Kindergeld: Nachweis einer seelischen Behinderung

Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG führt eine Behinderung nur dann zu einer Berücksichtigung beim Kindergeld, wenn das Kind nach den Gesamtumständen des Einzelfalls wegen der Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.

Voraussetzung ist weiter, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist; nicht jedoch die Ursächlichkeit oder Unfähigkeit, sich selbst zu unterhalten.

Vorliegen einer Behinderung

Eine Behinderung i. S. d. § 32 Absatz 4 Satz 1 Nr. 3 EStG liegt vor, wenn die in § 2 Absatz 1 Satz 1 und 2 SGB IX genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Dies ist der Fall, wenn das Kind körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen hat, die es in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate hindern können.

Eine Beeinträchtigung liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Zu einer Behinderung können auch Suchtkrankheiten (z. B. Drogenabhängigkeit, Alkoholismus) führen. Nicht zu den Behinderungen zählen Krankheiten, deren Verlauf sich auf eine im Voraus abschätzbare Dauer beschränkt, insbesondere akute Erkrankungen.

Ein Anspruch auf Kindergeld besteht nur dann, wenn die Behinderung nach den Gesamtumständen des Einzelfalles in erheblichem Umfang mitursächlich dafür ist, dass das Kind nicht seinen (gesamten) Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit bestreiten kann. Dabei ist eine konkrete Bewertung der jeweiligen Situation des behinderten Kindes nach den Gesamtumständen des Einzelfalls vorzunehmen.

Ursächlichkeit der Behinderung

Die Ursächlichkeit der Behinderung kann u. a. angenommen werden, wenn im Schwerbehindertenausweis das Merkmal "H" (hilflos) eingetragen ist oder der GdB 50 oder mehr beträgt und besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer eine Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes ausgeschlossen erscheint (vgl. zur Ursächlichkeit A 19.3. Absatz 2 DA-KG 2022).

Andere Fälle nur durch Bescheinigung von einem Arzt?

Liegt kein Fall des A 19.3. Absatz 2 DA-KG 2022 vor, ist - nach Meinung der Finanzverwaltung - zur Feststellung der Ursächlichkeit durch den Berechtigten eine Bescheinigung des behandelnden Arztes beizubringen (A 19.3. Absatz 3 DA-KG 2022).  Aus dieser muss hervorgehen, in welchem zeitlichen Umfang das Kind aufgrund seiner Behinderung in der Lage ist, eine Erwerbstätigkeit auszuüben.

Seelische Behinderung: Gutachten eines Psychologen

Das FG Hamburg hat aber kürzlich entschieden (Urteil v. 23.2.2023, 5 K 191/19), dass der Nachweis einer seelischen Behinderung und der behinderungsbedingten Unfähigkeit zum Selbstunterhalt auch durch Einholung eines Sachverständigengutachtens eines Diplom Psychologen und Psychologischen Psychotherapeuten erfolgen kann.

Hierfür weise ein solcher Sachverständige die erforderlichen Kenntnisse auf, sodass der Nachweis nicht nur durch die in der Rechtsprechung bisher benannten Möglichkeiten (Schwerbehindertenausweis, Bescheinigung Arzt), sondern auch durch ein Gutachten eines Psychologischen Psychotherapeuten möglich ist. Die Ausbildung umfasse gerade auch die Diagnostik und Differentialdiagnostik einschließlich Testverfahren zur Abgrenzung verschiedener Störungen mit Krankheitswert, bei denen Psychotherapie indiziert ist.


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