Abfindung wegen Aufhebung eines Beratungsvertrags
Hintergrund
Ein selbständiger Rechtsanwalt (R) schloss im Jahr 1979 mit einer GmbH einen Rechtsberatungsvertrag, in dem er sich verpflichtete, die laufende Rechtsberatung der GmbH zu übernehmen. Die GmbH zahlte an R monatlich 5.000 DM und sagte ihm eine betriebliche Altersversorgung zu. 1994 wurde das Beratungshonorar auf "netto 0,20 % des Planumsatzes" der GmbH geändert. Die Versorgungszusage wurde unverändert fortgeschrieben. Der neue Vertrag hatte eine feste Laufzeit bis 31.12.2008.
Am 29.8.1996 kündigte die GmbH den Vertrag mit sofortiger Wirkung. Der dagegen eingelegten Klage gab das Landgericht statt. In einem Vergleich vor dem Oberlandesgericht einigten sich R und die GmbH auf eine Aufhebung des Vertrags. Die GmbH verpflichtete sich zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von 1,7 Mio. DM und einer Ruhegehaltszahlung von monatlich 9.000 DM. Das Finanzamt verweigerte dem R eine ermäßigte Besteuerung der Abfindung. Das Finanzgericht wies die Klage des R ab. Dabei ging es davon aus, dass eine ermäßigte Besteuerung auch bei einer arbeitnehmerähnlichen Ausgestaltung des Beratungsvertrags nicht in Frage komme (EFG 2010 S. 421).
Entscheidung des BFH
Dies sieht der BFH anders. Er geht im Gegensatz zum Finanzgericht davon aus, dass dann, wenn ein Beratungsvertrag mit einem ansonsten selbständig tätigen Rechtsanwalt arbeitnehmerähnlich ausgestaltetet ist, eine Entschädigung wegen Auflösung dieses Vertrags nach den Grundsätzen (ermäßigt) zu besteuern ist, die für Arbeitnehmer gelten.
Der BFH wies deshalb nach Aufhebung des Urteils die Sache an das Finanzgericht zurück, damit diese als Tatsacheninstanz feststellt und würdigt, ob der Beratungsvertrag des R die für einen vergleichbaren leitenden Angestellten wesentlichen Merkmale eines typischen Arbeitsvertrags aufweist (vgl. BFH, Urteil v. 22.2.2012, X R 14/10, BFH/NV 2012, 864) und deshalb aus dem Rahmen der sonst für einen Rechtsanwalt üblichen Geschäfte deutlich herausfällt und eindeutig von diesen abgegrenzt werden kann.
Dabei kommt es nach Auffassung des BFH u.a. auf folgende Kriterien besonders an:
- feste Vergütung ohne leistungsbezogene Einzelabrechnungen;
- Anspruch auf Urlaub;
- Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall;
- fehlendes Unternehmerrisiko und fehlende Unternehmerinitiative;
- Notwendigkeit der engen ständigen Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern;
- Eingliederung in den Betrieb.
Darüberhinaus muss der Beratungsvertrag gemessen an der Gesamttätigkeit des Rechtsanwalts eine wesentliche Einkunftsquelle darstellen.
Hinweis
Bei Steuerpflichtigen, die im Rahmen einer gewerblichen oder selbständigen Tätigkeit üblicherweise eine Vielzahl von Verträgen abschließen, gehören auch die Kündigung und die Auflösung einzelner Verträge zur laufenden Geschäftsführung. Da es sich insoweit nicht um ungewöhnliche Geschäftsvorfälle handelt, kann grundsätzlich eine steuerbegünstigte Entschädigung i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht vorliegen, wenn Schadensersatz oder Ausgleich für die Nichterfüllung eines solchen (üblichen) Vertrags geleistet wird. Entscheidend für die Steuerbegünstigung einer Abfindung bei Auflösung des Beratervertrags eines selbständigen Rechtsanwalts ist deshalb, dass es sich um ein außergewöhnliches Rechtsverhältnis handelt. Das ist nach der vorliegenden Entscheidung des BFH immer dann der Fall, wenn der Beratervertrag ähnlich wie ein nichtselbständiges Arbeitsverhältnis ausgestaltet ist. In diesem Fall lassen sich keine sachlichen Unterschiede mehr finden, die es rechtfertigen, die Abfindung nur deshalb anders zu besteuern, weil sie im Rahmen der Einkunftsart "selbständige Arbeit" gezahlt worden ist. Das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot – so der BFH – gebietet es dann, eine Abfindung nach den für Arbeitnehmer geltenden Grundsätzen (begünstigt) zu besteuern.
Urteil v. 10.7.2012, VIII R 48/09, veröffentlicht am 31.10.2012
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