Zukunft der Kleinkanzlei

In den letzten Jahren ist unter den Steuerkanzleien in Deutschland der Anteil der Einzelkanzleien stetig gesunken. Allein im Jahr 2020 haben 3.000 Einzelkanzleien aufgegeben. Trotz aller Schwierigkeiten kann eine Kleinkanzlei auch zukünftig funktionieren. Entscheidend ist die richtige Strategie.

Im Wesentlichen gibt es bei Kleinkanzleien folgende Problemfelder:

  • Aufgaben: Die Aufgabenvielfalt und der Aufgabenumfang nimmt stetig zu. Und das eben nicht nur auf fachlichem Gebiet (steuerlich und betriebswirtschaftlich) sondern auch durch die Digitalisierung.
  • Mitarbeiter: Fachlich und digital kompetente Mitarbeiter sind auf dem freien Markt so gut wie nicht vorhanden. Das trifft alle Kanzleien. Bei den Einzelkanzleien (Durchschnitt an Mitarbeitern: 3,8) wiegen diese Herausforderungen besonderes schwer.
  • Chef: Der Kanzleiinhaber ist an fast jeder Stelle der Flaschenhals. Fachlich besitzt meist nur er die beste steuerliche/betriebswirtschaftliche Kompetenz. Das komplette Kanzleimanagement muss ebenfalls gestemmt werden, insbesondere die Bereiche Strategie, Führung, Prozessmanagement und Marketing. Jede Zusatzarbeit -  seien es KUG und Förderhilfeanträge in der Corona-Pandemie, die anstehende Grundsteuererklärung oder das Thema Verfahrensdokumentation - verkürzt die dünne Kapazitätsdecke enorm. Und letztlich bleibt es wieder einmal am Kanzleiinhaber hängen.

Die Digitalisierung – nur etwas für große Kanzleien?

Diesen Teil des "Kanzleimanagements" muss man hervorheben: Die Digitalisierung zu stemmen ist eine ganz besondere Herausforderung. Und diese fällt den größeren Kanzleien wegen größerer Kapazitäten etwas leichter.

Sie ist jedoch gerade für kleine Kanzleien unentbehrlich. Nur, wenn das Tagesgeschäft "durchdigitalisiert ist", machen sich Kanzleiinhaber so weit wie möglich unabhängig vom Fachkräftemangel. Und nur dann wird Zeit frei, um sich um die wirkliche Beratung der Mandanten zu kümmern. Das bedeutet, dass Kanzleiinhaber persönlich die Digitalisierung aktiv betreiben und ihre eigenen Kompetenzen hier immer wieder ausweiten müssen.

Wenn Sie für die Digitalisierung nichts übrig haben, wird das nur dann funktionieren, wenn Sie weniger als 5 Jahre bis zu Ihrem Ausscheiden vor sich haben. Einen Kaufpreis für Ihre Kanzlei sollten Sie in diesem Fall nicht mehr in Ihre Altersvorsorge einrechnen.

Entscheidung oder Zufall – Einzelkanzlei hinterfragen

Warum sind Sie eigentlich eine Einzelkanzlei? Die typischen Antworten sind diese:

  •     "Habe ich schon so übernommen."
  •     "Wollte wachsen, hat sich aber irgendwie nicht ergeben."
  •     "Ich bekomme keine Mitarbeiter."
  •     "Ich bin gerade noch in Gründung."
  •     "Ich habe es schon in einer Sozietät versucht – nie wieder!"

Hier geht es darum, dass Sie sich selbst noch einmal hinterfragen. Größe und Gesellschaftsform Ihrer Kanzlei sollten Sie nicht dem Zufall überlassen.

Will ich eine Kleinkanzlei bleiben? Das hat niemand anderes in der Hand als Sie selbst. Es gibt darauf auch keine "richtige" Antwort. Sie müssen sich mit der Größe und der Gesellschaftsform "wohlfühlen". Es kommt darauf an, inwieweit Sie bereit sind mit anderen gemeinsam zu entscheiden.

Ihre Entscheidung für die Zukunft eine Einzelkanzlei zu bleiben hat weitere strategische Entscheidungen zur Folge.

Der Fokus – weniger ist mehr

Mit der Entscheidung ein kleine Einzelkanzlei zu bleiben, folgt zwingend die Entscheidung, worauf Sie sich in Zukunft konzentrieren wollen. Heute schon kann kein Steuerberater von sich behaupten, in allen Branchen oder Themen fit zu sein. In der Zukunft spielt also Ihr Fokus eine wichtige Rolle.

Den Anspruch, jeden Mandanten rundum zu beraten, hört sich auf der Website zwar gut an – tatsächlich ist das mindestens eine gut gemeinte Lüge.
Gemeint ist damit ja auch meist: "Wir können Lohn, Fibu, Abschluss und Steuererklärungen." Wobei schon bei Körperschaftsteuer und Erbschaftsteuer, spätestens aber bei Zollerklärungen sicher Einschränkungen zugestanden werden müssen.

Das Motto "Ihr Kinderlein kommet" in Bezug auf Mandanten gehört spätestens seit dem Fachkräftemangel der Vergangenheit an. Auch neue Geschäftsmodelle stellen Herausforderungen dar. So ist der größere Online-Händler oder der E-Sportler nicht in jeder Kanzlei gut aufgehoben. Wichtig ist, dass Sie klar entscheiden, welche Mandanten Sie in Zukunft "bedienen" wollen. Es geht um nichts weniger als Ihre Mandantenstruktur. Diese hat direkte Auswirkung auf Ihre Gewinnsituation.

So sieht ein typische Kleinkanzlei heute aus:

Kleinkanzlei

Empfehlung: Wenn es bei Ihnen ähnlich aussieht, brauchen sie weniger Mandanten und müssen den Honorarschnitt der Mandanten pro Jahr erhöhen. Jede Fokussierung spart bei Ihnen persönlich und bei Ihren Mitarbeitern Zeit. Spezialisierung auf bestimmte Branchen oder Themen sind der Schlüssel dazu.

Diese müssen Sie meist nicht komplett neu erfinden. Über eine ABC-Analyse wird der neue Fokus fast immer aus der bestehenden Mandantschaft entwickwelt. Die Trennung von "U-Mandanten" (unrentabel, unordentlich, unpünktlich, unleidlich etc.) ist eine zusätzliche Maßnahme, die auf Ihr neues Ziel einzahlt.

Mit der Entscheidung für eine bestimmte Klientel geht auch die Entscheidung einher, welche Dienstleistungen Sie wie erbringen wollen. Es ist ja kein Geheimnis, dass Fibu, Lohn und Abschluss allein die Branche in Zukunft nicht mehr ernähren wird. Die Antwort auf diese Entwicklung ist: Beratung. Auch hier ist der Fokus gefragt. Auch hier werden Sie nicht alles leisten können. Die Auswahl ist riesig und immer wieder entstehen neue "Geschäftsfelder" (aktuell etwa das StaRUG, das Geldwäschegesetz und die Grundsteuererklärung). Hier müssen Sie jeweils die Entscheidung treffen, ob und wie Sie Ihre Mandanten dabei unterstützen.

Tipp: Konsequent und arbeitsteilig

Auch hier geht es um Ihre Entscheidung: Die komplette Umsetzung werden Sie wahrscheinlich nicht alleine stemmen können. Sie brauchen externe Partner – allein dafür brauchen Sie auch mehr Honorar. Gerade bei neuen Tools sollten Sie schnelle Entscheidungen treffen und schnelles Scheitern in Kauf nehmen. Hier liegt Ihr Vorteil gegenüber großen Kanzleien: kurze Entscheidungswege ohne ewige Diskussionen. Nutzen Sie Ihren Schnellbootmodus!

Fokus Netzwerk – zusammen unabhängig

Wenn Sie sich bewusst für die Einzelkanzlei entscheiden, muss das nicht in die Einsamkeit führen. Netzwerke untertützen Ihre Unabhängigkeit in vielen Aspekten:

  • Kollegennetzwerk zum Gedankenaustausch: offener Austausch von Ideen und Herausforderungen.
  • Spezialistennetzwerk steuerlich: für jedes Mandantenproblem ein "Facharzt".
  • Spezialistennetzwerk für alle anderen Themen: vom Unternehmensberater bis zur Hausverwaltung.

Für Sie als Einzelkämpfer geht es immer auch um das "Loslassen". Das permanente "Selbst erledigen wollen" können Sie sich definitiv nicht leisten - weder von den Kapazitäten noch von den Kompetenzen her. Wenn Sie beispielsweise ein bis zwei Umwandlungen, Sanierungen oder Unternehmensverkäufe in 5 Jahren betreuen, sind Sie einfach nicht genug im Thema, um den Fall sowohl für Ihren Mandanten optimal als auch für sich selbst gewinngbringend abzuwickeln.

Kleinkanzlei geht doch – mit der richtigen Strategie

Ein Steuerberater hat es neulich so ausgedrückt: Wir wollen das Richtige für die richtigen Mandanten richtig gut tun. Dem ist nichts hinzuzufügen.


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