Umsatzsteuer für Liegerecht im Begräbniswald
Hintergrund: Umsatzsteuer im Bestattungswald
Zu entscheiden war, ob die Vergabe von Liegerechten in einem Urnenbegräbniswald als Grundstücksvermietung umsatzsteuerfrei ist. Der Grundstückseigentümer A übernahm für die Gemeinde die Einrichtung und den Betrieb eines Begräbniswaldes. Er räumte Interessenten Liegerechte an einem Familien- oder Gruppenbaum ein, d. h. ein oder mehrere Nutzungsrechte zur Beisetzung der Asche mit Liegezeit für 20 bis 99 Jahre. Die Bäume und Parzellen, an denen solche Rechte erworben werden konnten, waren geografisch eingemessen und abgegrenzt sowie mit einer Nummerierung (Beschilderung) versehen.
A beriet die Interessenten und unterhielt Wald, Wege, Ruhebänke und Parkplätze. Außerdem bot er Bestattungsleistungen (Leistungen im Zusammenhang mit der Beisetzung wie Ausheben, Sicherung und Verschließen der Grube) an. Diese Bestattungsleistungen waren optional und mussten nicht gemeinsam mit dem Liegerecht erworben werden. Sie wurden nur von wenigen Kunden in Anspruch genommen. A stellte bei der Vergabe eines Liegerechts die in der gemeindlichen Gebührensatzung festgelegte Nutzungsgebühr ohne Ausweis der USt in Rechnung. Nur die – hier nicht streitigen – Bestattungsleistungen behandelte er als steuerpflichtig.
Das FA ging davon aus, bei der Vergabe von Liegerechten und der Durchführung von Bestattungsleistungen handele es sich um eine einheitliche umsatzsteuerpflichtige Leistung. Das FG sah dagegen in der Vergabe von Liegerechten einerseits (einschließlich der Beratung der Kunden und der Pflege des Waldes) und der Bestattungsleistungen (Ausheben der Grube usw.) andererseits zwei eigenständig zu beurteilende Leistungen. Hinsichtlich der Vergabe von Liegerechten bejahte das FG eine steuerfreie Grundstücksvermietung und gab der Klage statt.
Entscheidung: Steuerfreie Grundstücksvermietung nur bei Überlassung individualisierter Parzellen
Eine steuerfreie Grundstücksvermietung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG liegt vor, wenn dem Vertragspartner gegen Zahlung eines Mietzinses für eine vereinbarte Dauer das Recht eingeräumt wird, ein Grundstück in Besitz zu nehmen und andere von ihm auszuschließen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Bei dem Grabstättennutzungsrecht handelt es sich um ein Sondernutzungsrecht, das darin besteht, die Grabstätte für die Bestattung, die Grabanlage und Errichtung eines Grabmals (oder anderer Grabeinrichtungen) unter Ausschluss Dritter zu nutzen. Gegenstand der Nutzung waren im Streitfall Grundstücksteile im Sinne räumlich abgegrenzter Teile der Erdoberfläche. Denn A überließ den Nutzungsberechtigten geografisch eingemessene, räumlich abgrenzbare und mit einer Nummerierung individualisierte Parzellen zur Einbringung von Urnen. Eine Nutzung durch Dritte war während der Nutzungszeit ausgeschlossen. Damit liegt eine Grundstücksvermietung vor. Dass die Kunden mit der Anmietung religiöse Zwecke verbunden haben, steht dem nicht entgegen.
Die Nebenleistungen geben der Grundstücksüberlassung kein eigenes Gepräge
Eine gegenüber der Vermietung andersartige Leistung kommt nur in Betracht, wenn neben die Grundstücksüberlassung weitere zusätzliche geschäftliche Aktivitäten treten, die der Grundstücksüberlassung ein anderes Gepräge geben. Die weiteren Leistungsbestandteile (Information über freie Grabstätten, Instandhaltung des Waldes und der Wege, Bereitstellung von Bänken, Führen eines elektronischen Registers, Einräumung von Parkmöglichkeiten) geben der Leistung des A jedoch nicht das Gepräge, sondern sind lediglich Nebenleistungen zur Vermietung. Denn sie stellen für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck dar, sondern sind das Mittel, um die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.
Hinweis: Bestattung unter einem bestimmten Baum genügt nicht
Der BFH hebt hervor, dass eine steuerfreie Grundstücksüberlassung nur dann vorliegt, wenn eine räumlich abgegrenzte, individualisierte Parzelle überlassen wird. Nach dem Parallelurteil vom 21.6.2017, V R 4/17, ist diese Voraussetzung nicht gegeben, wenn sich die Vereinbarung nicht auf ein konkret vermessenes Areal bezieht, sondern z. B. lediglich das Recht eingeräumt wird, eine Urne im Wurzelbereich eines bestimmten Baumes beizusetzen.
Die Steuerfreiheit bezieht sich auch auf das Vorhalten von Parkplätzen. § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG, wonach die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen von der Befreiung ausgeschlossen ist, ist unionsrechtlich dahin auszulegen, dass die Steuerbefreiung nur dann nicht greift, wenn die Vermietung – anders als hier – nicht mit der steuerfreien Grundstücksvermietung eng verbunden ist (BFH v. 1.3.2016, XI R 11/14, BStBl II 2016, 753).
BFH, Urteile v. 21.6.2017, V R 3/17 und V R 4/17; veröffentlicht am 8.11.2017
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