§ 35a EStG für Müllabfuhr und Abwasserentsorgung
Auffassung der Verwaltung
Mit dem Anwendungsschreiben vom 9.11.2016 (BStBl I 2016 S. 1213) hat das BMF seine Verwaltungsanweisung zu § 35a EStG an die aktuelle Rechtsprechung angepasst. Wesentliche Änderung ist die neue Definition des Tatbestandmerkmals "im Haushalt", was nunmehr auch Leistungen auf angrenzenden Grundstücken begünstigen kann. Danach sollen künftig z.B. auch Aufwendungen für den Winterdienst auf angrenzenden öffentlichen Wegen sowie für Hausanschlüsse an Ver- und Entsorgungsnetze berücksichtigt werden können.
In der als Anlage 1 dem o.a. BMF Schreiben enthaltenen beispielhaften Aufzählung begünstigter und nicht begünstigter haushaltsnahen Dienstleistungen und Handwerkerleistungen werden die Kosten für die Müllabfuhr als nicht begünstigte Aufwendungen aufgeführt, da die Entsorgung des Mülls im Vordergrund stehe. Unter dem Stichwort "Abwasserentsorgung" ist ausgeführt, dass die Kosten für Maßnahmen innerhalb des Haushalts begünstigt und die Kosten, die außerhalb des Haushalts anfallen, nicht begünstigt sein sollen.
Urteil des FG Münster
Die Kläger machten die Berücksichtigung von Aufwendungen für Müllentsorgung und Schmutzwasser als haushaltsnahe Dienstleistungen gem. § 35a EStG geltend. Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung dieser Kosten ab, und verwies auf das Urteil des FG Köln vom 26.01.2011 - 4 K 1483/10, wonach für die jährlich anfallenden Kosten der Müllabfuhr keine Steuerermäßigung für die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen zu gewähren sei und eine Werkleistung nicht in nach § 35a Abs. 2 EStG begünstigte und nicht begünstigte Teile aufgespalten werden könne. Außerdem seien die Dienstleistungen zur Müllabfuhr und Abwasserbeseitigung nicht im räumlich funktionalen Bereich des Haushalts der Kläger, sondern außerhalb ihres Haushalts erbracht worden.
Mit ihrer Klage machen die Kläger geltend, dass hinsichtlich der Abholung des Mülls entscheidend sei, dass die Leistung der Kommune nicht mit der Abholung des Mülls aus der Mülltonne am Straßenrand beginne, sondern mit der Bereitstellung der Mülltonne für den Haushalt. Bei der Schmutzwasser-Entsorgung bestehe die haushaltsnahe Dienstleistung in der Bereitstellung einer Rohrleitung, in der das Schmutzwasser in die öffentliche Sammelleitung abgeleitet werde.
FG: Originär von der Stadt zu erbringenden Leistungen
Das FG hat die Klage als unbegründet zurückgewiesen ( FG Münster Urteil vom 24.02.2022 - 6 K 1946/21 E), da die im Zusammenhang mit der Entsorgung von Müll und Abwasser erbrachten Dienstleistungen typischerweise nicht von Haushaltsangehörigen erledigt würden.
Dabei sei zu berücksichtigen, dass die von der Stadt erhobenen Abgaben gerade nicht die Eigenleistungen des Steuerpflichtigen auf seinem Grundstück (Sortieren des Mülls, Verbringen des Mülls in die Tonne, Bereitstellen der Tonne am Straßenrand, Öffnen des Wasserablaufs) betreffen, sondern die originär von der Stadt zu erbringenden Leistungen. Hierbei handele es sich um Aufgaben, die auch aufgrund ihres Umfangs und der dafür erforderlichen Infrastruktur typischerweise von Städten und Gemeinden und nicht von Haushaltsangehörigen übernommen würden.
Räumlich-funktionaler Zusammenhang
Außerdem seien die zur Abfallentsorgung erbrachten Dienstleistungen des Einsammelns, der Beförderung, der Sortierung, der Verwertung und der Beseitigung der Abfälle nicht im Haushalt der Kläger oder dessen räumlich-funktionalen Bereich erfolgt. Bereits das Einsammeln des Mülls erfolgt außerhalb des Grundstücks der Kläger. Das Gleiche gelte für die Gebühren zur Entsorgung des Schmutzwassers. Diese Gebühren würden erhoben, um den Transport, die Reinigung des Abwassers, den Bau und die Unterhaltung von städtischen Kanälen zu finanzieren. Auch diese Dienstleistungen für die Abwasserentsorgung würden nicht im Haushalt, sondern in der öffentlichen Kanalisation sowie in den Kläranlagen bzw. sonstigen Anlagen zur Abwasseraufbereitung erbracht.
Revisionsverfahren beim BFH
Das FG hatte die Revision zugelassen, da soweit ersichtlich, bisher keine höchstrichterliche Entscheidung zur Frage der Abzugsfähigkeit von Gebühren für die Entsorgung von Abwasser und Müll nach § 35a EStG vorliege und die Rechtsfrage für eine Vielzahl von Haushalten von Bedeutung sein könne (Az beim BFH VI R 8/22).
BFH: Revision unzulässig
Mit diesem Beschluss v. 1.9.2022 hat der BFH die Revision als unzulässig verworfen, da der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Begründung der fristgerecht eingelegten Revision verspätet beim BFH eingereicht hat. Zur Begründung führte der BFH aus, dass der Umstand, dass der für den Beginn einer Frist maßgebliche Tag bei der Bemessung der Monatsfrist "nicht mitgerechnet" wird (§ 187 Abs. 1 BGB), nicht bedeutet, dass sich die Frist entsprechend verlängert.
Ein Fehler bei der Fristberechnung durch einen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten (wie im Streitfall geschehen) ist nach Auffassung des BFH als fahrlässig einzustufen und stellt ein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden dar.
Die Finanzämter werden in den Fällen, in denen unter Hinweis auf das Revisionsverfahren VI R 8/22 Einspruch eingelegt wurde, die Betroffenen zur Rücknahme der Einsprüche auffordern oder die Einsprüche als unbegründet zurückweisen. Es bleibt abzuwarten, ob gegen eine ablehnende Einspruchsentscheidung wieder Klage erhoben wird, und ob dann das zuständige FG wieder die Revision zulässt
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