Kein ermäßigter Steuersatz für "Dinner-Show"
Hintergrund: Verbindung von Show mit Menü
Aus Gründen des Steuergeheimnisses enthält das Urteil ausnahmsweise keinen Tatbestand. Auch das FG-Urteil ist nicht veröffentlicht. Aus den BFH-Entscheidungsgründen lässt sich in etwa folgender Sachverhalt entnehmen: X führt Veranstaltungen durch, bei denen eine Show und ein Menü angeboten werden. Show und Menü sind aufeinander abgestimmt und greifen zeitlich ineinander. Die Leistung kann nur insgesamt in Anspruch genommen werden.
Entgegen dem FA bejahte da FG den ermäßigten Steuersatz. Es ging von einer einheitlichen Leistung aus, die wegen der höheren Qualität der Show im Vergleich zur Qualität des Essens dem ermäßigten Steuersatz unterliege. Auf die vom FA eingelegte Revision ordnete der BFH das Ruhen des Verfahrens bis zum Ergehen einer Entscheidung des EuGH im Verfahren "Stadion Amsterdam" an. Nach Vorliegen dieser Entscheidung (EuGH-Urteil Stadion Amsterdam vom 18.01.2018 - C-463/16, EU:C2018:22) wurde das Revisionsverfahren fortgesetzt. Der BFH hob das FG-Urteil auf und wies die Klage ab.
Entscheidung: Dinner-Show unterliegt dem Regelsteuersatz
Nach der Würdigung des FG liegt eine einheitliche, komplexe Leistung vor. Eine Aufspaltung in eine kulinarische und eine künstlerische Einzelleistung sei angesichts der gewünschten Verbindung von Menü und Show ebenso lebensfremd wie die Annahme, die Leistungsbestandteile ständen im Verhältnis von Haupt- und Neben-leistung. Der BFH hatte diese für ihn bindende Tatsachenwürdigung des FG zugrunde zu legen (§ 118 Abs. 2 FGO).
Einheitliche (komplexe) Leistung unterliegt dem Regelsteuersatz
Ausgehend von einer einheitlichen, komplexen Leistung unterliegt eine Dinner-Show dem Regelsteuersatz. Das gilt auch dann, wenn, wie das FG angenommen hat, die Qualität der Darbietung höher ist als die der Speisen. Die Steuerermäßigung ist zwar zu gewähren, wenn die begünstigte Vorführung der Hauptbestandteil der einheitlichen Gesamtleistung ist und den eigentlichen Zweck der Veranstaltung ausmacht. An dieser Voraussetzung fehlt es jedoch, wenn sich das Leistungsbündel aus Unterhaltung und kulinarischer Versorgung als einheitlicher (komplexer) Umsatz darstellt. Die Annahme eines einheitlichen, komplexen Umsatzes führt zur Anwendung des Regelsteuersatzes (BFH vom 28.10.2014 - V B 92/14, BFH/NV 2015, 244). Auf die Bewertung, dass die Show besser als das Essen war, kommt es daher nicht an.
Der EuGH versagt die Steuerermäßigung bei gleichwertigen Elementen einer einheitlichen Leistung
Diese Auslegung entspricht der Rechtsprechung des EuGH. Wenn von den Elementen einer einheitlichen Leistung kein Hauptelement bestimmt werden kann, sind die Elemente als gleichwertig anzusehen. Unterliegt dann nur einer von mehreren gleichwertigen Bestandteilen dem ermäßigten Steuersatz, kann die Steuerermäßigung nicht auf die einheitliche, komplexe Leistung insgesamt angewandt werden (EuGH-Urteil Bastova vom 10.11.2016 - C-432/15, UR 2016, 913, Rz 72, 75).
Die Kombination von Show und Menü führt zu gleichwertigen Elementen
Hiervon ausgehend scheidet im Streitfall die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes aus. Die – aus Sicht des FG – geringere Qualität des Essens im Vergleich zur Show und die unterschiedlichen Kostenanteile ändern nichts daran, dass es sich um ein Leistungsbündel mit gleichwertigen Elementen aus Unterhaltung und kulinarischer Versorgung handelt, bei dem die Vorführung nicht den eigentlichen Zweck der Veranstaltung ausmacht (BFH vom 10.01.2013 - V R 31/10, BStBl II 2013, 352). Der Besucher will Show und Menü zusammen erleben und genießen. Das gilt auch dann, wenn – wovon das FG ausgegangen ist – die Show von höchster Qualität war. Denn auch in einem solchen Fall ist ausschlaggebend, dass es sich um eine Kombination von Show und Menü handelt.
Da die Leistung der X somit eine einheitliche, komplexe Leistung mit mehreren Hauptbestandteilen ist, von denen einer (Menü) nicht dem ermäßigten Steuersatz unterliegt, unterliegt die Leistung insgesamt dem Regelsteuersatz.
Hinweis: Möglicherweise andere Beurteilung bei optionaler Zubuchung des Menüs
Der BFH präzisiert, dass bei einer einheitlichen Leistung der ermäßigte Steuersatz anwendbar ist, wenn der Hauptbestandteil der Leistung begünstigt ist. Lässt sich allerdings bei einem Leistungsbündel kein Hauptelement feststellen, sind die Elemente gleichwertig und die Steuerermäßigung scheidet insgesamt aus. Der BFH ergänzt, dass es anders sein kann, wenn z.B. bei einer Show ein Menü optional dazu gebucht wird.
Unterschiedliche Besteuerung von Hotelübernachtungen und damit verbundenen Leistungen
In dem Urteil Stadion Amsterdam v. 18.01.2018, C-463/16 verneint der EuGH bei einer einheitlichen Leistung die selektive Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für den Fall des § 12 Abs. 2 Nr. 7 UStG (Theateraufführungen usw.). Diese Vorschrift enthält – anders als § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG (betr. z.B. Hotelübernachtungen) – kein Aufteilungsgebot. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH ist die unterschiedliche Besteuerung von Hotelübernachtungen zum ermäßigten Steuersatz und den damit verbundenen Leistungen (Frühstück, Parkplatz usw.) zum Regelsteuersatz unionsrechtskonform (BFH vom 24.04.2013 -XI R 3/11, BStBl II 2014, 86; BFH v. 1.3.2016, XI R 11/14, BStBl II 2016, 753). Der BFH wirft die Frage auf, ob nach Ergehen des EuGH-Urteils Stadion Amsterdam v. 18.1.2018, C-463/16 an dieser Rechtsprechung (Aufteilung) festgehalten werden kann. Möglicherweise deutet sich eine Rechtsprechungsänderung hin zu einer ermäßigten Besteuerung der Gesamtleistung an.
BFH Urteil vom 13.06.2018 - XI R 2/16 (veröffentlicht am 05.06.2018)
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