Hinzuschätzung von Umsätzen durch Sicherheitszuschlag
Hinzuschätzung nach einer Betriebsprüfung
Gestritten wurde über die Hinzuschätzung von Umsätzen sowie die (Nicht-)Anerkennung von Vorsteuerbeträgen. Die Klägerin ist Unternehmerin und betrieb in den Streitjahren im eigenen Wohnhaus einen Restaurationsbetrieb. Zusätzlich erzielte sie umsatzsteuerpflichtige Einnahmen aus einer Photovoltaikanlage. Ihr Ehemann war in den Streitjahren freiberuflich als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in einer Sozietät tätig. Für die Jahre 2012 und 2013 gab die Klägerin Umsatzsteuererklärungen erst nach einer Schätzung durch das Finanzamt ab. Für 2012 bis 2014 beanstandete die Betriebsprüfung die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung in Bezug auf deren Tätigkeit als Restauratorin. Für das Streitjahr 2013 nahm das Finanzamt unter Hinweis auf fehlende Buchführungsdaten und Belege eine Hinzuschätzung in Form eines Sicherheitszuschlags von 20 % der erklärten Netto-Betriebseinnahmen aus der Restaurationstätigkeit vor. Weiterhin wurden Vorsteuerbeträge aus Mobilfunkkosten sowie für die (weitere) Tätigkeit der Klägerin als Spielerberaterin im Jahr 2013 mangels vorliegender Rechnungen nicht anerkannt.
Sicherheitszuschlag als Hinzuschätzungsmethode
Die Klage hatte teilweise Erfolg. Der Einzelrichter konnte trotz des Ausbleibens der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden. Bei einzelnen Vorsteuerbeträgen blieb unklar, ob diese überhaupt angefallen sind bzw. für welchen Zweck diese bezogen wurden. Diese wurden vom Finanzgericht auch nicht anerkannt.
Die Hinzuschätzung durch einen 20%igen (Un-)Sicherheitszuschlag hielt das Gericht grundsätzlich für eine geeignete Hinzuschätzungsmethode. Allerdings hält es einen Sicherheitszuschlag in Höhe von lediglich 5 % für angemessen. Dabei hat sich der Einzelrichter durch folgende Erwägungen leiten lassen: Offenbar konnte nachgewiesen werden, dass lediglich einzelne Rechnungen nicht erfasst wurden und dass die vorgelegten Kontoauszüge zumindest weitgehend vollständig waren. Wegen der Art des Gewerbes und der Art der Kunden (ganz überwiegend Geschäftskunden) ging der Richter deshalb in Bezug auf mögliche Barumsätze auch nur von Einzelfällen aus. Auch der Zeitraum, für den die Kontoauszüge fehlten, war sehr kurz, sodass nicht von erheblichen fehlenden unbaren Umsätzen auszugehen war.
Darüber hinaus hat das Finanzamt zu Unrecht den Vorsteuerabzug für die Mobilfunkkosten in voller Höhe versagt. Zwar hat die Klägerin keine Eingangsrechnungen mit Umsatzsteuerausweis vorgelegt. Allerdings verweist eine vorgelegte Übersicht auf die jeweilige Rechnung mit den entsprechenden Rechnungsnummern. Aus dieser geht auch hervor, dass die Rechnungen bezahlt worden sind. Aufgrund der Größe des Mobilfunkanbieters (O2/Telefonica) und des automatischen Massenverfahrens der Rechnungserstellung geht der Richter grundsätzlich davon aus, dass die Mehrwertsteuer in den Rechnungen zutreffend in Höhe von 19 % ausgewiesen worden ist. Er hat auch keine Zweifel daran, dass O2/Telefonica die Umsatzsteuer gezahlt/abgeführt hat. Ebenso bestehen nach Auffassung des Einzelrichters keine Zweifel daran, dass die Nutzung des Telefons teilweise unternehmerisch veranlasst ist. Demzufolge wurde der Vorsteuerabzug aus den Mobilfunkkosten in Höhe von 50 % zugelassen.
Erklärungsverhalten kann das Finanzamt aufmerksam machen
Offenbar nahm es die Steuerpflichtige schon bei der Erklärungsabgabe mit ihren Verpflichtungen nicht allzu genau. Bereits ein solches Erklärungsverhalten führt rein praktisch regelmäßig dazu, dass die zuständige Finanzbehörde besonders „aufmerksam“ wird. Treten dann noch Buchführungsmängel und fehlende Unterlagen bei einer Betriebsprüfung zutage, bleiben Hinzuschätzungen nicht aus.
EuGH zur Vorlage von Rechnungen
Das Finanzgericht verwies u. a. auf das Urteil des EuGH Urteil vom 21.11.2018 - C-664/16, wonach die strikte Anwendung des formellen Erfordernisses, Rechnungen vorzulegen, gegen die Grundsätze der Neutralität und der Verhältnismäßigkeit verstoße, weil dadurch dem Steuerpflichtigen auf unverhältnismäßige Weise die steuerliche Neutralität seiner Umsätze verwehrt würde.
Gleichwohl muss aber ein Unternehmer, der den Vorsteuerabzug vornehmen möchte, nachweisen, dass die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. Er muss also durch objektive Nachweise belegen, dass ihm andere Unternehmer auf einer vorausgehenden Umsatzstufe tatsächlich Gegenstände oder Dienstleistungen geliefert bzw. erbracht haben, die seinen der Mehrwertsteuer unterliegenden Umsätzen dienten und für die er die Mehrwertsteuer tatsächlich entrichtet hat (vgl. EuGH Urteil vom 21.11.2018 - C-664/16).
Auch in seiner jüngsten Rechtsprechung hat der BFH allerdings die besondere Bedeutung einer Rechnung für den Vorsteuerabzug nochmals ausdrücklich betont (BFH Urteil vom 12.03.2020 - V R 48/17). Die Rechtsprechung des EuGH sollte deshalb nicht dazu verleiten, die formellen Pflichten auf die leichte Schulter zu nehmen.
FG Münster Urteil vom 25.02.2020 - 5 K 2066/18 U
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