Gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung der Schuldzinsen bei Cash-Pooling
Hintergrund: Liquiditätsbündelung mehrerer Konten (Cash-Pooling)
Die X-GmbH ist Teil der A-Unternehmensgruppe. Konzernmutter ist die A-AG. Die Gesellschaften der Gruppe, auch die X, beteiligten sich zur Zins- und Finanzierungsoptimierung an einer Liquiditätsbündelung ihrer Konten (Cash-Pooling). Hierzu unterhielten die X und die anderen Tochterunternehmen bei verschiedenen Kreditinstituten Quellkonten und die A als Poolführerin zu jedem dieser Quellkonten ein paralleles Zielkonto. Die Konten wurden in unterschiedlichen Währungen geführt. Der Saldo jedes Quellkontos der X wurde bankarbeitstäglich auf Null gestellt, indem ein etwaiges Guthaben auf das Zielkonto der A überwiesen wurde oder ein etwaiger Negativsaldo durch eine Überweisung vom Zielkonto der A ausgeglichen wurde. Die dadurch entstehenden wechselseitigen Verbindlichkeiten zwischen der X und der A wurden mit 5,5 % p.a. verzinst. Zur buchmäßigen Erfassung führte die X für jedes Quellkonto ein gesondertes Verrechnungskonto, berechnete täglich die Zinsen und buchte diese monatlich saldiert als Aufwand oder Ertrag. In ihrem auf dem 31. Dezember 2010 aufgestellten Jahresabschluss nahm die X eine Saldierung der Zinsaufwendungen und -erträgen vor und erfasste im Ergebnis keine Zinsaufwendungen.
Entsprechend ihrer Auffassung, es bestehe nur ein Schuldverhältnis (nicht mehrere einzelne Darlehen), erklärte die X in ihrer Gewerbesteuererklärung für 2010 (neben Entgelten für andere Schulden) keine Zinsaufwendungen aus dem Cash-Pool. Das FA lehnte die Saldierung ab und erhöhte die Entgelte für Schulden nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG. Dem schloss sich das FG an und wies die Klage mit der Begründung ab, die Kapitalströme aus dem Cash-Pool stellten wechselseitige Darlehen dar, die nicht als einheitliche Schuld gewertet werden könnten, mit der Folge, dass auch die Entgelte nicht zusammengefasst werden könnten.
Entscheidung: Der BFH bejaht die Saldierung der Zinsaufwendungen und Zinserträge im Cash-Pool
Für die gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung von Schuldzinsen gilt zwar grundsätzlich ein Saldierungsverbot, nach dem mehrere Schuldverhältnisse und die daraus entstehenden Schuldzinsen nicht verrechnet werden dürfen. Ausnahmsweise können nach ständiger BFH-Rechtsprechung jedoch mehrere bei einem Kreditgeber unterhaltene Konten ebenso wie wechselseitig zwischen zwei Personen gegebene Darlehen gewerbesteuerrechtlich dann als einheitliches Darlehensverhältnis beurteilt werden, wenn sie gleichartig sind, derselben Zweckbestimmung dienen und regelmäßig tatsächlich miteinander verrechnet werden (BFH vom 07.09.2005 - I R 119/04, BFH/NV 2006, 606).
Die Saldierungsgrundsätze gelten auch beim Cash-Pooling
Die bisherigen Grundsätze einer möglichen Zusammenfassung wechselseitig zwischen zwei Personen gewährter Darlehen finden auch auf die im Cash-Pooling wechselseitig gegebenen Darlehen Anwendung. Entscheidend ist auch in diesen Fällen, ob die Darlehen gleichartig sind, derselben Zweckbestimmung dienen und regelmäßig tatsächlich miteinander verrechnet werden. Diese Voraussetzungen hat der BFH für das im Streitfall praktizierte Cash-Pooling bejaht. Deshalb können sämtliche in den Cash-Pool einbezogene Quellkonten bankarbeitstäglich miteinander verrechnet werden. Der dann entstehende Saldo ist fortzuschreiben, indem er mit dem Saldo verrechnet wird, der sich am jeweiligen Folgetag ergibt. Soweit danach am jeweiligen Tag ein Schuldsaldo zu Lasten der X verbleibt, ist der darauf entfallende Zins ein hinzurechnungsfähiges Entgelt i.S.v. § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG. Denn nur dieser spiegelt den bankarbeitstäglichen Fremdfinanzierungsbedarf der X wider. Ein solcher Schuldsaldo entfällt nicht dadurch, dass an einem Folgetag ein positiver Saldo entsteht, da der verwirklichte Tatbestand einer Schuld nicht nachträglich wegfällt. Der BFH verwies die Sache an das FG zurück, um die für diese Berechnung notwendigen Feststellungen nachzuholen.
Hinweis: Die Saldierung entspricht dem Zweck der Hinzurechnungs-Regelung
Der BFH stellt klar, dass die für die Beurteilung mehrerer bei einem Kreditgeber unterhaltener Konten sowie für wechselseitig zwischen zwei Personen gegebene Darlehen entwickelten Grundsätze auch für Darlehensgewährungen innerhalb eines Cash-Pools gelten. Durch die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG sollen Unternehmen, die mit Fremdkapital arbeiten, mit Eigenkapital arbeitenden Unternehmen gleichgestellt werden. Dieser Zweckbestimmung werden auch im Cash-Pooling gegebene Darlehen gerecht. Der unternehmerischen Entscheidung für das Cash-Pooling stehen somit keine steuerlichen Hindernisse entgegen. Mit der Entscheidung widerspricht der BFH der überwiegend im Fachschrifttum vertretenen Meinung, die an die zivilrechtliche Qualifizierung der Darlehensverträge anknüpft.
BFH Urteil vom 11.10.2018 - III R 37 17 (veröffentlicht am 06.03.2019)
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