Grenzüberschreitendes Reihengeschäft in das Drittland

Bei einem Reihengeschäft ist nur die eine Lieferung eine umsatzsteuerfreie Ausfuhrlieferung, der der Warentransport in das Drittland zuzuordnen ist. Insoweit kommt es darauf an, wann und wo welchem Beteiligten die Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen, übertragen wurde.

Die Besitzübertragung allein ist nicht ausreichend. Ebenso können weder die Incoterms noch die zivilrechtlichen Vorgaben allein und unmittelbar maßgebend sein. Auch die Transportverantwortung ist nur ein weiteres zu berücksichtigendes Indiz. Das entschied das FG Düsseldorf.

Fall vor dem FG Düsseldorf 

Die Klägerin wurde von der in Großbritannien ansässigen B-Ltd. mit der Lieferung von Ersatzteilen für eine Maschine von Deutschland nach Peru beauftragt. Die B war zuvor von der Firma C aus den USA mit der Lieferung beauftragt worden. Deren Bestellung erfolgte für die Firma D aus Peru. Die Klägerin erteilte der B eine Rechnung ohne Umsatzsteuerausweis, da e sich um eine steuerfreie bewegte Ausfuhrlieferung nach § 6 UStG handele. Die USt-IdNr. der Abnehmerin B war genannt.

Warentransport ins Drittland 

Die Klägerin nahm Kontakt mit der deutschen Speditionsfirma E wegen des Warentransports auf dem Seeweg nach Peru auf. Zwar ist die Klägerin in der Auftragsbestätigung und im Ausgangvermerk der Speditionsfirma als Absender der Sendung und als Anmelder aufgeführt. Jedoch hat C die von der Speditionsfirma an C fakturierten Frachtkosten bezahlt und damit die Speditionsfirma mit dem Transport nach Peru beauftragt.   

Laut Klägerin sei die Befugnis, wie ein Eigentümer über einen Gegenstand zu verfügen, vereinbarungsgemäß mit vollständiger Kaufpreiszahlung an B übergegangen. Mangels Kenntnis der Vereinbarungen zwischen B und C ergebe sich aufgrund verbleibender Zweifel ein Vertrauensschutz für die Umsatzsteuerfreiheit der Lieferung der Klägerin.

Zuordnung der Warenversendung 

Nach Auffassung des Finanzamts sei die Versendung der Ware nur der Lieferung an C oder an den Abnehmer in Peru zuzuordnen, weil C aufgrund der Auftragserteilung an den Spediteur die Waren versendet und aufgrund der Frachtzahlerkonditionen mit B die Risiken bereits bei Beginn der Versendung auf C übergegangen seien. Daher sei die Lieferung der Klägerin an B als sog. „ruhende“ Lieferung in Deutschland steuerpflichtig.

Das Finanzamt hat die Lieferung der Klägerin zu Recht als steuerpflichtig behandelt. In Reihengeschäft kann nur eine Lieferung umsatzsteuerfrei sein.
Bei einem Reihengeschäft kann nur die Lieferung als umsatzsteuerfreie Ausfuhrlieferung behandelt werden, der der Warentransport in das Drittland zuzuordnen ist (§ 3 Abs. 6 Satz 5 2. HS UStG). Für die anderen sog. ruhenden (nicht warenbewegten) Lieferungen kommt eine steuerbefreite Ausfuhrlieferung nach § 6 UStG (mangels Ausfuhr) nicht in Betracht.

Verwaltungsauffassung derzeit zur Frage der Zuordnung der Warenbewegung

Für die Entscheidung, welcher der Lieferungen im Reihengeschäft der Warentransport zuzuordnen ist, stellt die Verwaltung auf die Transportverantwortung ab (vgl. Abschn. 3.14 Abs. 7 UStAE), die vorliegend bei C liegt, weil diese den Spediteur - wie nunmehr unstreitig ist - mit dem Transport der Maschinenteile von Deutschland nach Peru beauftragt hat. Da C zugleich Abnehmer in dem Reihengeschäft ist, ist nach Auffassung des Beklagten der Warentransport daher, nicht der Lieferung der Klägerin, sondern unter Berücksichtigung der Regelung in § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG nur der Lieferung von B an C oder von C an D zuzuordnen.

Rechtsprechung zur Frage der Zuordnung der Warenbewegung

Die Verwaltungsauffassung, die für die Zuordnungsentscheidung allein auf die Transportverantwortung abstellt, steht nach der neuen Rechtsprechung des XI. Senates des Bundesfinanzhofs (vgl. Urteile v. 25.2.2015, XI R 15/14, BFH/NV 2015 S. 772 und XI R 30/13, BFH/NV 2015 S. 769) im Widerspruch zum EU-Recht.

Nach EU-Recht komme es darauf an, wann und wo welchem Beteiligten die Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen, übertragen wurde. Dabei ist eine Gesamtwürdigung aller objektiven Umstände vorzunehmen. Die eigentümergleiche Verfügungsmacht erfordert, dass dem Erwerber die wirtschaftliche Substanz, Wert und Ertrag an dem betreffenden Gegenstand übertragen wird. Nach Auffassung des Finanzgerichts sei die Besitzübertragung allein nicht ausreichend. Ebenso können weder die Incoterms noch die zivilrechtlichen Vorgaben allein und unmittelbar maßgebend sein. Auch die Transportverantwortung sei – im Gegensatz zur Verwaltungsauffassung – nur als ein weiteres Indiz für die Zuordnungsentscheidung zu berücksichtigen.

Warenversendung kann steuerfrei sein 

Wird die ausführende Spedition - wie vorliegend – vom Zweiterwerber (hier C) mit der Versendung von Waren beauftragt, kann nach den o.g. Urteilen des XI. BFH-Senates – entgegen der o.g. Verwaltungsauffassung – die erste Lieferung im Reihengeschäft (hier der Klägerin) steuerfrei sein, wenn der Zweiterwerber die Verfügungsmacht der Waren erst erhalten hat, nachdem diese das Inland verlassen haben. Nach Auffassung des XI. BFH-Senates sei dies bei der Beförderung durch eine vom Zweiterwerber beauftragte Spedition zwar eher unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen (vgl. hierzu abweichende Kommentierung von Nieskens in UR 2018, 261 mit Anmerkungen zu dem EuGH-Urteil vom 21.2.2018, C-628/16 - Kreuzmayr).

Im Urteilsfall liegt jedoch die o.g. Ausnahme nicht vor. Trotz des Ausweises der Klägerin als Versender/Ausführer in dem Ausgangsvermerk der Zollbehörde hat nicht die Klägerin, sondern C die Spedition mit der Versendung der Maschinenteile nach Peru beauftragt. Die Klägerin wurde nur deshalb in den Zollpapieren als Versender aufgeführt, weil die C von den USA aus nicht in der Lage war, mit dem deutschen Spediteur die zollrechtlichen Formalien abzuwickeln. Da die Klägerin insoweit nur als "Hilfsperson" für die C fungierte, hat sie selbst die Versendung der Maschinenteile nicht veranlasst. Auch B als (direkter) Abnehmer der Klägerin hat die o.g. Versendung nicht veranlasst; vielmehr erfolgte die Versendung im Rahmen eines Reihengeschäftes auf Veranlassung des C als Abnehmers von B. Nach Überzeugung des Finanzgerichts wurde dem Zweiterwerber C die Verfügungsmacht bereits im Inland vom Ersterwerber B verschafft, welche zuvor die Befähigung, wie ein Eigentümer über die Maschinenteile zu verfügen, von der Klägerin als Erstlieferin erhalten hatte.

Revision beim BFH 

Gegen die Entscheidung des Finanzgerichts wurde Revision eingelegt (Az beim BFH XI R 18/18). Obwohl die Frage der Zuordnung der Warenbewegung im Reihengeschäft derzeit von Verwaltung und Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt wird, ergibt sich im Urteilsfall das gleiche Ergebnis (Steuerpflicht für die Klägerin). Daher ist es eher unwahrscheinlich, dass die Klägerin vor dem Bundesfinanzhof „Recht“ bekommt.

Es wäre erfreulich, wenn der XI-Senat des BFH sich der o.g. Verwaltungsauffassung anschließen würde, die für die Praxis einfacher und eindeutiger zu beurteilen ist. Damit ist jedoch nicht zu rechnen. Leider verzögert sich auch die seit längerem geplante Gesetzesänderung, da der Richtlinienvorschlag der EU-Kommission für eine Vereinfachungsregelung des Reihengeschäfts für sog „zuverlässige“ zertifizierte Steuerpflichtige abgewartet wird.

Die Umsatzsteuerfreiheit des Erstlieferers ist nur dann gewährt, wenn er selbst den Spediteur beauftragt und dessen Rechnung auf ihn lautet oder die Waren selbst befördert. Tut er das nicht, sollte er an seinen Abnehmer mit Umsatzsteuer fakturieren und dies seinem Abnehmer vor Auslieferung mitteilen. Ob ausländische Abnehmer dies akzeptieren, ist allerdings fraglich.

FG Düsseldorf, Urteil v. 4.5.2018, 1 K 2413/16 U, Haufe Index 11829126


Schlagworte zum Thema:  Reihengeschäft, Waren, Beförderung, Umsatzsteuer