Kein Pflege-Pauschbetrag für den amtlich bestellten Betreuer
Hintergrund: Erbringung von Pflegeleistungen zusätzlich zu der Betreuung
X ist seit 2013 zum Betreuer des in einem Pflegeheim wohnenden H (Jahrgang 1946; Grad der Behinderung 100; Merkmal "H") bestellt. Er erhielt für 2013 als ehrenamtlicher Betreuer eine Aufwandsentschädigung (798 EUR). Die von X im Hinblick auf von ihm durchgeführte Pflegemaßnahmen (Bewegungsübungen, Fahrten zu Ärzten usw.) beantragte Gewährung des Pflege-Pauschbetrags nach § 33b Abs. 6 EStG (924 EUR) lehnte das FA ab. Dem folgte das FG und wies die Klage mit der Begründung ab, der erhaltene Aufwandsersatz stehe als "Einnahmen" i.S. von § 33b Abs. 6 Satz 1 EStG dem Pflege-Pauschbetrag entgegen.
Entscheidung: Die Aufwandsentschädigung ist zwar keine "Einnahme", es fehlt jedoch an der Zwangsläufigkeit
Dem Pflege-Pauschbetrag entgegen stehende "Einnahmen" i.S. von § 33b Abs. 6 Satz 1 EStG sind grundsätzlich sämtliche der Pflegeperson im Zusammenhang mit der Pflege zufließende Einnahmen, sei es als Pflegevergütung, sei es als Ersatz für eigene Aufwendungen der Pflegeperson. Die "Pflege" besteht in der Hilfeleistung bei Verrichtungen des täglichen Lebens, bei denen der Pflegebedürftige der Hilfe bedarf (Körperpflege, Ernährung, Mobilität, hauswirtschaftlichen Versorgung).
Unterschied zwischen Pflege und Betreuung
Im Unterschied zur Pflege besteht die "Betreuung" i.S. der §§ 1896 ff. BGB nicht in der tatsächlichen Hilfe, sondern im Beistand in Form von Rechtsfürsorge (§ 1902 BGB). Maßnahmen, die die rechtliche Interessenwahrnehmung überschreiten, gehören nicht zum Aufgabenkreis eines Betreuers. Dieser hat im Rahmen der ihm übertragenen Aufgabenkreise tatsächliche Hilfen lediglich zu organisieren. Die Gesundheitssorge umfasst danach z.B. die Einleitung ärztlicher Maßnahmen und die Erteilung von Zustimmungen dazu, nicht jedoch die tatsächliche Durchführung von pflegerischen Maßnahmen, sondern allenfalls deren Organisation.
Die Betreuungs-Aufwandsentschädigung ist keine Einnahme i.S. des § 33b Abs. 6 Satz 1 EStG
Für die Betreuung gilt der Grundsatz der Unentgeltlichkeit. Der ehrenamtliche Betreuer kann lediglich Aufwendungsersatz (§ 1835 BGB) oder - wie im Streitfall - eine pauschale Aufwandsentschädigung nach § 1835a BGB verlangen (§ 1908i Abs. 1 BGB). Damit ist die pauschale Betreuungs-Aufwandsentschädigung – entgegen der Auffassung des FG - keine Einnahme für vom Betreuer tatsächlich durchgeführte Pflegemaßnahmen. Denn die Betreuung nach §§ 1896 ff. BGB unterscheidet sich grundlegend von der Pflege i.S. des § 33b Abs. 6 EStG. X hat daher keine Einnahmen für die Pflege erhalten, durch die die Geltendmachung des Pflege-Pauschbetrags ausgeschlossen wäre.
Zwangsläufigkeit der Pflegemaßnahmen ist nicht gegeben
Obwohl somit X keine für die Gewährung des Pflege-Pauschbetrags schädlichen Einnahmen i.S. von § 33b Abs. 6 Satz 1 EStG erhalten hat, wurde die Revision gleichwohl zurückgewiesen. Denn der Pflege-Pauschbetrags setzt eine Zwangsläufigkeit zur Erbringung der Pflegeleistungen voraus und zwar eine Zwangsläufigkeit aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen i.S. von § 33 Abs. 2 EStG. Das liegt vor, wenn diese Gründe von außen so auf die Entscheidung des Steuerpflichtigen einwirken, dass er ihnen nicht ausweichen kann.
Keine rechtliche Verpflichtung zu Pflegeleistungen
Aus der Stellung als Betreuer ergibt sich keine rechtliche Verpflichtung zur Pflege. Denn Betreuung ist nicht tatsächliche Hilfe, sondern Beistand in Form von Rechtsfürsorge. Auch wenn der Betreuer den Betreuten im Rahmen des ihm übertragenen Aufgabenkreises auch persönlich zu betreuen hat (§ 1897 Abs. 1 BGB), beschränkt sich das – wegen des grundlegenden Unterschieds zwischen Betreuung und Pflege - auf die Rechtsfürsorge, d.h. ohne Verpflichtung zu tatsächlichen Pflegeleistungen.
Auch keine sittliche Verpflichtung
Für den Pflege-Pauschbetrag stellt der BFH zwar geringere Anforderungen an eine sittliche Verpflichtung als bei § 33 Abs. 2 EStG. Im Rahmen des § 33b Abs. 6 EStG erkennt er eine sittliche Verpflichtung zur Pflege bereits unter der Voraussetzung an, dass eine enge persönliche Beziehung zu der gepflegten Person besteht (BFH Urteil vom 29.08.1996 - III R 4/95, BStBl 1997 II S. 199). Dem vom FG festgestellten Sachverhalt (§ 118 Abs. 2 FGO) ist jedoch nicht zu entnehmen, dass im Streitjahr enge persönliche Beziehungen zwischen X und H bestanden.
Hinweis: Nachbarschaftshilfe kann begünstigt sein
Was unter einer "engen persönlichen Beziehung", die zur Anerkennung einer sittlichen Verpflichtung zur Pflege im Rahmen des § 33b EStG führen kann, ist bisher wenig konturiert. Im Schrifttum wird dies z.B. für Fälle der Nachbarschaftshilfe bejaht (auch OFD Hannover, Verfügung v. 15.5.1998, S 2286-82-StO 213).
BFH Urteil vom 04.09.2019 - VI R 52/17 (veröffentlicht am 12.12.2019)
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