Hintergrund
A ist als selbstständige Lebensberaterin gewerblich tätig. Sie übt ihre Tätigkeit ausschließlich in einem Zimmer ihrer Mietwohnung aus, in dem sie Kunden telefonisch berät und astrologische Berechnungen durchführt. Das FA berücksichtigte die Aufwendungen für dieses Zimmer entsprechend dessen Flächenanteils an der gesamten Wohnung als Betriebsausgaben.
Mit der Klage machte A außerdem die Hälfte der auf Küche, Bad und Flur (25 qm) entfallenden Kosten geltend. Das FG wies die Klage mit dem Hinweis ab, bei diesen Nebenräumen handele es sich nicht um Arbeitszimmer und für einen anteiligen Abzug fehle es an einem verlässlichen Aufteilungsmaßstab.
Das von A eingeleitete Revisionsverfahren ruhte zunächst wegen des beim Großen Senat des BFH anhängigen Verfahrens GrS 1/14. Über dieses Verfahren hat der BFH inzwischen entschieden (BFH, Urteil v. 27.7.2015, GrS 1/14, sog. Arbeitsecken-Entscheidung). Damit konnte das Verfahren im Streitfall fortgesetzt werden.
Entscheidung
Der BFH lehnt mit dem FG die Berücksichtigung der anteiligen Kosten für Küche, Bad und Flur ab, da A diese Räume auch zu einem nicht unerheblichen Teil privat nutzt. Das gilt unabhängig davon, ob diese Räume als unselbständige Nebenräume der Wohnung oder von vornherein für sich zu betrachten sind. In beiden Fällen fehlt es an der Voraussetzung (nahezu) ausschließlicher betrieblicher Nutzung. Selbst bei einer Einstufung als Nebenraum (auch) zu dem Arbeitszimmer könnte auf die Nutzungsvoraussetzung nicht verzichtet werden. Denn ob der Nutzungsvoraussetzung genügt ist, ist für jeden abgeschlossenen Raum individuell zu entscheiden. Das hat der Große Senat in seinem Beschluss zur Arbeitsecke verdeutlicht. Danach ist ein abgeschlossener Raum die maßgebliche Einheit, deren Nutzungsverhältnisse zu beurteilen sind (BFH, Urteil v. 27.7.2015, GrS 1/14).
Im Übrigen wäre A bei einer Einbeziehung der Nebenräume in die (einheitliche) Betrachtung sogar schlechter gestellt. Denn wenn das Arbeitszimmer mit den Nebenräumen als einheitlicher Raumkomplex angesehen würde, wäre die unzweifelhafte nicht unerhebliche private Mitnutzung der Nebenräume für den gesamten Raumkomplex schädlich. Das Arbeitszimmer würde dadurch "infiziert". Der BFH ließ daher offen, inwieweit die Nutzung dieser Nebenräume, insbesondere der Küche, neben einem häuslichen Arbeitszimmer überhaupt einen ausreichenden betrieblichen oder beruflichen Bezug haben kann, ob nicht vielmehr das Aufsuchen der Küche zur Mittags- oder Kaffeepause den Zusammenhang zur betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit unterbricht und stets als privat zu bewerten ist.
Hinweis
Der BFH lässt auch offen, inwieweit Renovierungs- und Umbaukosten, die sich auf derartige Nebenräume beziehen, ihrerseits Eingang in die allgemeinen Wohnungskosten finden und so mittelbar die zu berücksichtigenden Aufwendungen des häuslichen Arbeitszimmers erhöhen können. Das wurde vom FG Münster bejaht (Urteil v. 18.3.2015, 11 K 829/14 E). Die dagegen eingelegte Revision ist unter dem Az. VIII R 16/15 anhängig.
Ergänzend weist der BFH darauf hin, dass entsprechende Nebenräume in einem gesondert angemieteten Bürotrakt steuerlich zu berücksichtigen wären. Aufgrund der räumlichen Trennung von der eigenen Wohnung werden solche Räume tatsächlich ausschließlich betrieblich/beruflich genutzt. Fraglich könnte sein, ob das auch zu gelten hat, wenn z. B. ein Arbeitszimmer in einer abgetrennten Einliegerwohnung eingerichtet wird.
Schließlich stellt der BFH klar, dass er nicht von den Grundsätzen zur teilweisen Anerkennung von Reisekosten abweicht. Diese Rechtsprechung betrifft Aufwendungen, die dem Grunde nach aufteilbar sind (BFH v. 24.2.2011, VI R 12/10, zu doppelmotivierten Reisekosten im Anschluss an die "Las Vegas-Entscheidung" v. 21.9.2009, GrS 1/06). Für das häusliche Arbeitszimmer lehnt der BFH jedoch im Hinblick auf die Sonderregelung in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG und deren besonderen Zweck, "Gestaltungsmöglichkeiten zu unterbinden und den Verwaltungsvollzug zu erleichtern" bei gemischter Nutzung eine Aufteilung ab. Er sieht insoweit eine mögliche Durchbrechung des Nettoprinzips als gerechtfertigt an.
BFH, Urteil v. 17.2.2016, X R 26/13, veröffentlicht am 15.6.2016
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