Erleichterter Nachweis der medizinischen Notwendigkeit eines Treppenlifts
Hintergrund
Zu entscheiden war, ob die Aufwendungen für den Einbau eines Treppenlifts als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind.
Die Eheleute X ließen sich in 2005 einen Treppenlift in ihr selbst genutztes Einfamilienhaus einbauen. Die Kosten von rund 19.000 EUR machten sie unter Hinweis auf ein Attest ihres Hausarztes in ihrer ESt-Erklärung 2005 vergeblich als außergewöhnliche Belastung geltend. Das FA und das FG versagten den Abzug, da die medizinische Notwendigkeit nicht durch ein zuvor erstelltes amtsärztliches Attest nachgewiesen worden sei. Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Der BFH änderte in diesem Urteil seine bisherige Rechtsprechung und gab das Erfordernis der vorherigen amts- oder vertrauensärztlichen Begutachtung auf (BFH-Urteil v. 11.11.2010, VI R 17/09, BStBl II 2011, 969).
Im zweiten Rechtsgang wies das FG die Klage erneut ab. Es verwies auf die inzwischen geänderte Rechtslage, die der Gesetzgeber als Reaktion auf die Rechtsprechungsänderung in dem vorgenannten BFH-Urteil rückwirkend herbeigeführt hat. Danach ist u.a. bei medizinischen Hilfsmitteln, die als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens i.S.v. § 33 Abs. 1 SGB V anzusehen sind, ein vor Beginn der Maßnahme oder dem Erwerb ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine entsprechende Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vorzulegen. Damit wurde die Rechtslage, wie sie vor der Rechtsprechungsänderung bestand, grundsätzlich wieder hergestellt (§ 64 EStDV in der Fassung durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011). Das FG meinte, bei einem Treppenlift handele es sich um ein als allgemeiner Gebrauchsgegenstand anzusehendes medizinisches Hilfsmittel, für das nach der Neuregelung - ebenso wie schon nach der früheren Rechtslage - ein vorheriges amtliches Attest unerlässlich sei.
Entscheidung
Entgegen der Auffassung des FG beurteilt der BFH einen Treppenlift nicht als ein medizinisches Hilfsmittel, das als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen ist. Damit greift § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStDV n.F. nicht ein mit der Folge, dass die medizinische Notwendigkeit für den Einbau nicht formalisiert durch ein vorheriges amtsärztliches Attest bzw. eine Bescheinigung des MDK nachzuweisen ist. Denn ein Treppenlift ist kein Hilfsmittel im Sinne der Legaldefinition des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStDV, der auf § 33 Abs. 1 SGB V verweist. Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens in diesem Sinne sind nur solche technischen Hilfen, die getragen oder mit sich geführt werden können, um sich im jeweiligen Umfeld zu bewegen, zurechtzufinden und die elementaren Grundbedürfnisse des täglichen Lebens zu befriedigen. Dazu gehört ein Treppenlift nicht.
Angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift besteht daher für den Treppenlift kein formalisiertes Nachweiserfordernis. Eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung ist weder nach der Entstehungsgeschichte noch nach dem Sinn und Zweck der Norm geboten. Vielmehr spricht das Anliegen des Gesetzgebers, durch die Neuregelung Rechtssicherheit zu schaffen, für eine wortgetreue Auslegung.
Es bleibt für den Einbau eines Treppenlifts somit bei den allgemeinen Beweisregeln. Der Fall musste daher zum zweiten Mal an das FG zurückverwiesen werden. Das FG hat die medizinische Notwendigkeit nunmehr nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung aufzuklären. Dazu verweist der BFH allerdings auf seine Rechtsprechung, dass ein von einem Beteiligten vorgelegtes Gutachten lediglich als Privatgutachten zu werden ist und nicht als Nachweis gewertet werden kann. Das FG wird daher ggf. von Amts wegen ein Gutachten erheben müssen.
Hinweis
Der formalisierte Nachweis betraf nach der früheren Rechtsprechung alle Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist. Dieses formalisierte Nachweiserfordernis ist mit der oben zitierten Rechtsprechungsänderung (Urteil v. 11.11.2010, VI R 17/09, BStBl II 2011, 969) allgemein aufgegeben worden. Mit der Neuregelung durch § 64 EStDV n.F. wurde der formalisierte Nachweis wieder eingeführt, aber nur in den in dieser Vorschrift ausdrücklich geregelten Fällen. Er gilt daher - da nicht unter § 64 EStDV fallend - nicht für einen Lifteinbau und auch nicht für z.B. behinderungsbedingte Baukosten, Asbestsanierung, Neuanschaffung von Mobiliar usw.
Auch wenn der BFH für diese Fälle auf die allgemeinen Beweisregeln verweist, hebt er doch hervor, dass ein Privatgutachten grundsätzlich nicht als Nachweis gewertet werden kann. Es bleibt daher für die Praxis dabei, dass es nach wie vor ratsam ist, in allen Fällen, in denen die Abgrenzung zu den allgemeinen Lebenshaltungskosten schwer zu beurteilen ist, ein vorheriges amtsärztliches Attest bzw. eine Bescheinigung des MDK einzuholen.
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