Entlastungsbetrag für Alleinerziehende im Heiratsjahr
Mit News vom 21.1.2021 wurde darüber berichtet, dass das Niedersächsische FG entschieden hat, dass der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende bei Wahl der Einzelveranlagung im Trennungsjahr nach dem Monatsprinzip zeitanteilig für die Monate des Alleinstehens gewährt werden kann.
Das FG München hat sich mit dem umgekehrten Fall beschäftigt, nämlich ob der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gewährt werden kann, wenn bis zur Eheschließung noch getrennte Haushalte geführt wurden. Der BFH hat nun für beide Fälle entschieden.
Merkmal "alleinstehend"
Alleinstehende Steuerpflichtige können gem. § 24b Abs. 1 EStG einen Entlastungsbetrag in Höhe von 4.008 EUR im Kalenderjahr von der Summe der Einkünfte abziehen, wenn zu ihrem Haushalt mindestens ein Kind gehört, für das ihnen ein Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder Kindergeld zusteht. Alleinstehend sind Steuerpflichtige,
- die nicht die Voraussetzungen für die Anwendung des Splittingverfahrens (§ 26 Abs. 1) erfüllen oder
- verwitwet sind
und keine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen Person bilden, es sei denn, für diese steht ihnen ein Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder Kindergeld zu (§ 24b Abs. 3 EStG). Dabei ermäßigt sich der Entlastungsbetrag für jeden vollen Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 EStG nicht vorgelegen haben, um ein Zwölftel (§ 24b Abs. 4 EStG).
Zeitanteilige Berücksichtigung eines Entlastungsbetrags?
Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass eine zeitanteilige Berücksichtigung eines Entlastungsbetrags nicht möglich ist, weil z. B. für das Jahr der Trennung grundsätzlich noch die Voraussetzungen für die Anwendung des Splitting-Verfahrens gegeben sind. Dies gelte auch dann, wenn die Einzelveranlagung (mit Grundtarif) gewählt wird, weil bei einem bestehenden Wahlrecht zwischen Einzel- und Zusammenveranlagung, die Gewährung des Entlastungsbetrages insgesamt ausgeschlossen sei.
Der BFH (Urteil vom 19.10.2006 - III R 4/05) hat aber bereits Zweifel geäußert, ob § 24b EStG insoweit der Verfassung entspricht, als Personen, welche die Voraussetzungen für die Anwendung des Splittingverfahrens erfüllen, stets vom Entlastungsbetrag auszuschließen sind. Er hat dies damit begründet, dass sich auch solche Personen in einer Situation befinden könnten, in der das Kind wegen besonderer Umstände nur von einem Ehegatten betreut und erzogen wird. Dies könne beispielsweise zutreffen, wenn eine Haushaltsgemeinschaft mit dem Ehegatten in einem Teil des Jahres fehlt.
Auch hatte der BFH zum früheren § 26c EStG entschieden (Urteil vom 05.11.2015 - III R 17/14), dass Ehegatten, die die besondere Veranlagung gewählt hatten, trotz Möglichkeit des Splitting-Wahlrechts den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende erhalten können. Der Umstand, dass die Möglichkeit bestanden hätte, sich für das Splitting zu entscheiden, genüge nicht.
Niedersächsisches FG zum Jahr der Trennung
Auch aufgrund dieser Entscheidung geht das Niedersächsisches FG (Urteil vom 18.02.2020 - 13 K 182/19) davon aus, dass auf das Ergebnis der Wahl und nicht bereits auf die Möglichkeit des Wahlrechts abzustellen ist. Dies bedeutet, dass nach Auffassung des FG der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende bei der Wahl der Einzelveranlagung nach § 26a EStG im Trennungsjahr nach dem Monatsprinzip zeitanteilig für die Monate des Alleinstehens gewährt werden kann. Der Wortlaut des § 24b Abs. 3 Satz 1 EStG sei in diesem Fall gegeben, weil die Voraussetzungen für die Anwendung des Splittingverfahrens gerade nicht erfüllt werden. Denn die Formulierung erfordere, dass das Wahlrecht des § 26 Abs. 1 EStG bereits ausgeübt worden ist.
Durch die Wahl der Einzelveranlagung liegen die Voraussetzungen für die Anwendung des Splittingverfahrens aber nicht mehr vor. Die Auslegung des Wortlauts, dass die "Voraussetzungen für die Anwendung des Splitting-Verfahrens" erst dann erfüllt sind, wenn das Wahlrecht zugunsten der Zusammenveranlagung und des Splittingverfahrens ausgeübt worden ist, beseitige Wertungswidersprüche. Denn im Trennungsjahr haben die Steuerpflichtigen die Wahl zwischen der Zusammenveranlagung und keinem Entlastungsbetrag für Alleinerziehende und der Ein-zelveranlagung und einem anteiligen Entlastungsbetrag. Es kommt zu keiner Lücke bei der Gewährung des Entlastungsbetrags im Trennungsjahr. Vielmehr wird dieser genau für die Monate gewährt, in denen der Steuerpflichtige tatsächlich alleinerziehend ist, so das FG.
FG München zum Entlastungsbetrag im Jahr der Heirat
In dem Fall des FG München erfolgte die Heirat erst im Dezember. Bis dahin führten die Ehepartner noch getrennte Haushalte mit jeweils einem Kind. M. E. ist in einem solchen Fall das Urteil des FG Niedersachsen gleichermaßen anzuwenden, sofern die Einzelveranlagung von Ehegatten beantragt wird. Denn auch das FG München verweist zutreffend darauf, dass die Voraussetzungen für die Anwendung des Splittingverfahrens jedoch nicht schon dann erfüllt sind, wenn die Möglichkeit zur Wahl dieser Veranlagungsart bestanden hätte, sondern erst, wenn der Steuerpflichtige sie tatsächlich gewählt hat.
In vergleichbaren Fällen sollten Betroffene daher auch gegen die ablehnenden Entscheidungen der Finanzämter unter Hinweis auf das Revisionsverfahren gegen das Urteil des Niedersächsisches FG (Az beim BFH III R 17/20) Einspruch einlegen und auf das Ruhen des Verfahrens kraft Gesetzes nach § 363 Abs.2 AO verweisen.
Aktualisierung: Revisionsverfahren gegen beide Urteile mit teilweise überraschendem Ergebnis
Gegen beide Urteile wurde Revision eingelegt. Bei dem Fall des FG München ging es allerdings um die Frage, ob z. B. seit Dezember verheiratete, die erst seit der Eheschließung zusammen wohnen und die Zusammenveranlagung gewählt haben, gleichwohl jeweils den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (für Zeiträume vor der Eheschließung) in Anspruch nehmen können. Dies ist m. E. durch die Wahl der Zusammenveranlagung zu verneinen, der BFH ist aber (m. E.) überraschenderweise zu einem anderen Ergebnis gekommen (BFH Urteil vom 28.10.2021 - III R 57/20).
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der BFH zum gleichen Ergebnis wie das Niedersächsisches FG gekommen ist (BFH Urteil vom 28.10.2021 - III R 17/20). Demnach können Steuerpflichtige, die als Ehegatten nach §§ 26, 26a EStG einzeln zur Einkommensteuer veranlagt werden, den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende im Jahr der Trennung zeitanteilig in Anspruch nehmen können, sofern sie die übrigen Voraussetzungen erfüllen, insbesondere nicht in einer Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen, in § 24b Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 EStG nicht genannten Person leben.
Zwar erwähnt § 24b Abs. 3 Satz 1 EStG ausdrücklich das Splitting-Verfahren; § 24b Abs. 3 Satz 1 EStG enthalte jedoch zusätzlich den Klammerzusatz "§ 26 Abs. 1" und verweise damit auf die in § 26 Abs. 1 EStG geregelten materiell-rechtlichen Voraussetzungen für beide Formen der Ehegattenveranlagung, nicht aber auf das Erfordernis der Ausübung des Ehegattenwahlrechts. Die Finanzverwaltung leite ihre Auffassung davon ab, dass wegen § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG die Voraussetzungen für die Ehegattenveranlagung schon dann für den gesamten Veranlagungszeitraum erfüllt sind, wenn sie tatsächlich nur zeitweise gleichzeitig gegeben waren. Dieser Rechtsauffassung sei jedoch nicht zu folgen, da sie unberücksichtigt lässt, dass sich der Entlastungsbetrag für jeden Monat, in dem die Voraussetzungen des § 24b Abs. 1 EStG nicht vorliegen, um ein Zwölftel ermäßigt.
Auch der Sinn und Zweck spreche für die Anwendung des Monatsprinzips im Jahr der Trennung, da sich in der Situation eines Alleinerziehenden auch Steuerpflichtige befinden, die nach der Trennung der Ehegatten im Trennungsjahr allein mit ihren berücksichtigungsfähigen Kindern leben und die in dieser Zeit die alleinige Verantwortung für Haushalt und Kinder tragen. Die damit typischerweise verbundenen Belastungen entstünden unabhängig davon, ob die Voraussetzungen für die Anwendung des Splitting-Verfahrens allein deshalb erfüllt sind, weil der Steuerpflichtige im selben Veranlagungszeitraum auch einige Tage/Monate mit seinem Ehegatten zusammengelebt hat.
Ein Ausgleich durch einen etwaigen Splitting-Vorteil scheide im Fall der Einzelveranlagung aus. Auch verhindere die zeitanteilige Gewährung des Freibetrages eine Benachteiligung von Steuerpflichtigen, die sich im Laufe eines Jahres von ihrem Ehepartner trennen und anschließend die Kinder allein im Haushalt versorgen. Sie dürften steuerrechtlich nicht schlechter gestellt werden als nicht verheiratete Steuerpflichtige, die einen Entlastungsbetrag nach der Trennung zweifelsfrei beanspruchen können.
Entlastungsbetrag und Splittingverfahren
Aus diesen Urteilsgrundsätzen hätte man m. E. deuten können, dass nur bei der Wahl der Einzelveranlagung von Ehegatten ein anteiliger Entlastungsbetrag für Alleinerziehende in Betracht kommt. Der BFH hat aber zu verstehen gegeben, dass die Vorschrift des § 24b Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 EStG dahingehend auszulegen ist, dass auch Steuerpflichtige, die als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende im Jahr der Eheschließung zeitanteilig in Anspruch nehmen können, sofern sie die übrigen Voraussetzungen erfüllen. Die oben angesprochenen entstandenen Belastungen würden nicht rückwirkend durch die Ehegattenveranlagung entfallen. Die Anwendung des Splitting-Verfahrens kompensiere den in der Versagung der Steuerentlastung liegenden Nachteil nicht.
Das Splitting-Verfahren dient dazu, Ehen, in denen sich die Ehepartner für die Möglichkeit der Zusammenveranlagung entschieden haben, unabhängig von der Verteilung des Einkommens zwischen den Ehegatten gleich zu besteuern. Auch soweit dem Splitting-Verfahren der Gedanke der Familienförderung zugrunde liege, da die mit ihm bezweckte Gleichbehandlung den Spielraum der Ehepartner bei der Ausgestaltung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Lebensführung und der Aufgabenverteilung in der Ehe erweitert, wirke dies nicht kompensierend, weil die Anwendung des Splitting-Verfahrens nicht in jedem Fall eine Steuerentlastung der Ehegatten zur Folge hat. Die Entlastungswirkung der Zusammenveranlagung hängt von der Höhe der jeweiligen Einkünfte beider Ehegatten und vom Progressionssatz ab. Die Zusammenveranlagung wirkt sich kaum aus, wenn beide Ehegatten erwerbstätig sind und Einkünfte in ähnlicher Höhe erzielen, so der BFH.
M. E. ist nun aber schwer erkennbar, welche Bedeutung § 24b Abs. 3 Satz 1 EStG hinsichtlich des Ausschlusses des Entlastungsbetrags i. V. m. dem Splittingverfahren noch hat.
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besten Dank für den Hinweis. Wir haben inzwischen die Aktenzeichen korrigiert.
Mfg, Frank Holst, Haufe Online Redaktion
Der Alleinerziehenden-Entlastungsbetrag ist unabhängig von der gewählten Veranlagungsform von Ehegatten im Jahr der Trennung und im Jahr der Heirat monatsweise zu gewähren. Der Splittingtarif dient mit seinen drei Voraussetzungen bestehende Ehe, bestehende Haushaltsgemeinschaft und unbeschränkte Steuerpflicht lediglich der Negativ-Definition des Begriffs Alleinerziehend-Seins. Die zeitliche rückwirkende Anwendung des Splittingverfahrens ist keine Voraussetzung desselben.
Die im Artikel genannte Überraschung zeigt, dass der Autor ebenso wie das beklagte Finanzamt Zweifel insbesondere an der Rückwirkung des Splittingverfahrens hegen.
...
Rz. 86
3. Auch die Möglichkeit der Zusammenveranlagung (§§26, 26 b EStG), die den in ehelicher Gemeinschaft lebenden Eltern zur Verfügung steht, mindert deren Benachteiligung durch die angegriffenen Regelungen nicht. Die Zusammenveranlagung kann von allen Ehegatten in Anspruch genommen werden, unabhängig davon, ob sie unterhaltsberechtigte Kinder haben oder nicht; die Zusammenveranlagung setzt eine Ehe, nicht einen kindbedingten Bedarf voraus. Eine Berücksichtigung der Rechtsfolgen der §§26, 26 b EStG zur Kompensation der steuerlichen Schlechterstellung kommt somit schon deshalb nicht in Betracht, weil sie verheiratete Eltern gegenüber Ehegatten ohne unterhaltsberechtigte Kinder benachteiligen würde. Im übrigen hängt die Entlastungswirkung der Zusammenveranlagung von der Höhe der jeweiligen Einkünfte beider Ehegatten und vom Progressionssatz ab. Die Zusammenveranlagung wirkt sich kaum aus, wenn beide Ehegatten erwerbstätig sind und Einkünfte in ähnlicher Höhe erzielen.