Gemischt genutzter Raum ist kein häusliches Arbeitszimmer

Der  Begriff des häuslichen Arbeitszimmers setzt voraus, dass der betreffende Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke genutzt wird.

Hintergrund

X bewohnt mit seiner Ehefrau ein beiden Ehegatten gehörendes Einfamilienhaus. Für 2006 machte er Aufwendungen (804 EUR) für ein häusliches Arbeitszimmer bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Dazu verwies er auf einen "Tätigkeitsbericht" über Arbeiten, die er in diesem Raum im Zusammenhang mit seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung verrichtet habe, sowie auf Fotos, aus denen sich die büromäßige Ausstattung ergibt (Schreibtisch, Büroschränke, Regale, Ordner, Computer).

Das FA versagte den Werbungskostenabzug. Das FG gab dagegen der Klage überwiegend statt und ließ die Aufwendungen mit der Begründung, X habe eine Nutzung zur Einkünfteerzielung zu 60 % nachgewiesen, in diesem Umfang (60 % von 804 EUR = 482 EUR) zum Abzug zu. Hiergegen legte das FA Revision ein (Az. IX R 23/12). Es machte geltend, die Regelung über die beschränkte Abziehbarkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG) gehe als Spezialregelung dem grundsätzlichen Betriebsausgaben-/Werbungskostenabzug vor. Die Anerkennung gemischter Aufwendungen, wie sie vom Großen Senat für Reisekosten eröffnet worden sei (Beschluss v. 21.9.2009, GrS 1/06, BStBl II 2010, 672), sei daher im Bereich des häuslichen Arbeitszimmers ausgeschlossen. Der Betriebsausgaben-/Werbungskostenabzug setze die ausschließliche berufliche Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers voraus.

Der IX. Senat des BFH war anderer Auffassung als das FA. Er ging - ebenso wie das FG - davon aus, der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers setze eine (nahezu) ausschließliche betriebliche/berufliche Nutzung nicht voraus. Die Aufwendungen seien entsprechend der Nutzung aufzuteilen. Wegen unterschiedlicher Meinungen zu der Problematik innerhalb des BFH legte der IX. Senat dem Großen Senat die Frage vor, ob die Abziehbarkeit die (nahezu) ausschließliche Nutzung für betriebliche/berufliche Zwecke voraussetzt und ob die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer aufzuteilen sind (Vorlagebeschluss v. 21.11.2013, IX R 23/12, BStBl II 2014, 312).

Entscheidung

Der Große Senat teilt nicht die Auffassung des FG und des vorlegenden IX. Senats. Aufwendungen für einen Raum, der - in mehr als nur geringfügigem Umfang - zu privaten Zwecken genutzt wird, sind insgesamt nicht abziehbar.

Ein häusliches Arbeitszimmer setzt zunächst voraus, dass es dem Typus des Arbeitszimmers entspricht. Dazu muss es  büromäßig ausgestattet sein (Schreibtisch, Regale usw.). Außerdem muss es (nahezu) ausschließlich für Tätigkeiten zur Erzielung von Einnahmen genutzt werden. Ein Zimmer, das zwar büromäßig eingerichtet ist, aber in nennenswertem Umfang neben der Verrichtung von Büroarbeiten auch anderen Zwecken dient, etwa als Spiel-, Gäste- oder Bügelzimmer, ist bereits begrifflich kein Arbeitszimmer. Das gilt erst recht auch für ein Zimmer, das sowohl zur Erzielung von Einnahmen (z.B. in einer Arbeitsecke) als auch zu privaten Wohnzwecken (Wohnbereich) genutzt wird. Wenn schon Aufwendungen für ein als Büro eingerichteten, aber privat mitgenutzten Raum nicht abziehbar sind, gilt dies umso mehr für Räume, die ihrer Ausstattung nach sowohl der Einnahmeerzielung als auch privaten Wohnzwecken dienen.

Auch der Zweck des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG steht der Aufteilung entgegen. Denn die Regelung soll eine sachgerechte Abgrenzung des beruflichen und des privaten Bereichs gewährleisten, "Gestaltungsmöglichkeiten" unterbinden und den Verwaltungsvollzug erleichtern. Der Umfang der beruflichen Nutzung lässt sich objektiv nicht überprüfen. Ein "Nutzungszeitenbuch" ist nicht kontrollierbar und auch eine Schätzung erscheint mangels hinreichender Maßstäbe nicht möglich. Außerdem würde der Vereinfachungszweck verfehlt.

Diesem Ergebnis steht der Beschluss des Großen Senats zur Aufteilung der Reisekosten bei gemischt veranlassten Reisen entsprechend der Zeitanteile der Reise (Beschluss v. 21.9.2009, GrS 1/06, BStBl II 2010, 672) nicht entgegen. Denn § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG ist eine den allgemeinen Grundsätzen vorgehende Spezialregelung, die abschließend bestimmt, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer abziehbar sind.

Der Große Senat beantwortet daher die Vorlage dahin, dass der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers die ausschließliche oder nahezu ausschließliche Nutzung für betriebliche/berufliche Zwecke voraussetzt. Damit erübrigt sich die Beantwortung der weiteren Vorlagefrage nach der Aufteilbarkeit der Aufwendungen.

Hinweis

Nach der Anerkennung der Aufteilung der Reisekosten bei gemischt beruflich/betrieblicher und privater Veranlassung und damit verbunden der Aufgabe des bis dahin geltenden allgemeinen Aufteilungs- und Abzugsverbots durch den Großen Senat (Beschluss v. 21.9.2009 GrS 1/06, BStBl II 2010, 672) und auf den Vorlagebeschluss des IX. Senats (Beschluss v. 21.11.2013, IX R 23/12, BStBl II 2014, 312) war allgemein eine Rechtsprechungsänderung hin zur Aufteilung der Raumkosten bei gemischter Nutzung erwartet worden. Denn nach dem objektiven Nettoprinzip darf nur das Nettoeinkommen - Erwerbseinnahmen abzüglich Erwerbsaufendungen - besteuert werden. Wie der Große Senat ausführt, kann das Nettoprinzip zwar aus Gründen fehlender Kontrollmöglichkeiten und aus Vereinfachungsgründen eingeschränkt werden. Fraglich ist jedoch, ob die Einschränkung so weit gehen darf, dass auch demjenigen, der die berufliche/betriebliche Nutzung plausibel nachweisen kann, der anteilige Abzug verwehrt ist.

Nicht in jeder Familie besteht die (finanzielle) Möglichkeit, einen separaten Raum büromäßig und mustergültig als Arbeitszimmer vorzuhalten. Wenn daher in einem Wohnraum ein Arbeitsbereich geschaffen wird, der nachweislich regelmäßig mehrere Stunden wöchentlich beruflich genutzt wird, wie es z.B. im Rahmen einer Fortbildungsmaßnahme häufig der Fall ist, sollte ein anteiliger Abzug ermöglicht werden. Es dürfte zu erwarten sein, dass - trotz des nunmehr vorliegenden Beschlusses des Großen Senats - die weitere Entwicklung längerfristig in diese Richtung gehen wird, zumal auch innerhalb des BFH unterschiedliche Auffassungen vertreten werden.

Erwähnenswert ist, dass jedenfalls die Aufwendungen für die büromäßige Ausstattung - Schreibtisch, Regale, Computer usw. - ungeachtet der Nichtabziehbarkeit der Raumkosten als Betriebsausgaben/Werbungskosten berücksichtigt werden können. Die Kosten für diese zu einer Arbeitsecke im Wohnzimmer gehörenden Gegenstände können ohne eine Beschränkung der Höhe nach geltend gemacht werden.

Wichtig ist, dass der BFH für die Berücksichtigung der Raumkosten keine ausschließliche betriebliche/berufliche Nutzung verlangt. Die "nahezu" ausschließliche Nutzung zur Erzielung von Einnahmen genügt. Eine unbedeutende private Nutzung, die regelmäßig bis zur Grenze von 10 % angenommen wird, ist grundsätzlich zu vernachlässigen. Es dürfte daher unschädlich sein, wenn in dem Arbeitszimmer gelegentlich privater Schriftverkehr erledigt wird oder wenn dort ausnahmsweise einmal ein Gast übernachtet. Hier zeigt sich übrigens eine gewisse Schwäche in der Argumentation des Großen Senats. Zum einen lehnt er eine Aufteilung bei gemischter Nutzung mangels objektiver Überprüfbarkeit der Nutzungsanteile ab. Zum anderen kann im Hinblick auf die übliche 10 %-Grenze einer Quantifizierung nicht ausgewichen werden.

BFH, Beschluss v. 27.7.2015, GrS 1/14, veröffentlicht am 28.1.2016

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