BFH Kommentierung: Auskunftsersuchen des Finanzamts an Dritte

Das Finanzamt darf sich nur dann unmittelbar an andere Personen als den Beteiligten wenden, wenn es aufgrund konkret nachweisbarer Tatsachen davon ausgehen kann, dass die Aufklärung durch den Beteiligten erfolglos bleiben wird.

Hintergrund

Im Streit war die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens. X betreibt ein Import- und Exportgeschäft. Bei einer Außenprüfung hatte das (Finanzamt) FA festgestellt, dass X von einer Geschäftspartnerin A eine nicht erklärte Provision ("Ausgleichszahlung", "Bonus") erhalten hatte. Im Rahmen der Außenprüfung für die Folgejahre (2002 bis 2004) richtete das FA - ohne X vorab um Auskunft gebeten zu haben - ein Auskunftsersuchen betreffend Provisionszahlungen an die Firma B, eine weitere Geschäftspartnerin des X. Darin wies das FA darauf hin, die Sachaufklärung sei mit den Beteiligten nicht möglich. Es werde deshalb um Auskunft gebeten ob in 2002 bis 2004 an X Provisionen gutgeschrieben oder ausgezahlt worden seien. B verneinte dies in einem Schreiben gegenüber dem FA und zeigte sich zugleich gegenüber X verwundert über das Auskunftsersuchen und erklärte auch, sie verstehe nicht, warum X dem FA nicht mitteile, niemals von ihr, B, Provisionen erhalten zu haben.

Gegen dieses Auskunftsersuchen legte X Einspruch ein, der vom FA zurückgewiesen wurde. Daraufhin erhob X Klage mit dem Antrag, festzustellen, dass das Auskunftsersuchen rechtswidrig gewesen sei. Das FG gab der Klage mit der Begründung statt, das Ersuchen sei unverhältnismäßig und daher ermessensfehlerhaft gewesen.

Entscheidung

Für ein Tätigwerden des FA ist ein hinreichender Anlass erforderlich. Ermittlungen "ins Blaue hinein" sind unzulässig. Ein hinreichender Anlass liegt aber nicht erst vor, wenn ein begründeter Verdacht dafür besteht, dass steuerrechtliche Unregelmäßigkeiten gegeben sind. Es genügt vielmehr, wenn aufgrund konkreter Umstände oder aufgrund allgemeiner Erfahrung ein Auskunftsersuchen angezeigt ist. Auskünfte dürfen danach von anderen Personen schon dann eingeholt werden, wenn das FA zu dem Ergebnis gelangt ist, die Auskünfte könnten zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen. Es genügt, dass die mitzuteilenden Tatsachen im Rahmen einer Prognoseentscheidung möglich sind. Darüber hat das FA im Rahmen einer vorweggenommenen Beweiswürdigung zu befinden. Dabei dürfen die Anforderungen an diese Prognoseentscheidung nicht zu hoch angesetzt werden. Das Auskunftsverlangen ist daher nur dann rechtswidrig, wenn klar und eindeutig jeglicher Anhaltspunkt für die Steuererheblichkeit fehlt.

Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (§ 93 Abs. 1 Satz 3 AO). Von diesem Subsidiaritätsprinzip darf das FA nur dann abweichen, wenn ein atypischer Fall vorliegt. Das wurde vom BFH bisher nur dann angenommen, wenn

  • der Beteiligte unbekannt ist oder
  • der Beteiligte nicht mitwirkt.

Eine solche atypische Konstellation liegt im Streitfall nicht vor. Weder war die Identität des X unbekannt noch hat X die Mitwirkung verweigert. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn von vornherein feststeht, dass der Beteiligte entweder nicht mitwirken wird oder die Erfolglosigkeit seiner Mitwirkung offenkundig ist. Darauf kann sich das FA aufgrund des bisherigen Verhaltens des Steuerpflichtigen nur dann berufen, wenn konkret nachweisbare Fakten darauf schließen lassen. Das FA muss es folglich im Rahmen der vorweggenommenen Beweiswürdigung aufgrund konkreter Tatsachen als zwingend ansehen, dass die Mitwirkung des Beteiligten erfolglos bleiben wird.

Da das FA im Streitfall nicht von der Erfolglosigkeit der Mitwirkung des X nicht ausgehen konnte, wurde die Revision des FA zurückgewiesen.

Hinweis

Ein Auskunftsersuchen ist ein anfechtbarer Verwaltungsakt. Mit der erteilten Auskunft hat sich dieser Verwaltungsakt allerdings erledigt. In einem solchen Fall kann eine Fortsetzungsfeststellungsklage mit dem Antrag erhoben werden festzustellen, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrige gewesen ist. Das hierfür erforderliche Feststellungsinteresse wird bejaht, wenn eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr besteht. Das war hier gegeben, da das FA nicht ausschließen wollte, auch künftig wiederum Auskunftsersuchen an Dritte zu richten, ohne X vorher zum Sachverhalt zu befragen.

Der Steuerpflichtige hat ein Recht darauf, dass seine Reputation nicht beschädigt wird und Geschäftspartner nicht den Eindruck bekommen, er vernachlässige seine steuerlichen Pflichten. Es liegt daher in seinem Interesse, dass Dritte jedenfalls zunächst nichts über eine laufende Betriebsprüfung und möglicherweise nicht erklärte Erlöse erfahren. Das wird vom Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung umfasst. Außerdem sollen Dritte nur in Ausnahmefällen in fremde Steuerangelegenheiten einbezogen werden. Es ist daher zu begrüßen, dass der BFH strenge Anforderungen (zwingende konkrete Tatsachen) an ein Auskunftsersuchen gegenüber Dritten aufstellt. Es bleibt allerdings in diesen Fällen immer die Frage, ob der Steuerpflichtige von einem entsprechenden Auskunftsersuchen überhaupt Kenntnis erlangt. Erfährt er davon nichts, kann er sich auch nicht entsprechend zur Wehr setzen.

BFH, Urteil v. 29.7.2015, X R 4/14, veröffentlicht am 9.12.2015


Schlagworte zum Thema:  Außenprüfung, Provision, Abgabenordnung