Steuerliche Behandlung von Gewinnen aus der Veräußerung von Kryptowährungen
Diese Fragen wird der BFH in einem Revisionsverfahren klären müssen.
Im Streitfall des FG Baden-Württemberg hatte ein Sohn für seinen Vater treuhänderisch mit Bitcoins gehandelt. Er kaufte zunächst mit US-Dollar (USD) Bitcoins. Mit Teilen der Bestände handelte er direkt, andere nutzte er zum Erwerb weiterer Kryptowährungen. Er war hierzu bei 6 internetbasierten Handelsplattformen angemeldet. Im Streitjahr hatte der Kläger aus dem An- und Verkauf von Bitcoins innerhalb eines Jahres einen Gewinn i.H.v. 31.904 EUR erzielt, welchen das Finanzmat nach § 22 Nr. 2 EStG i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG besteuerte.
Auffassung der Verwaltung: Bitcoins Gegenstand eines privaten Veräußerungsgeschäfts
Die Finanzverwaltung hat klargestellt, dass Bitcoins Gegenstand eines privaten Veräußerungsgeschäfts gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG sein können. Das bedeutet, dass der Tausch oder Rücktausch von Bitcoins in Euro oder eine andere Kryptowährung innerhalb eines Jahres nach der Anschaffung zu einem privaten Veräußerungsgeschäft gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG führt.
Werden also Euros in Bitcoins umgetauscht, wird damit das Wirtschaftsgut "Bitcoin" angeschafft. Werden Bitcoins innerhalb von 12 Monaten nach der Anschaffung wieder verkauft, d.h. in Euros umgetauscht, sind Gewinne in voller Höhe als "sonstige Einkünfte" gemäß § 22 Nr. 2 EStG mit dem individuellen Steuersatz zu versteuern.
Allerdings bleibt ein Gewinn steuerfrei, wenn er unterhalb der Freigrenze von 600 EUR bleibt. Verluste dürfen nur mit Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften verrechnet werden, und zwar durch Verlustausgleich im selben Jahr sowie durch Verlustabzug im Vorjahr und/oder in den Folgejahren. Anzugeben sind die Geschäfte in der "Anlage SO".
FG Baden-Württemberg: Kryptowährungen als andere Wirtschaftsgüter i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG
Das FG Baden-Württemberg hat mit Urteil v. 11.6.2021, 5 K 1996/19, die Auffassung vertreten, dass der steuerrechtliche Begriff des Wirtschaftsguts weit zu fassen und auf der Grundlage einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszulegen ist. Er umfasse "sämtliche vermögenswerten Vorteile, deren Erlangung sich der Steuerpflichtige etwas kosten lässt", "die einer selbstständigen Bewertung zugänglich sind" und der "Erwerber des gesamten Betriebs in dem Vorteil einen greifbaren Wert sehen würde".
Der Steuerzahler habe beim Erwerb der Kryptowährungen zumindest einen vermögenswerten Vorteil erlangt. Im Blockchain der Kryptowährung werde ihm verbindlich ein Anteil an der Währung zugerechnet. Dieser stehe ihm, dem Inhaber des öffentlichen und des privaten Schlüssels, zu und sei mit der Chance auf Wertsteigerung sowie dem Einsatz als Zahlungsmittel verbunden.
Die Kryptowährung sei auch einer gesonderten Bewertung zugänglich. Deren Wert werde anhand von Angebot und Nachfrage ermittelt. Der Kläger habe aus Kurssteigerungen Gewinne erzielt. Kryptowährungen seien übertragbar. Dies zeige deren Handel an speziellen (Internet-)Börsen. Die technischen Details der Kryptowährungen seien für die rechtliche Bewertung des Wirtschaftsguts nicht entscheidend.
Kein Strukturelles Vollzugsdefizit
Die Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von Kryptowährungen nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist nach Auffassung des FG Baden-Württemberg nicht im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG wegen eines strukturellen Vollzugsdefizits verfassungswidrig. Der Gesetzgeber sei weder verpflichtet noch dazu in der Lage, auf jede (technische) Neuerung sofort regulatorisch zu reagieren. Er habe einen weiten Ermessenspielraum und dürfe zunächst deren erste Entwicklung abwarten. Er müsse im Sinne einer gleichmäßigen Besteuerung erst dann reagieren, wenn sich gravierende Missstände zeigten. Solche bestünden bei der Besteuerung von Kryptowährungen jedenfalls zum Streitjahr 2017 noch nicht.
Revisionverfahren beim BFH anhängig
Nach Auffassung des FG hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, da es soweit ersichtlich, keine höchstrichterliche Entscheidung zu den im vorliegenden Fall entschiedenen Rechtsfragen gibt. Aus diesem Grund hat das FG die Revision zugelassen welche beim BFH anhängig ist (Az beim BFH IX R 27/21). Betroffene sollten daher in vergleichbaren Fällen gegen die ablehnenden Bescheide der Finanzämter unter Hinweis auf das o.a. Verfahren Einspruch einlegen und auf das Ruhen des Verfahrens kraft Gesetzes nach § 363 Abs. 2 AO verweisen.
Urteil des FG Köln zu Gewinnem aus der Veräußerung von Kryptowährungen
Wie aus der Pressemitteilung des FG Köln vom 25.2.2022 hervorgeht, hat das FG Köln mit Urteil v. 25.11.2021, 14 K 1178/20, entschieden, dass Gewinne, die aus der Veräußerung von Kryptowährungen erzielt werden, im Rahmen eines privaten Veräußerungsgeschäfts nach § 23 Absatz 1 Nr. 2 EStG einkommensteuerpflichtig sind. Der Kläger hat, wie in dem vom FG Baden-Württemberg mit Urteil vom 11.6.2021, 5 K 1996/19 entschiedenen Fall, zur Begründung seiner Klage vorgetragen, dass bei der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aus Kryptowährungen ein strukturelles Vollzugsdefizit bestehe und ein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz vorliege. Daher dürften diese Gewinne nicht besteuert werden. Im Übrigen fehle es bei Kryptowährungen an der erforderlichen Veräußerung eines "Wirtschaftsguts".
Dem folgte das FG Köln nicht und wies die Klage ab. Ein strukturelles Vollzugsdefizit liege nicht vor. Dieses werde insbesondere nicht durch die anonyme Veräußerung begründet. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen eines privaten Veräußerungsgeschäfts vor. Bei den Kryptowährungen handele es sich um "andere Wirtschaftsgüter" im Sinne des § 23 Absatz 1 Nr. 2 EStG. Die Qualifikation als Wirtschaftsgut verstoße nicht gegen den Bestimmtheitsgrundsatz, da über den Gegenstand des Wirtschafts-guts keine Unklarheiten bestünden. Die vom Kläger gehandelten Kryptowerte (Bitcoin, Ethereum und Monero) seien verkehrsfähig und selbständig bewertbar. Zudem bestehe eine strukturelle Vergleichbarkeit mit Fremdwährungen.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Das Revisionsverfahren ist beim BFH anhängig (Az beim BFH IX R 3/22).
Entwurf eines BMF Schreibens vom 17.6.2022
In dem Entwurf des BMF-Schreibens vom 17.6.2021 vertritt das BMF ebenfalls die Auffassung, dass Einheiten einer virtuellen Währung "andere Wirtschaftsgüter" i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG darstellen, wenn der Zeitraum zwischen der Anschaffung und der Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Für die Ermittlung der Jahresfrist ist aus Vereinfachungsgründen der Anschaffungs- und Veräußerungszeitpunkt maßgebend, der sich aus der Wallet (Geldbörse oder Brieftasche) ergibt.
Der Gewinn oder Verlust aus der Veräußerung von Einheiten einer virtuellen Währung ermittelt sich aus dem Veräußerungserlös abzüglich der Anschaffungs- und der Werbungskosten. Als Veräußerungserlös ist bei einer Veräußerung in Euro das vereinbarte Entgelt zu berücksichtigen. Werden Einheiten einer virtuellen Währung gegen Einheiten einer anderen virtuellen Währung getauscht, ist als Veräußerungs-erlös der hingegebenen Einheiten einer virtuellen Währung der Marktkurs der erlangten Einheiten der anderen virtuellen Währung am Tauschtag anzusetzen.
Im Entwurf wird die Ermittlung des Gewinns an folgendem Beispiel dargestellt:
A erwirbt am 1. April 01 10 Bitcoin zum Preis von je 300 EUR (gesamt 3.000 EUR) zuzüglich einer Transaktionsgebühr von 10 EUR bei einer Online Plattform. Am 1. August 01 tauscht A 2 Bitcoin gegen 40 Ether. Für den Tausch zahlt er eine Transaktionsgebühr von 0,02 Bitcoin. Am Tag der Transaktion beträgt der Wert eines Bitcoins 400 EUR. Der Wert eines Ethers beträgt 20 EUR.
Lösung:
A hat aus der Veräußerung von 2 Bitcoin Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 22 Nr. 2 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in Höhe von 190 EUR erzielt:
A hat für 2 Bitcoin 40 Ether im Wert von je 20 EUR also insgesamt 800 EUR als Veräußerungserlös erhalten. Hiervon sind die Anschaffungskosten für die 2 Bitcoin sowie die Transaktionsgebühr abzuziehen. Für 10 Bitcoin hat A insgesamt 3.010 EUR aufgewendet. Damit entfallen auf 2 Bitcoin 602 EUR an Anschaffungskosten. Außerdem hat A eine Transaktionsgebühr von 0,02 Bitcoin (400 EUR x 0,02 Bitcoin = 8 €) aufgewendet.
Veräußerungserlös | 800 EUR | (40 Ether je 20 EUR Marktwert am Transaktions- |
Anschaffungskosten | 602 EUR | (3.010 EUR/10 Bitcoin x 2 Bitcoin) |
Transaktionsgebühr | 8 EUR | (Wert eines Bitcoins am Transaktionstag = 400 EUR x 0,02 Bitcoin) |
Gewinn | 190 EUR |
Für die Bestimmung der Jahresfrist gilt der Grundsatz der Einzelbetrachtung. Aus Vereinfachungsgründen ist die Anwendung der First in First out (FiFo)-Methode auf die Einheiten einer virtuellen Währung zulässig. Das heißt, es ist zu unterstellen, dass die zuerst angeschafften Einheiten einer virtuellen Währung zuerst veräußert wurden. Die einmal gewählte Methode – FiFo-Methode oder Einzelbetrachtung – ist auf jede einzelne Wallet anzuwenden.
Aussetzung der Vollziehung möglich
Das FG Nürnberg hat bereits mit Beschluss vom 8.4.2020, 3 V 1239/19, entschieden, dass in den Fällen der Besteuerung von Gewinnen aus dem "An- und Verkauf von Kryptowährungen" eine Aussetzung der Vollziehung aus rechtlichen Gründen geboten sei, da die steuerliche Behandlung von Kryptowährungen soweit ersichtlich bisher noch nicht Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung gewesen sei.
Freigrenze in Höhe von 600 EUR (§ 23 Abs. 3 Satz 5 EStG)
Der Gewinn aus der Veräußerung von Einheiten einer virtuellen Währung bleibt nach § 23 Absatz 3 Satz 5 EStG steuerfrei, wenn die Summe der aus sämtlichen privaten Veräußerungsgeschäften im Kalenderjahr erzielten Gewinne (Gesamtgewinn) weniger als 600 Euro beträgt.
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