Finanzierung von Anlagevermögen über Kontokorrentkonto

Es wird unwiderleglich vermutet, dass innerhalb von 30 Tagen vor oder nach Auszahlung des Darlehens über Kontokorrentkonto bezahlte Investitionen mit den Darlehen finanziert wurden.

Hintergrund

Der Schuldzinsenabzug ist eingeschränkt, wenn der Unternehmer mehr aus dem Betriebsvermögen entnommen hat, als er dem Betrieb zuvor durch Einlagen und Gewinne zugeführt hat (sog. Überentnahmen). Ausgenommen von dieser Abzugsbeschränkung sind nur Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs-/Herstellungskosten von Anlagevermögen (Investitionsdarlehen).

Eine Kommanditgesellschaft (KG) nahm drei Darlehen aus KfW-Mittelstandsprogrammen auf. Das FA verweigerte den Schuldzinsenabzug für diese Darlehen mit der Begründung, sie seien auf ein Kontokorrentkonto ausgezahlt und für laufende Betriebsmittel verbraucht worden. Ein Zusammenhang zwischen den Darlehen und bestimmten Investitionen sei nicht nachgewiesen. Dem schloss sich das FA an und wies die Klage ab. 

Entscheidung

Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück.

Der BFH schließt sich der Verwaltungsanweisung (BMF-Schreiben v. 17.11.2005, BStBl I 2005, 1019, geändert durch BMF v. 7.5.2008, BStBl I 2008, 588) insoweit an, als eine unwiderlegbare Vermutung dafür besteht, dass auf ein Kontokorrentkonto ausgezahlte Darlehensmittel zur Finanzierung solcher Investitionen verwendet wurden, die innerhalb von 30 Tagen vor oder nach Auszahlung des Darlehens über das Kontokorrentkonto finanziert wurden. Beträgt der Zeitraum mehr als 30 Tage, kann der erforderliche Finanzierungszusammenhang im Einzelnen nachgewiesen werden. Das FG hat festzustellen, ob und in welcher Höhe die KG innerhalb des 30-Tage-Zeitraums (vor oder nach Auszahlung) von dem Kontokorrentkonto Anlagevermögen bezahlt hat. In entsprechendem Umfang sind die Schuldzinsen von der Abzugsbeschränkung ausgenommen.

Der BFH widerspricht dem BMF-Schreiben insoweit, als danach die Belastung eines Kontokorrentkontos zur Finanzierung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens nicht für die Ausnahme von der Abzugsbeschränkung der Zinsen genügen soll. Entgegen dem BMF-Schreiben hält der BFH die Aufnahme eines gesonderten Darlehens nicht für erforderlich. Die Kontokorrentzinsen sind vielmehr entsprechend dem Zuordnungsproblem bei einem gemischt betrieblich-privaten Kontokorrentkonto nach der Zinsstaffelmethode aufzuteilen und in Höhe des auf die Finanzierung von Anlagevermögen entfallenden Teils abziehbar. Das FG muss die erforderlichen Feststellungen nachholen.

Anmerkung

Der - vom Unternehmer zu erbringende - Nachweis des Finanzierungszusammenhangs bei Überschreiten des 30-Tage-Zeitraums bzw. die Aufteilung des Kontokorrentkontos ist bei umfangreichen Zahlungsvorgängen mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. In der Praxis wird man sich im Regelfall mit einer sachgerechten Schätzung begnügen müssen. Zur Vermeidung von Nachweisproblemen dürfte sich jedenfalls empfehlen, gesonderte Konten einzurichten.

BFH Urteil vom 23.02.2012 - IV R 19/08 (veröffentlicht am 06.06.2012)


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