Schätzung bei Kassenführungsmängeln
Prüfer stellt Kassenführungsmängel fest
Der Kläger betrieb seit 2010 ein Sushi-Restaurant. In den Streitjahren bot er hierbei Speisen aus einem umfangreichem Speisenangebot an. Die Preise für die Hauptzutaten der angebotenen Speisen (Lachs, Thunfisch und Meeresfrüchte) unterlagen in den Streitjahren starken Schwankungen. Der Kläger ermittelte seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Den überwiegenden Teil seiner Einnahmen erzielte er in bar. Der Kläger setzte in den Streitjahren eine elektronische Registrierkasse älterer Bauart ein. Auf dieser konnte er Fiskaljournaldaten nicht speichern. Die in der Kasse zunächst gespeicherten Daten wurden aufgrund begrenzter Speichermöglichkeiten überschrieben.
Während er die von dieser Kasse am Ende des Geschäftstages ausgedruckten Tagesendsummenbons (sogenannte Z-Bons) aufbewahrte, vernichtete er die von der Registrierkasse ebenfalls ausgedruckten Warengruppenberichte. Für unbare Kreditkarten- und EC-Karten-Umsätze verfügte er über ein Kartenlesegerät. Im Kassensystem fand aber keine Trennung der baren von den unbaren Einnahmen statt, sodass sämtliche Einnahmen als Bareinnahmen ausgewiesen wurden. Der Kläger erfasste seine Tageseinnahmen in einem Kassenbuch, welches er mittels eines Tabellenkalkulationsprogramms manuell erstellte.
Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung vertrat der Prüfer die Ansicht, dass die vom Kläger eingesetzte Kasse Aufzeichnungsmängel aufweisen würde, weil insbesondere die erfassten Tageseinnahmen täglich gelöscht würden, der Kläger bis auf das Benutzerhandbuch keine Organisationsunterlagen oder eine Verfahrensdokumentation zur elektronischen Registrierkasse habe vorlegen können und die Finanzwege nicht getrennt aufgezeichnet würden. Wegen dieser Beanstandungen schätzte der Außenprüfer zusätzliche Betriebseinnahmen hinzu, indem er auf den Wareneinsatz des Klägers einen Rohgewinnaufschlagsatz von 250 % (2010 und 2011) bzw. 270 % (2012) anwandte. Den gegen die geänderten Steuerbescheide eingelegten Einsprüchen half das Finanzamt nur teilweise ab.
Schätzungsbefugnis war gegeben
Auch die Klage vor dem FG Münster blieb ohne Erfolg. Entgegen der Auffassung des Klägers sei eine Schätzungsbefugnis gegeben und auch die Höhe der vom Beklagten vorgenommenen Hinzuschätzungen sei im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Schätzungsbefugnis ergebe sich hierbei daraus, dass die Buchführung des Klägers der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden könne.
Dies sei dann der Fall, wenn die Buchführung nicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht und deshalb ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden ist. Die Buchungen und die übrigen erforderlichen Aufzeichnungen sind insbesondere vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sollen überdies täglich festgehalten werden. Kassenaufzeichnungen müssen hierbei so beschaffen sein, dass ein Buchsachverständiger jederzeit in der Lage ist, den Sollbestand mit dem Istbestand der Geschäftskasse zu vergleichen. Eine Buchung oder eine Aufzeichnung darf gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 AO nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Auch müssen Kassenaufzeichnungen so beschaffen sein, dass ein Sachverständiger jederzeit in der Lage ist, den Sollbestand laut Aufzeichnungen mit dem Istbestand der Geschäftskasse zu vergleichen. Das Kassenbuch ist wesentlicher Teil der Buchführung.
Jedenfalls dann, wenn – wie hier – vorwiegend Bargeschäfte getätigt werden, können Mängel der Kassenführung der gesamten Buchführung die Ordnungsmäßigkeit nehmen. Ein gravierender formeller Mangel liege bereits darin, dass der Kläger in den Streitjahren seine Aufzeichnungen mittels eines Tabellenkalkulationsprogramms fertigte. Die Kassenaufzeichnungen durch das vom Kläger eingesetzte Tabellenkalkulationsprogramm genügten den Anforderungen nicht. Derartige Aufzeichnungen böten mangels entsprechender Festhaltung keinerlei Gewähr für die fortlaufende, vollständige und richtige Erfassung aller Bargeschäfte ähnlich einem Kassenbuch oder einem Kassenbericht. Die Aufzeichnungen seien veränderbar, ohne dass die Veränderungen kenntlich gemacht würden und erfüllten so auch nicht die Voraussetzung des § 146 Abs. 4 Sätze 1, 2 AO. Darüber hinaus fehle einem solchen Kassenbuch die erforderliche Journalfunktion. Des Weiteren sei die sogenannte Kassensturzfähigkeit im Betrieb des Klägers nicht gewährleistet, was jedoch erforderlich gewesen wäre. Die Höhe der Hinzuschätzung des Beklagten sei im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Die gewählte Methode der Zuschlagskalkulation sei sachgerecht. Zu wählen sei bei mehreren Schätzungsmethoden stets die, die der Wirklichkeit möglichst nahe kommt. Die so geschätzten Besteuerungsgrundlagen erscheinen dabei aufgrund der Heranziehung der amtlichen Richtsatzsammlung plausibel.
Elektronische Kassensysteme müssen Anforderungen entsprechen
Die Entscheidung führt sehr gut vor Augen, was passieren kann, wenn die Buchführung nicht den gesetzlichen Vorgaben der §§ 140 ff. AO entspricht. Es kann zu einer Hinzuschätzung kommen, wobei das FG Münster dann anführt, welche Methoden der Schätzung in Betracht kommen. Hierbei verweist es unter Darstellung der Rechtsprechung des BFH darauf, dass die Finanzverwaltung stets die Schätzungsmethode anzuwenden hat, die dem wirklichen Ergebnis im Einzelfall nahe kommt.
Letztlich war das hier – und wird es in der Praxis oftmals sein – die Anwendung der amtlichen Tabellen zur Ermittlung des Rohgewinns. Wenn man sich diese ansieht, stellt man schnell fest, dass die Spannbreite der Margen recht groß ist, sodass das Finanzamt nicht nur darlegen muss, warum hier eine Schätzung zu erfolgen hat und warum diese Methode angewandt wurde, sondern auch, warum die berücksichtigte Marge zutreffend war.
Alles in allem ergeben sich damit einige Ansatzpunkte für einen Einspruch, natürlich vor allem dann, wenn das Finanzamt nicht sauber arbeitet. Ausgangspunkt für die Möglichkeit einer Schätzung ist aber immer, dass die Buchführung nicht ordnungsgemäß ist. Deshalb ist stets dafür Sorge zu tragen, dass diese den aktuellen Anforderungen des Gesetzes, der Finanzverwaltung und der Rechtsprechung entspricht.
So ist der Einsatz eines elektronischen Kassensystems, das eine so einfache Manipulation der Einträge ermöglicht, wie dies hier offenbar der Fall war, heute eigentlich nicht mehr vorstellbar. Zwar gilt nach wie vor, dass der Einsatz eines elektronischen Kassensystems nicht zwingend vorgeschrieben ist, wenn ein solches aber eingesetzt wird, muss es den Vorgaben entsprechen. Und wer ein solches System nicht einsetzt, der steht heutzutage zumindest in bestimmten Branchen – wie auch der Gastronomie – regelmäßig im Verdacht, etwas verheimlichen zu wollen. Ob dies richtig ist, sei einmal dahingestellt. Nur sollte man sich dann gerade um eine besondere Sorgfalt in den Aufzeichnungen bemühen.
Die Entscheidung ist rechtskräftig. Gründe für die Zulassung der Revision lagen nach Ansicht des FG nicht vor.
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