Ermäßigter Steuersatz auf Nachzahlungen der Kassenärztlichen Vereinigung
Außerordentliche Einkünfte, wie z. B. Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten oder Abfindungen für einen Arbeitsplatzverlust, können nach § 34 Abs. 1 EStG mit einem ermäßigten Einkommensteuersatz versteuert werden (sog. Fünftelungsregelung). Der Steuergesetzgeber will durch diese Vergünstigung Progressionsnachteile abmildern, die ein außerordentlich erhöhtes Einkommen bei regulärer Besteuerung nach sich ziehen würde. Ausgerichtet an diesem Zweck darf der ermäßigte Steuersatz daher nur zum Zuge kommen, wenn die außerordentlichen Zahlungen beim Empfänger tatsächlich zu einer Zusammenballung von Einkünften führen.
Neue Weisung der OFD Nordrhein-Westfalen
Die Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen hat mit Verfügung vom 25.8.2014 erklärt, wann Nachzahlungen der Kassenärztlichen Vereinigung als Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten i. S. d. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG ermäßigt besteuert werden können.
Die OFD verweist zunächst auf das BFH-Urteil vom 14.12.2006 (IV R 57/05, BStBl 2007 II, S. 180), wonach auch bei Freiberuflern steuerbegünstigte Einkünfte i. S. d. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG vorliegen können, wenn ihnen Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit aufgrund eines vorausgegangenen Rechtsstreits zusammengeballt zufließen. Der Urteilsfall betraf einen Psychotherapeuten, der wegen einer vom Landessozialgericht als zu niedrig erachteten Punktbewertung eine Nachzahlung von der Kassenärztlichen Vereinigung erhalten hatte, die 6 zurückliegende Jahre betraf.
Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze
Die OFD erklärt, dass die Urteilsgrundsätze von der Finanzverwaltung allgemein angewendet werden und somit auch vergleichbare Nachzahlungen an Freiberufler steuerlich begünstigt sein können. Die Finanzämter wenden den ermäßigten Steuersatz demnach z. B. an, wenn
- der Bewertungsausschuss, der für die Honorarfestlegung zuständig ist, rückwirkend eine abweichende Honorarverteilung beschließt und
- die Kassenärztliche Vereinigung dem Arzt bzw. Psychotherapeuten (durch Erlass eines Abrechnungsergänzungsbescheids) nachträglich zusätzliche Vergütungen zahlt, die wirtschaftlich für mindestens 2 Jahre nachgezahlt werden.
Zwar muss die Nachzahlung für mindestens 2 Jahre geleistet werden, allerdings sollte sich die Auszahlung möglichst nicht über mehrere Veranlagungszeiträume erstrecken. Denn die OFD weist auf folgende Unterscheidung hin:
- Wird die Nachzahlung über 3 oder mehr Jahre verteilt ausgezahlt, kommt nach der BFH-Rechtsprechung keine ermäßigte Besteuerung in Betracht, weil in diesem Fall keine Zusammenballung von Einkünften mehr vorliegt (BFH, Urteil v. 21.4.2009, VIII R 65/06).
- Bei einer Nachzahlung, die über 2 Jahre verteilt ausgezahlt wird, ist momentan noch nicht höchstrichterlich geklärt, ob der ermäßigte Steuersatz angewandt werden kann. Ein entsprechendes Verfahren ist beim BFH unter dem Az. VIII R 37/14 anhängig.
Fazit
Hat ein Freiberufler entsprechende Nachzahlungen in nur einem Veranlagungszeitraum bezogen, erfüllt er in der Regel das Kriterium der Zusammenballung und kann daher regelmäßig den ermäßigten Einkommensteuersatz beanspruchen. Wurde ihm die Nachzahlung hingegen über 2 Jahre verteilt ausgezahlt, steht eine abschließende Klärung durch den BFH noch aus. In diesen Fällen kann sich der Freiberufler mit einem Einspruch gegen eine abgelehnte ermäßigte Besteuerung wenden und unter Hinweis auf das anhängige BFH-Verfahren das Ruhen des Verfahrens beantragen (sog. Zwangsruhen). Sofern sich die Auszahlung über 3 oder mehr Jahre erstreckt hat, lässt die BFH-Rechtsprechung hingegen keinen Raum für eine ermäßigte Besteuerung.
Die dargestellten Grundsätze zeigen, dass es sich für Freiberufler häufig lohnt, auf eine Nachzahlung in nur einem Veranlagungszeitraum hinzuwirken, da der Steuerzugriff dann regelmäßig am geringsten ausfällt. Allerdings muss hierbei stets die individuelle Einkommenssituation des Freiberuflers bedacht werden, sodass die günstigste Auszahlungsvariante einzelfallabhängig zu ermitteln ist.
OFD Nordrhein-Westfalen, Kurzinfo v. 25.8.2014, ESt 32/2014
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