Fremdübliche Wertguthabenvereinbarung unter Ehegatten
Hintergrund: Wertguthabenkonto des Arbeitnehmer-Ehegatten
Die Ehefrau (F) arbeitete im Betrieb ihres Ehemanns (M) halbtags als Bürofachkraft. Sie vereinbarten – neben dem Arbeitsvertrag – ein Zeitwertguthabenmodell, nach dem vom Bruttoarbeitslohn (1.410 EUR) monatlich 1.000 EUR zuzüglich Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung in ein Wertguthabenkonto (Treuhandkonto) einbezahlt werden.
M aktivierte das Treuhandkonto und führte die Einzahlungen einer Rückstellung zu. Das FA anerkannte die Rückstellung nicht (Streitjahre 2010 – 2014).
Das FG gab der Klage statt. Die Wertguthabenvereinbarung halte einem Fremdvergleich stand. Denn es stehe F frei, einen Großteil ihres Gehalts einzubezahlen.
Entscheidung: Prüfung der Fremdüblichkeit anhand der Chancen—und Risikoverteilung
Der BFH bezweifelt die Fremdüblichkeit der Vereinbarung. Er hob das FG-Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Dieses hat aufgrund einer erneuten Gesamtwürdigung die Fremdüblichkeit der Wertguthabenvereinbarung nachzuprüfen.
Arbeitsverträge zwischen nahen Angehörigen
Verträge zwischen nahen Angehörigen sind unter dem Gesichtspunkt der Fremdüblichkeit im Rahmen einer Gesamtbetrachtung dahin zu würdigen, ob sie den Rückschluss auf eine privat veranlasste Vereinbarung zulassen (z.B. BFH v. 10.10.2018, X R 44-45/17, BStBl II 2019, 203, Rz. 18). Dabei ist wesentlich, ob die Vertragschancen und -risiken in fremdüblicher Weise verteilt sind (BFH v. 22.10.2013, X R 26/11, BStBl II 2014, 374, Rz 35). Bei Arbeitsverhältnissen ist mitentscheidend, ob der Arbeitgeber dieselbe Regelung auch bei fremden Arbeitnehmern verwendet (BFH v. 18.12.2001, VIII R 69/98, BStBl II 2002, 353).
Gesonderte Prüfung der Wertguthabenvereinbarung
Im Streitfall war das Arbeitsverhältnis als solches dem Grunde nach als fremdüblich anzuerkennen. Der BFH beanstandet jedoch, dass das FG die Wertguthabenvereinbarung nicht gesondert auf die Fremdüblichkeit geprüft hat. Diese gesonderte Prüfung ist erforderlich. Denn eine Wertguthabenvereinbarung unterliegt im Verhältnis zum Arbeitsvertrag klar abgrenzbaren Regelungen (§§ 7b ff. SGB IV). Es handelt sich somit um eine zusätzlich im Rahmen des Arbeitsverhältnisses vereinbarte Leistung. Für diese zusätzliche Leistung hat das FG die Fremdüblichkeitsprüfung anhand der vom BFH herausgestellten Kriterien erneut durchzuführen.
Einseitige Verteilung der Lasten spricht gegen Fremdüblichkeit
Die Wertguthabenvereinbarung enthält einseitig Regelungen zu Lasten des M. Denn F kann nahezu unbegrenzt Vergütungen ansparen und das Guthaben quasi unbeschränkt wieder abbauen. Sie kann ständig wiederkehrend Freistellungen in Anspruch nehmen. M bietet lediglich die Ankündigungsfrist von drei Monaten bzw. das einmalige Ablehnungsrecht einer Freistellungsphase aus dringenden betrieblichen Gründen etwas Schutz. Auch wenn man berücksichtigt, dass eine Freistellung des Arbeitnehmers auch im Interesse des Arbeitgebers sein kann (z.B. Bindung des Arbeitnehmers an das Unternehmen), sind die Lasten einseitig verteilt. Dafür, dass aus besonderen Umständen M nicht oder nur unbedeutend mit Vertragsrisiken belastet wäre, hat das FG keine Anhaltspunkte festgestellt. Liegt somit eine einseitig zu Lasten des M gehende Risikoverteilung vor, ist dies ein starkes Indiz dafür, dass die Wertguthabenvereinbarung dem zwischen Fremden Üblichen widerspricht. Das FG wird (etwa durch Anfragen bei Behörden oder Organisationen) ermitteln müssen, ob ein derartig weitgehend zu Lasten des M gehender Vertragsinhalt üblicherweise auch zwischen Fremden verwendet wird und daher (noch) als fremdüblich angesehen werden kann.
Keine Vergleichbarkeit mit Altersvorsorge-Modellen
Das FG hat den internen Betriebsvergleich fehlerhaft angewandt. Die den anderen Arbeitnehmern angebotenen Altersvorsorge-Modelle sind mit dem Zeitwertguthabenmodell nicht vergleichbar. Die Wertguthabenvereinbarung ermöglicht der F äußerst flexibel ständig wiederkehrende Freistellungen mit Auszahlungen. Die Altersvorsorge greift dagegen erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Es ist auch nicht erkennbar, weshalb es ausreichend gewesen sein soll, allein der F die Wertguthabenvereinbarung anzubieten.
Die Wertguthabenvereinbarung berührt die Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses
Außerdem hat das FG übersehen, dass die Wertguthabenvereinbarung die Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses berührt. In den Zeiten der Freistellung erbringt F ihre Arbeitsleistung nicht und M kann die entsprechenden Zahlungen an F, die sozialrechtlich als Arbeitslohn gelten, dem Wertguthabenkonto entnehmen. Ein "Lohnaufwand" entsteht ihm (insoweit) nicht mehr. Werden die Hauptleistungspflichten in dieser Weise berührt, kommt dem im Rahmen der Gesamtwürdigung ein höheres Gewicht zu, als wenn von Nebenpflichten abgewichen wird.
Hinweis: Fehlerhafte Tatsachenwürdigung des FG
Die Würdigung und Gewichtung der für den Fremdvergleich bedeutsamen Einzelfallumstände obliegt grundsätzlich dem FG als Tatsacheninstanz. Der BFH prüft nur, ob dem FG bei der Würdigung Rechtsverstöße unterlaufen sind. Der BFH ist nach § 118 Abs. 2 FGO an die Würdigung des FG gebunden, sofern diese möglich ist und das FG weder gegen Denkgesetze verstoßen noch wesentliche Umstände vernachlässigt hat (BFH v. 11.7.2017, IX R 42/15, BFH/NV 2017, 1422, Rz 18). Hiervon ausgehend ist der BFH im Streitfall nicht an die vom FG getroffene Würdigung gebunden, die Wertguthabenvereinbarung sei fremdüblich. Denn das FG hat sowohl die Prüfung der Verteilung der Vertragschancen und -risiken als auch den internen Betriebsvergleich rechtsfehlerhaft vorgenommen und übersehen, dass die Vereinbarung über das Wertguthaben in die Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses eingreift. Zudem ist fraglich, ob M und F die Vereinbarung hinsichtlich der Sicherung des Wertguthabens tatsächlich durchgeführt haben.
BFH Urteil vom 28.10.2020 - X R 1/19 (veröffentlicht am 28.01.2021)
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