Weniger Leistungen für Pflegebedürftige im Ausland
Die Leistungen der Pflegeversicherung bei einem Auslandsaufenthalt innerhalb der EU standen im Zentrum eines Klageverfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Diese Frage wurde seit Einführung der Pflegeversicherung diskutiert.
Der EuGH wies nun mit Urteil v. 12.7.2012 (C-562/10) die Klage der EU-Kommission gegen die deutsche Pflegeversicherung ab.
Die Klage
Der deutsche Kläger hielt sich mit seiner pflegebedürftigen Frau jährlich für 2 Monate in Spanien in einem Kurhotel auf. In Spanien ließ er sich bei der Pflege seiner Frau von einem ambulanten Pflegedienst unterstützen. Ferner mietete er dort ein Pflegebett. Die Pflegeversicherung zahlte das gesetzlich verankerte Pflegegeld für den Auslandsaufenthalt weiter. Die darüber hinaus gehenden Kosten für den ambulanten spanischen Pflegedienst und das gemietete Pflegebett musste der Mann selbst tragen.
Keine Pflegesachleistungen im Ausland
Sachleistungen können nicht in ein anderes Land „exportiert“ werden, weil nach den EU-Regeln der Sachleistungsanspruch immer nach den gesetzlichen Regelungen des jeweiligen Aufenthaltsstaates besteht. Die Leistungsansprüche aus der Pflegeversicherung gehen bei einem Auslandaufenthalt aber nicht vollständig verloren: Geldleistungen wie das Pflegegeld werden weitergewährt.
Das bedeutet im Falle z.B. eines Wechsels von einem inländischen in ein ausländisches Pflegeheim oder wie im verhandelten Fall des Pflegedienstes jedoch, dass die meist erheblichen Mehrkosten vom Versicherten zu tragen sind.
Kein Verstoß gegen die EU-Dienstleistungsfreiheit
Mit der Klage der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland wollten die europäischen Vertreter die bisherige Praxis als rechtswidrig erklären lassen. Die bei einem Auslandsaufenthalt entstehenden Kosten für beanspruchte Pflegedienstleistungen eines ortansässigen Dienstleisters sollten mit den in Deutschland üblichen Sätzen erstattet werden.
Im Urteil des EuGH wurde dem nicht zugestimmt. Die Richter folgten der Stellungnahme der Generalanwältin und sahen keinen Verstoß gegen die EU-Dienstleistungsfreiheit.
Eigenverantwortliche Entscheidung mit Konsequenzen
Die Generalanwältin vertrat die Auffassung, die deutsche Regelung basiere auf einem relativ hohen Standard der Pflegeversorgung und sei aus Gründen der Gesundheitsversorgung gerechtfertigt. Da sie auf Sachleistungen basieren, seien sie nicht ins Ausland exportierbar. Wer pflegebedürftig sei und sich außerhalb der deutschen Grenzen aufhalte, tue dies insoweit auf eigenes Risiko. Der Pflegebedürftige entscheide eigenverantwortlich, ob Pflegeleistungen in Deutschland mit einer straffen Organisation und strengen Qualitäts-und Kontrollstandards beansprucht werden. Alternativ kann im Ausland seine Pflege mit Hilfe des Pflegegeldes selbst organisiert werden. In letzterem Falle müsse sich der Versicherte mit der geringeren Leistung – dem Pflegegeld – zufrieden geben.
Zahlreiche Pflegebedürftige leben im Ausland
Rund 5.000 deutsche Pflegebedürftige, die im EU-Ausland leben, hatte der Medizinische Dienst nach den letzten dazu veröffentlichten Zahlen bereits bis 2002 begutachtet. Dabei handelte es sich allerdings nur um Versicherte, die bereits im Ausland waren, als die Pflegebedürftigkeit eintrat.
Pflegekassen begrüßen das Urteil
"Wer in Deutschland Pflegedienste in Anspruch nimmt, bekommt hochwertige, geprüfte Pflegequalität“, erklärte Uwe Deh, Vorstand des AOK Bundesverbandes. „Es wäre falsch gewesen, ins EU-Ausland entsprechende Geldbeträge zu zahlen, ohne dafür die gleiche hohe Qualität für die Pflegebedürftigen zu bekommen".
Hätte die EU-Kommission Recht bekommen, hätte dies für die Pflegeversicherung Mehrkosten von rund 100 Mio. EUR pro Jahr verursacht.
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