Die zur Finanzierung des Rentenpakets benötigten Ausgaben können Auswirkungen auf die Beschäftigungszahlen haben. Eine Finanzierung aus Steuermitteln anstatt aus Sozialversicherungsbeiträgen könne beschäftigungs- und wachstumsfreundlicher sein.
Arbeitsbedingungen verbessern und Fehlanreize beseitigen
Das effektive Renteneintrittsalter habe sich in den letzten 10 Jahren erhöht, allerdings könnten dennoch Arbeitsbedingungen verbessert und Fehlanreize beseitigt werden, um das Renteneintrittsalter weiter zu erhöhen. Da die Rente ab 63 einen Anreiz setze, früher das Erwerbsleben zu verlassen, sollten die Pläne der Bundesregierung nach Auffassung der OECD überdacht werden.
Zwar handelt es sich bei der abschlagsfreien Altersrente ab 63 Jahren nur um eine besondere Ausnahmeregelung für einen begrenzten Personenkreis. Jedoch ist das damit verbundene politische Signal im Hinblick auf das eigentlich notwendige längere Verbleiben im Erwerbsleben problematisch. Insbesondere auch dann, wenn im europäischen Kontext andere Mitgliedstaaten zu einer Anhebung des Renteneintrittsalters aufgefordert werden.