Erbschaft als Betriebseinnahme einer Pflegeheim-GmbH
Hintergrund: Altenheim beerbt Heimbewohner
Eine GmbH betreibt ein Seniorenpflegeheim. In 2008 wurde sie von einem Heimbewohner (H) mit der Auflage zur Alleinerbin eingesetzt, das Erbvermögen ausschließlich für Zwecke des Heimbetriebs zu verwenden. Zugleich ernannte H eine Testamentsvollstreckerin zur Überwachung der zweckgebundenen Verwendung. Die Ausnahmegenehmigung nach § 14 des Heimgesetzes (HeimG) war erteilt worden. Nach dieser Vorschrift ist bzw. war es dem Träger grundsätzlich untersagt, sich von Bewohnern über das vereinbarte Entgelt hinaus Geld oder geldwerte Leistungen versprechen zu lassen. Das HeimG wurde inzwischen bundesweit durch entsprechendes Landesrecht ersetzt. H verstarb in 2010. Das FA setzte zum einen für den Nachlasserwerb (Gesamtwert 1.05 Mio. EUR) ErbSt fest und erhöhte zum anderen den Gewinn der GmbH um das ihr nach Abzug der Testamentsvollstreckerkosten verbliebene Erbvermögen. Mit der Klage gegen den entsprechenden KSt-Bescheid machte die GmbH eine systemwidrige Doppelbesteuerung geltend. Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, die testamentarische Zuwendung habe das Betriebsvermögen vermehrt.
Entscheidung: Erbschaft führt zu gewerblichen Einkünften
Der BFH wies die Revision zurück. Die GmbH ist als inländische Kapitalgesellschaft unbeschränkt steuerpflichtig. Dementsprechend sind alle von ihr erzielten Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln (§ 8 Abs. 2 KStG). Denn eine Kapitalgesellschaft verfügt ertragsteuerrechtlich über keine außerbetriebliche Sphäre. Die ihr zuzurechnenden Wirtschaftsgüter sind daher ausnahmslos als Betriebsvermögen zu qualifizieren und der Bereich der gewerblichen Gewinnerzielung umfasst sämtliche Einkünfte, unabhängig davon, in welcher Form und Art sie zufließen. Erfasst werden deshalb auch Vermögensmehrungen, die nicht unter eine der sieben Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG fallen, somit auch Vermögenszugänge aufgrund unentgeltlicher Zuwendungen einschließlich des im Streitfall vorliegenden Erbanfalls.
Doppelbelastung mit ErbSt und KSt
Die Kumulation von KSt und ErbSt ist nicht zu beanstanden. Die beiden Besteuerungstatbestände schließen sich nicht aus. Die doppelte Besteuerung ist nicht verfassungswidrig. In Deutschland besteht kein einheitliches Steuersystem. Es ist daher kein Verfassungsgrundsatz anerkannt, dass alle Steuern aufeinander abgestimmt und Lücken sowie eine mehrfache Besteuerung desselben Sachverhalts vermieden werden müssten. Es ist deshalb auch nicht zu beanstanden, dass der nämliche Gewinn sowohl der ESt oder KSt sowie zusätzlich der GewSt unterworfen wird. Entsprechendes gilt - wie auch die Milderungsregelung des § 35b EStG verdeutlicht - für eine Kumulation von Ertragsteuer und ErbSt. Das Zusammentreffen von ErbSt und KSt verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil bei einem Erbanfall, der bei einer natürlichen Person neben der ErbSt auch der ESt unterliegt, die Belastung mit ESt durch die Tarifvorschrift des § 35b EStG gemildert wird, während diese Entlastung im Rahmen der KSt-Festsetzung nicht gewährt wird. Denn Art 3 Abs. 1 GG enthält kein Gebot einer rechtsformneutralen Besteuerung und in der eigenständigen Steuerpflicht der Kapitalgesellschaft liegt ein hinreichender Differenzierungsgrund. Demgemäß obliegt es dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, ob er die progressive ESt-Belastung mit Rücksicht auf die ErbSt-Belastung durch § 35b EStG abfedert und ob er diese Entlastung auf den linearen KSt-Tarif erstreckt. Auch die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) ist nicht verletzt. Dies schied im Streitfall bereits deshalb aus, weil die GmbH von der GewSt befreit war (§ 3 Nr. 20 GewStG, betr. u.a. Alten- und Pflegeheime) und der Erbanfall daher insgesamt mit ErbSt und KSt lediglich in Höhe von 45 % belastet war.
Hinweis: Keine gewinnneutrale Einlage
Die Entscheidung entspricht dem BFH-Urteil v. 14.3.2006, VIII R 60/03 (BStBl II 2006, 650), das die betrieblich bedingte Erbeinsetzung eines Heims in der Rechtsform einer GbR betraf. Der BFH ging hier ebenfalls davon aus, dass sich ESt und ErbSt nicht gegenseitig ausschließen. Der sachliche Zusammenhang mit dem Betrieb ergab sich auch hier aus der testamentarischen Verwendungsbestimmung. Die Gewinnerhöhung war auch nicht durch den Abzug einer Einlage zu neutralisieren. Denn die GmbH hat die Erbschaft nicht aufgrund etwaiger persönlicher Beziehungen zwischen H und den Gesellschaftern, sondern ausschließlich aufgrund ihrer eigenen gewerblichen Betätigung erlangt.
Halbteilungsgrundsatz nicht anerkannt
Beachtlich erscheint im Übrigen der Hinweis des BFH auf die inzwischen ständige Rechtsprechung, dass sich aus der Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) keine absolute Belastungsgrenze i.S. eines "Halbteilungsgrundsatzes" ableiten lässt. Auch eine Gesamtbelastung von rund 60 % des erworbenen Vermögens, also deutlich über 50 %, verstößt nicht gegen das Übermaßverbot (BFH-Urt. v. 18.1.2011, X R 63/08, BStBl II 2011, 680, und v. 28.7.2015, VIII R 2/09, BStBl II 2016, 447). Diese einschneidende Entwicklung hat sich (leider) allgemein durchgesetzt.
BFH, Urteil v. 6.12.2016, I R 50/16, veröffentlicht am 8.2.2017
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