Häusliches Arbeitszimmer und Aufgabegewinn

Hintergrund: Ermittlung des Aufgabegewinns bei einem häuslichen Arbeitszimmer
X gab Ende 2001 seine selbständige nebenberufliche Tätigkeit auf. Zum Betriebsvermögen gehörte bis dahin ein häusliches Arbeitszimmer. Da dieses Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit gebildet hatte, ließ das FA jährlich lediglich 2.400 DM der Aufwendungen (einschließlich der AfA) zum Betriebsausgabenabzug zu (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 1 EStG).
Das FA minderte für 2001 den Buchwert um die kumulierte AfA und berücksichtigte aus der Entnahme des Arbeitszimmers einen Veräußerungsgewinn. X ging dagegen unter Abzug der AfA von einem Aufgabeverlust aus. Das FG folgte dem FA und wies die Klage ab.
Entscheidung: Keine gewinnmindernde Berücksichtigung der AfA
Die beschränkte Abziehbarkeit der Aufwendungen während der beruflichen Tätigkeit beeinflusst weder den Buchwert im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe, noch kann die zuvor nicht abziehbare AfA auf andere Weise gewinnmindernd berücksichtigt werden.
Maßgeblichkeit des Buchwerts
Trotz der Abzugsbeschränkung (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG) ist der Buchwert für die Ermittlung des Aufgabegewinns maßgebend.
Dem steht nicht entgegen, dass zu den nur beschränkt abziehbaren Aufwendungen auch die AfA gehörte. Der BFH verweist dazu auf die Rechtsprechung, nach der für die Berechnung des Gewinns aus der Veräußerung oder Entnahme eines vom Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 EStG betroffenen Wirtschaftsguts der Buchwert zugrunde zu legen ist, der sich unter Berücksichtigung der nicht abziehbaren AfA ergibt (BFH v. 25.3.2015, X R 14/12, BFH/NV 2015, 973, Rz 16, zu unangemessenem Repräsentationsaufwand i.S.v., § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG).
§ 4 Abs. 5 Satz 1 EStG begrenzt zwar die abziehbaren Betriebsausgaben, setzt aber nicht die übrigen Regeln der Bewertung und Abschreibung für die betroffenen Wirtschaftsgüter außer Kraft (BFH v. 12.12.1973, VIII R 40/69, BStBl II 1974, 207). Die nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben werden bei einem nur teilweisen Abzugsverbot wie im Streitfall im Rahmen der Gewinnermittlung (hier nach § 4 Abs. 3 EStG) zunächst in voller Höhe als Betriebsausgaben erfasst – wodurch sich der Buchwert des Arbeitszimmers um den vollen AfA-Betrag vermindert – und bei der Ermittlung des Jahresergebnisses dem Gewinn wieder hinzugerechnet.
Berücksichtigung der Abzugsbeschränkung auch bei der Veräußerung
Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung sind die "Gewinnrealisierungstatbestände" nicht zum Zweck der gewinnmindernden Berücksichtigung der während der laufenden betrieblichen Tätigkeit zum Teil nicht abziehbaren AfA teleologisch zu reduzieren (BFH v. 25.3.2015, X R 14/12, BFH/NV 2015, 973, Rz 22 a. E.). Dieses Ergebnis ist nicht sinnwidrig, sondern entspricht der ausdrücklichen Anordnung des § 4 Abs. 5 Satz 1 EStG. Denn die Abzugsbeschränkung gilt nicht nur für die Ermittlung des laufenden Gewinns, sondern auch bei der Ermittlung eines Veräußerungs-, Aufgabe- bzw. Entnahmegewinns und wirkt sich damit im Totalgewinn aus. Anderenfalls würde das, was gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 EStG ausgeschlossen ist, bei der Veräußerung, Entnahme oder Aufgabe geschehen. Die Aufwendungen würden den Gewinn mindern und damit das Abzugsverbot rückgängig machen (BFH v. 25.3.2015, X R 14/12, BFH/NV 2015, 973, Rz 21).
Keine verfassungsrechtlichen Bedenken
Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit liegt nicht vor. Aus dem objektiven Nettoprinzip kann nicht geschlossen werden, dass die nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG nicht abziehbaren AfA-Beträge im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe, der Veräußerung oder der Entnahme des Wirtschaftsguts gewinnmindernd berücksichtigt werden müssten. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG enthält eine Ausnahme vom objektiven Nettoprinzip, die nicht gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verstößt (BFH v. 27.7.2015, GrS 1/14, BStBl II 2016, 265, Rz 78). Die verfassungsrechtlich zulässige Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs für das häusliche Arbeitszimmer beim laufenden Gewinn wird im Rahmen der Gewinnrealisierungstatbestände nicht weiter vertieft, sondern lediglich nicht wieder rückgängig gemacht.
Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ergibt sich schließlich auch nicht aus einer Ungleichbehandlung im Vergleich zu Steuerpflichtigen, die ein häusliches Arbeitszimmer zur Erzielung von Überschusseinkünften genutzt haben. Die durch den Dualismus der Einkunftsarten bedingte unterschiedliche Erfassung von Wertsteigerungen im Betriebs- und Privatvermögen ist mit dem Gleichheitssatz vereinbar (BFH v. 6.4.2016, I R 61/14, BStBl II 2017, 48, Rz 22).
Hinweis: Keine Doppelbesteuerung und kein Scheingewinn
Durch die Berücksichtigung nur des Buchwerts des von der Abzugsbeschränkung betroffenen Wirtschaftsguts bei der Ermittlung des Aufgabegewinns wird der Steuerpflichtige nicht "doppelt bestraft". Das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 EStG wird lediglich einmal bei der Ermittlung des laufenden Gewinns angewandt. Im Rahmen des Aufgabegewinns greift es nicht erneut, sondern es wird lediglich nicht rückgängig gemacht.
Hierdurch kommt es auch nicht zur Besteuerung eines "Scheingewinns". Denn dem Steuerpflichtigen wird im Rahmen der Aufgabe kein Veräußerungserlös oder Entnahmewert zugerechnet, den er tatsächlich nicht erlangt hat, sondern es wird lediglich der Betriebsausgabenabzug im Rahmen der Ermittlung des laufenden Gewinns durch eine typisierende Höchstgrenze mit Wirkung für den Totalgewinn beschränkt.
BFH Urteil vom 16.06.2020 - VIII R 15/17 (veröffentlicht am 22.10.2020)
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