Nutzung zu eigenen Wohnzwecken bei Überlassung an Kinder

Ausgenommen von der 10-jährigen Spekulationsfrist bei der Veräußerung von Grundstücken sind Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden.

Nutzung zu eigenen Wohnzwecken

Private Veräußerungsgeschäfte sind Veräußerungsgeschäfte mit Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als 10 Jahre beträgt (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG).

Der Steuerpflichtige muss das Wirtschaftsgut zu eigenen Wohnzwecken genutzt haben. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn er das Wirtschaftsgut allein, mit seinen Familienangehörigen oder gemeinsam mit einem Dritten bewohnt hat. Unschädlich ist, wenn der Steuerpflichtige Teile des Wirtschaftsguts einem Dritten unentgeltlich zu Wohnzwecken überlassen hat.

Bei Überlassung an Kinder wie in § 10e EStG und § 4 Eigenheimzulagengesetz

Eine "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" ist im Rahmen des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG so zu verstehen wie in § 10e EStG und in § 4 Eigenheimzulagengesetz (vgl. BFH, Urteil v. 18.01.2006, IX R 18/03). Danach liegt eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auch vor, wenn der Steuerpflichtige Teile einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung oder die Wohnung insgesamt einem einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kind (§ 32 EStG) unentgeltlich zur teilweisen oder alleinigen Nutzung überlässt.

Die Nutzung der Wohnung durch das Kind ist dem Eigentümer in diesem Fall als eigene zuzurechnen, weil es ihm im Rahmen seiner unterhaltsrechtlichen Verpflichtung obliegt, für die Unterbringung des Kindes zu sorgen (BFH, Urteil v. 18.01.2011, X R 13/10).

Niedersächsiches FG: Für ein Kind Kindergeldanspruch, für zwei nicht

Im Rahmen eines Klageverfahrens vor dem Niedersächsichen FG überließ der Kläger eine 4-Zimmer-Wohnung an seine drei Kinder. Da zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als 10 Jahre lagen, ergab sich einer steuerbarer Veräußerungsgewinn nach § 23 EStG. Das Finanzamt behandelte den Gewinn in vollem Umfang als steuerpflichtig, denn die Wohnung müsse einem Kind, für das ein Anspruch auf Kindergeld oder ein Kinderfreibetrag i. S. d. § 32 EStG bestehe, zur alleinigen Nutzung zur Verfügung gestellt werden. Eine Nutzung zu alleinigen Wohnzwecken liege jedoch dann nicht vor, wenn die Wohnung auch anderen – ggf. auch unterhaltsberechtigten – Personen zur gemeinsamen Nutzung mit dem Kind überlassen würde. 

Prüfung der weitergehenden Unterhaltspflichten?

Der Kläger vertrat die Auffassung, dass kein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft vorliege.  Es werde bei der Gesetzesauslegung verkannt, dass die Rechtsprechung des BFH lediglich typisierend auf einen Kindergeldanspruch abstelle. Die Nutzung durch das Kind des Eigentümers sei als eigene Nutzung zu werten, da es ihm obliege, für die Unterbringung des Kindes zu sorgen, sie also aus einer unterhaltsrechtlichen Verpflichtung heraus erfolge. Wann die Unterhaltspflicht bestehe, sei aus Vereinfachungsgründen daraus herzuleiten, ob das Kind nach § 32 EStG zu berücksichtigen sei. Die vom BFH angenommene " typisierende Betrachtungsweise" unterstellt im allgemeinen eine Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihren Kindern unter der Voraussetzung, dass diese kindergeldberechtigt seien. Die so vorgenommene Typisierung diene daher der Verwaltungsvereinfachung. Hieraus folge, dass in diesen Fällen keine umfassende (zivilrechtliche) Prüfung der weitergehenden Unterhaltspflichten durch den Beklagten vorgenommen werden müsse.

Vorliegend bestünden jedoch weitergehende Unterhaltsverpflichtungen, die eine (zivilrechtliche) Prüfung erforderlich machten. Im Übrigen stelle auch § 4 EigZulG klar, dass ein Anspruch nur für Kalenderjahre, in denen der Anspruchsberechtigte die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzt, besteht. Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken liegt auch vor, soweit eine Wohnung unentgeltlich an einen Angehörigen im Sinne des § 15 AO zu Wohnzwecken überlassen wird. Der Steierpflichtige geht demnach davon aus, dass es zum einen unschädlich ist, wenn Dritte die Wohnung mit bewohnen (da die Nutzung durch das Kind i. S. von § 32 EStG dem Steuerpflichtigen zuzurechnen ist) und zum anderen es sowieso eigentlich nicht darauf ankommt, da nicht nur kindergeldberechtigte, sondern auch unterhaltsberechtigte Kinder zu berücksichtigen seien.

Niedersächsiches FG auf Seite des Finanzamts

Das Niedersächsiches FG ist aber der Auffassung des Finanzamts gefolgt (Urteil v. 16.6.2021, 9 K 16/20). Allein das Bestehen einer zivilrechtlichen Unterhaltspflicht ohne das Vorliegen der Voraussetzungen des § 32 EStG reiche für die Annahme einer "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" nicht aus.

Auch aus der Bezugnahme auf § 4 EigZulG, welcher in Satz 2 der Vorschrift eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auch annimmt, soweit eine Wohnung unentgeltlich an einen Angehörigen i. S. d. § 15 AO zu Wohnzwecken überlassen wird, könne nicht geschlossen werden, dass auch im Rahmen des § 23 EStG die (unentgeltliche) Überlassung an Angehörige, unabhängig von ihrer einkommensteuerlichen Berücksichtigung i. S. von § 32 EStG, den Ausnahmetatbestand auslöst.

Vielmehr setze eine "Nutzung zu einem eigenen Wohnzwecken" voraus, dass der Steuerpflichtige das Gebäude zumindest "auch" selbst genutzt hat; unschädlich ist (lediglich), wenn er es gemeinsam mit seinen Familienangehörigen oder einem Dritten bewohnt. Eine (teilweise) Nutzung der Wohnung durch das Kind sei dem Eigentümer als eigene aber lediglich dann zuzurechnen, wenn diese Nutzungsüberlassung gleichzeitig mit einer Nutzung durch den Eigentümer einhergeht oder die Wohnung in ihrer Gesamtheit dem berücksichtigungsfähigen Kind zur alleinigen Nutzung überlassen wird. Auch eine Aufteilung auf einen steuerpflichtigen und steuerfreien Teil lehnt das FG ab.

Keine Revision zugelassen, aber Nichtzulassungsbeschwerde

Das FG ist sich seiner Sache so sicher, dass es die Revision nicht zugelassen hat. Bezüglich der Nutzungsüberlassung an nicht mehr kindergeldberechtigte Kinder des Steuerpflichtigen, weiche man nicht von bisher veröffentlichten Entscheidungen andere Finanzgerichte oder des BFH ab.

Die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde von Seiten des Steuerpflichtigen war aber erfolgreich. Es ist nun ein Revisionsverfahren beim BFH (Az IX R 28/21) offen. Vergleichbare Fälle sollten aufgrund der Revisionszulassung offen gehalten werden, bis der BFH entschieden hat.

Aktualisierung vom 20.7.2022: Überlassung an minderjähriges Kind mit der Mutter

Das Urteil des Niedersächsischen FG wurde auch im Rahmen eines Klageverfahrens vor dem FG Münster erwähnt. Hier überlies der Kläger sein Hausgrundstück - im Rahmen einer Scheidungsfolgevereinbarung – an die Kindesmutter und u. a. den minderjährigen Sohn.

Der Kläger argumentierte, dass  eine Nutzung durch das Kind des Eigentümers als eigene Nutzung zu werten sei, da es dem sorgeberechtigten Elternteil obliege, für die Unterbringung des Kindes zu sorgen. Dies entspreche der unterhaltsrechtlichen Verpflichtung. Entsprechend stelle sich die unentgeltliche Nutzung der Immobilie durch den unterhaltsberechtigten Sohn als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken dar.

Eine Nutzungsüberlassung auch an die Kindesmutter für einen vorübergehenden, befristeten Zeitraum erweise sich demgegenüber als unschädlich. Kern der getroffenen Überlassungsregelung im Rahmen der Scheidungsfolgenvereinbarung sei die Überlassung an die beiden unterhaltsberechtigten Söhne gewesen. Das der Kindesmutter eingeräumte Nutzungsrecht habe eindeutig auf das Wohnrecht des jüngsten minderjährigen Sohnes abgezielt. Die Erwähnung der Kindesmutter sei im Hinblick auf die Aufsichtspflicht geboten gewesen. Das Wohnrecht der Kindesmutter resultiere somit ausschließlich aus dem Nutzungsrecht der Kinder und stelle keinen werthaltigen Gegenstand der Scheidungsfolgenvereinbarung dar.
 
Das FG Münster kam aber zu dem gleichen Ergebnis (Urteil v. 19.5.2022, 8 K 19/20 E) wie das FG Niedersächsische FG. Zusätzlich betonte es, dass das Nutzungsrecht der Kindesmutter auch nicht ausschließlich auf die Nutzungsüberlassung an die gemeinsamen Kinder und auf den Betreuungsgedanken zurückzuführen ist. Es läge auch in tatsächlicher Hinsicht kein bloß von den Kindern abgeleitetes Nutzungsrecht, sondern ein selbstständiges Nutzungsrecht der Kindesmutter vor. Auch hier läuft ein Revisionsverfahren (Az beim BFH IIX R 10/22).