Steuerfreie Beitragserstattung durch berufsständische Versorgungseinrichtungen
Hintergrund: Beitragsrückerstattung aus dem Rechtsanwalts-Versorgungswerk
R erzielte von Juni 2010 bis Juni 2012 als angestellter Rechtsanwalt nichtselbständige Einkünfte. Ab Juli 2012 wurde er in ein Beamtenverhältnis übernommen und damit versicherungsfrei. Während seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt war er Mitglied der Rechtsanwaltskammer und entrichtete monatlich Pflichtbeiträge zu dem Versorgungswerk der rheinland-pfälzischen Rechtsanwaltskammern. Anlässlich seines Ausscheidens aus der Anwaltschaft – und damit aus dem Versorgungswerk - beantragte R, ihm gemäß der Satzung des Versorgungswerks 90 % der entrichteten Pflichtbeiträge zu erstatten. Die Beiträge wurden ihm im Januar des Streitjahrs 2013 zurückgezahlt und zugleich dem FA die Auszahlung einer Leibrente mitgeteilt.
Das FA folgt der Fristenregelung des BMF
Das FA unterwarf die Beitragserstattung als Leibrente zu 66 % der Besteuerung (§ 22 Nr. 1 Satz 3 EStG). Dem widersprach das FG und gab der Klage statt. Die Erstattung der Pflichtbeiträge sei nach § 3 Nr. 3 Buchst. c EStG steuerfrei. Für die einschränkende Fristenregelung in dem vom FA herangezogenen BMF-Schreiben v. 19.8.2013 (BStBl I 2013, 1087) fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. Nach dem BMF-Schreiben (Rz 205) soll eine steuerfreie Beitragserstattung nur möglich sein, wenn nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht 24 Monate vergangen sind.
Entscheidung: Die Wartefrist gilt für Erstattungen an gesetzlich Rentenversicherte
Gemäß § 3 Nr. 3 Buchst. b EStG sind (u.a.) Beitragserstattungen an gesetzlich Rentenversicherte nach § 210 SGB VI steuerfrei. Darunter fallen (u.a.) Beiträge an Versicherte, die nicht mehr versicherungspflichtig sind und nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung haben (§ 210 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI). Darüber hinaus ermöglicht § 210 Abs. 1a SGB VI die Erstattung von Beiträgen an Versicherte, die – wie R – versicherungsfrei sind, auch wenn sie die allgemeine Wartezeit nach § 50 SGB VI (5 bis 45 Jahre) nicht erfüllt haben. Voraussetzung ist, dass eine Wartefrist von 24 Monaten seit dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht abgelaufen ist und nicht erneut eine Versicherungspflicht eingetreten ist (§ 210 Abs. 2 SGB VI).
Keine Wartefrist bei Beitragsrückgewähr aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen
Nach § 3 Nr. 3 Buchst. c EStG sind Leistungen aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen, die den Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 3 Nr. 3 Buchst. b EStG entsprechen – also die hier streitige Beitragsrückerstattung aus der berufsständigen Versorgungseinrichtung für Rechtsanwälte - steuerfrei. Diese Verweisung in Buchst. c auf Buchst. b bedeutet lediglich, dass die Leistungen wesensgleich sein müssen. Dem Gesetzestext kann keine Rechtsgrundverweisung in dem Sinne entnommen werden, dass für die Steuerfreiheit auch die Voraussetzungen einer Rentenbeitragserstattung, d.h. die Wartefrist von 24 Monaten nach § 210 Abs. 2 SGB VI, erfüllt sein müssen. Der BFH teilt damit die Auffassung des FG, dass die Verwaltungsanweisung in Rz 205 des BMF-Schreibens v. 19.8.2013 (BStBl I 2013, 1087) mit der gesetzlichen Regelung in § 3 Nr. 3 Buchst. c EStG nicht in Einklang steht. Die Revision des FA wurde daher zurückgewiesen.
Hinweis: Dem Gesetz widersprechende Verwaltungsanweisungen sind nicht verbindlich
Soweit die Verwaltungsanweisung die Steuerfreiheit der Beitragserstattung eines berufsständischen Versorgungswerks davon abhängig macht, dass diese erst 24 Monate nach dem Ausscheiden aus dem Versorgungswerk ausgezahlt worden ist, verstößt diese Gesetzesinterpretation gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und ist daher für die Gerichte nicht verbindlich. Die Bedeutung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung wurde vom Großen Senat des BFH erst kürzlich besonders hervorgehoben (BFH v. 28.11.2016, GrS 1/15, BStBl II 2017, 293, zum Sanierungserlass). Nur am Rande erwähnt der BFH die Frage, ob die in 2013 geflossenen Zahlungen als Erstattung von Sonderausgaben zu einer Kürzung des Sonderausgabenabzugs in den Vorjahren (2010 bis 2012) führen. Der BFH konnte dies im Streitfall offen lassen, da nur das Erstattungsjahr 2013 betroffen war.
BFH, Urteil v. 10.10.2017, X R 3/17; veröffentlicht am 21.2.2018
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