Beschränkter Abzug der sonstigen Vorsorgeaufwendungen

Durch das BürgEntlG wurde geregelt, dass die Beiträge zur Basiskrankenversicherung und zur gesetzlichen Pflegeversicherung ab dem 1.10.2010 in vollem Umfang als Sonderausgaben abzugsfähig sind. Negative Auswirkung dieser Neuregelung ist jedoch, dass sich sonstige Vorsorgeaufwendungen nur noch ganz selten steuerlich auswirken. Obwohl der BFH entschieden hat, dass die Neuregelung verfassungsgemäß ist, ist der Streit noch nicht beendet.

Mit Urteil vom 9.9.2015 (X R 5/13) hat der BFH entschieden, dass die beschränkte Abziehbarkeit von sonstigen Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG i. d. F. des BürgEntlG KV) verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.

Hintergrund: FA berücksichtigte sonstige Vorsorgeaufwendungen nicht

Im Jahr 2010 behielt der Arbeitgeber des Klägers von dessen Arbeitslohn Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt knapp 7.600 EUR ein. Die Kläger machten darüber hinaus als sonstige Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG Beiträge für eine Risikolebensversicherung, für eine Unfallversicherung sowie für drei vor dem 1.1.2005 abgeschlossene Kapitallebensversicherungen geltend. Da der gemeinsame Höchstbetrag der Kläger nach § 10 Abs. 4 Satz 3 EStG bereits aufgrund der Beiträge des Klägers zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung überschritten war, berücksichtigte das FA diese sonstigen Vorsorgeaufwendungen gemäß § 10 Abs. 4 Satz 4 EStG nicht.

Schutz in Höhe des Existenzminimums

Nach Auffassung des BFH ist der Gesetzgeber nur verpflichtet, Beiträge zu Versicherungen steuerlich freizustellen, die den Schutz des Lebensstandards des Steuerpflichtigen in Höhe des Existenzminimums gewährleisten. Hierzu gehören die Kranken - und Pflegeversicherung, allerdings nur auf Sozialhilfeniveau. Auf das (höhere) Sozialversicherungsniveau sei deshalb nicht abzustellen.

Verfassungsbeschwerde eingelegt

Nach Ansicht der Kläger überzeugt das Urteil des BFH vom 9.9.2015 nicht. Sie sind der Auffassung, auch die in § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG genannten Sonderausgaben seien in voller Höhe zu berücksichtigen. Dies ergebe sich schon daraus, dass auch diese Sonderausgaben unvermeidliche Privatausgaben seien und somit ein Nichtabzug dem subjektiven Nettoprinzip widerspreche. Die fehlende Möglichkeit zur Berücksichtigung dieser Vorsorgeaufwendungen verletze das verfassungsrechtliche Gebot der Folgerichtigkeit. Der Gesetzgeber habe durch die Aufzählung der fraglichen Vorsorgeaufwendungen in § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG diese als unbeschränkt abziehbare Sonderausgaben akzeptiert. Faktisch würden aber indisponible Aufwendungen wie etwa die Beiträge zur gesetzlichen Arbeitslosenversicherung aufgrund der Höchstbetragsberechnung des § 10 Abs. 4 EStG von dieser Abzugsfähigkeit ausgeschlossen. Soweit dies mit dem Praktikabilitätsprinzip begründet werde, verstoße dies gegen die Verfassung. Wie bei der Kirchensteuer sei eine unbeschränkte Abzugsfähigkeit geboten. In dem Verfahren 2 BvR 2445/15 muss das BVerfG nun klären, ob die Auffassung des BFH zutreffend ist.

Sonstige Vorsorgeaufwendungen

Der steuerliche Abzug dieser Aufwendungen unterliegt in zweifacher Hinsicht der Begrenzung. Zum einen durch den Höchstbetrag gemäß § 10 Abs. 4 Satz 2 EStG in Höhe von 2.800 EUR bzw. bis 1.900 EUR bei Steuerpflichtigen, die ganz oder teilweise ohne eigene Aufwendungen einen Anspruch auf vollständige oder teilweise Erstattung oder Übernahme von Krankheitskosten haben oder für deren Krankenversicherung Leistungen i. S. d. § 3 Nrn. 9, 14, 57 oder 62 EStG erbracht werden. Zum anderen dadurch, dass gemäß § 10 Abs. 4 Satz 4 EStG von diesem Höchstbetrag die unbeschränkt berücksichtigungsfähigen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge abgezogen werden, mit der Konsequenz, dass die sonstigen Vorsorgeaufwendungen in vielen Fällen steuerlich nicht berücksichtigt werden können.

Zu den sonstigen Vorsorgeaufwendungen gehören die Beiträge

  • zu Kranken- und Pflegeversicherungen, die über die Basisabsicherung hinausgehen,
  • zu Versicherungen gegen Arbeitslosigkeit,
  • zu Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsversicherungen, die nicht bereits unter die Basisversorgung fallen,
  • zu Unfall- und Haftpflichtversicherungen sowie
  • zu Risikoversicherungen, die nur für den Todesfall eine Leistung vorsehen,
  • zu Versicherungen i. S. d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. bb bis dd EStG a. F (Kapitallebensversicherungen), wenn die Laufzeit dieser Versicherungen vor dem 1.1.2005 begonnen hat und ein Versicherungsbeitrag bis zum 31.12.2004 entrichtet wurde.

Praxis-Tipp: Belege weiter aufbewahren

Da Steuerbescheide hinsichtlich des Abzugs der sonstigen Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufig ergangen sind, waren Einsprüche gegen entsprechende Steuerbescheide nicht erforderlich. Wegen der nunmehr anhängigen Verfassungsbeschwerde ist davon auszugehen, dass bis zum Abschluss des Verfahrens beim BVerfG die Steuerbescheide weiter entsprechende Vorläufigkeitsvermerke enthalten, und ein Einspruch auch weiterhin nicht erforderlich ist. Sollten in Einzelfällen die FÄ bei bisher ruhenden Einspruchsverfahren aufgrund des BFH Urteils vom 9.9.2015 (a.a.O.) die Rücknahme der Einsprüche anregen, ist dem nicht zu folgen, sondern auf das Verfahren 2 BvR 2445/15 beim BVerfG zu verweisen.

Obwohl die Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde schwer einzuschätzen sind, und außerdem nicht sicher ist, ob im Falle einer für die Steuerzahler positiven Entscheidung durch das BVerfG diese auch rückwirkend für alle offenen Fälle gilt, sollten Betroffene die Belege über sonstige Vorsorgeaufwendungen weiter aufbewahren bis das Verfahren abgeschlossen ist.

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Schlagworte zum Thema:  Einkommensteuer