Abzug sonstiger Vorsorgeaufwendungen

Die beschränkte Abziehbarkeit sonstiger Vorsorgeaufwendungen (private Risikolebensversicherungen, Unfallversicherungen, Kapitallebensversicherungen) ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Hintergrund

Der Ehemann erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und Gewerbebetrieb. Die Ehefrau nur aus Gewerbebetrieb. Vom Arbeitslohn des Ehemanns behielt der Arbeitgeber in 2010 Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (6.705 EUR) und zur gesetzlichen Pflegeversicherung (877 EUR) ein.

Darüber hinaus machten die Eheleute Beiträge in Höhe von 4.827 EUR für eine Risikolebensversicherung, eine Unfallversicherung sowie drei Kapitallebensversicherungen (vor dem 1.1.2005 abgeschlossen) als sonstige Vorsorgeaufwendungen geltend. Da der gemeinsame Höchstbetrag (§ 10 Abs. 4 Satz 3 EStG) aufgrund der Beiträge des Ehemanns zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung überschritten war, berücksichtigte das FA die darüber hinausgehenden sonstigen Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG nicht. Die Klage, mit der die Verfassungswidrigkeit des gemeinsamen Höchstbetrags geltend gemacht wurde, wies das FG mit der Begründung zurück, bei den streitigen Beiträgen handele es sich nicht um existenziell notwendige Aufwendungen der Daseinsvorsorge, die im Rahmen des subjektiven Nettoprinzips steuermindernd zu berücksichtigen seien.

Entscheidung

Auch die Revision wurde zurückgewiesen. Die eingeschränkte Berücksichtigungsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG im Rahmen der Höchstbeträge des § 10 Abs. 4 EStG führt zur Nichtabziehbarkeit der weiteren (sonstigen) Vorsorgeaufwendungen. Eine Verpflichtung des Gesetzgebers zur steuerlichen Freistellung der Beiträge gilt jedoch nur für Versicherungen, die den Schutz des Lebensstandards in Höhe des Existenzminimums gewährleisten (subjektives Nettoprinzip). Dazu gehören die Kranken- und Pflegeversicherung, allerdings beschränkt auf das Sozialhilfeniveau. Auf das (höhere) Sozialversicherungsniveau ist nicht abzustellen.

Die faktische oder rechtliche Zwangsläufigkeit weiterer Aufwendungen im Rahmen der Daseinsvorsorge, auch wenn sie mit der Absicherung einer Krankheit oder Pflegebedürftigkeit vergleichbar sind, ist unerheblich. Der Gesetzgeber ist der Verpflichtung zur Freistellung von Kranken- und Pflegeversicherungen nachgekommen und war nicht verpflichtet, die in § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG genannten Vorsorgeaufwendungen überhaupt als Sonderausgaben zuzulassen. Kapitalversicherungen sind zwar grundsätzlich als Sonderausgaben berücksichtigungsfähig. Übersteigen sie jedoch - wie im Streitfall - die nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG abziehbaren Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, sind sie (anders als in den Vorjahren) der Höhe nach überhaupt nicht mehr abziehbar. Dagegen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Soweit dies im Einzelfall zu einer ungünstigeren Behandlung führt, ist diese als Folge der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit hinzunehmen.

Es verletzt nicht das Gebot der Folgerichtigkeit, wenn der Gesetzgeber neben Krankenversicherungsbeiträgen auch andere sonstige Vorsorgeaufwendungen dem Sonderausgabenabzug zugewiesen hat, diese sich aber regelmäßig steuerlich nicht auswirken. Den verfassungsrechtlichen Vorgaben folgend sind die Krankenversicherungsbeiträge, die die Basisversorgung betreffen, in vollem Umfang abziehbar. Das hindert den Gesetzgeber indes nicht daran, höhere Krankenversicherungsbeiträge und andere sonstige Vorsorgeaufwendungen in einer Gruppe "sonstige Vorsorgeaufwendungen" zusammenzufassen und einen Sonderausgabenabzug nur bis zu einem Höchstbetrag vorzusehen. Dass die vielfach dazu führt, dass neben den Krankenversicherungsbasisbeiträgen sonstige Vorsorgeaufwendungen nicht abziehbar sind, entspricht der gesetzlichen Systematik hinsichtlich der nur in beschränktem Umfang abziehbaren Sonderausgaben.

Hinweis

Der BFH weist damit die vereinzelt im Schrifttum vertretene Auffassung zurück, als Folge des subjektiven Nettoprinzips müssten Ausgaben zur Absicherung existenzieller Lebensrisiken, die mit einer Krankheit oder Pflegebedürftigkeit vergleichbar sind, gleichgestellt werden. Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, sonstige Vorsorgeaufwendungen steuerlich freizustellen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der unbeschränkten Abziehbarkeit der Kirchensteuer (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Kirchensteuer und Vorsorgeaufwendungen sind nicht vergleichbar.

Da der BFH einen Verfassungsverstoß verneint, war die Sache nicht dem BVerfG zur Entscheidung vorzulegen. Für die von dem BFH-Urteil betroffenen Eheleute besteht allerdings die Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde. Es bleibt abzuwarten, ob davon Gebrauch gemacht wird.

BFH, Urteil v. 9.9.2015, X R 5/13, veröffentlicht am 2.12.2015

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