Unternehmen dürfen hoffen
Die derzeitige Regelung führt bei den meisten Unternehmen zu erheblichen Steuernachteilen. Denn da sie steuerbilanzielle Pensionsrückstellungen mit einem festen Satz von 6 % abzinsen müssen, fallen diese verhältnismäßig niedrig aus. Besonders deutlich wird dies im Vergleich zu den Rückstellungen, die für die handelsrechtliche Rechnungslegung zu Grunde zu legen sind: Ende 2017 betrugen die Abzinsungssätze hier 3,68 % (2,8 % für die Bemessung des ausschüttungsfähigen Gewinns). Nach IFRS sind sie mit 0,4 bis 2,2 % noch niedriger. Im Ergebnis sind die so ermittelten handelsrechtlichen Rückstellungen oft doppelt so hoch wie die steuerbilanziellen Rückstellungen. Unternehmen können ihren Pensionsaufwand also nicht periodengerecht steuerlich geltend machen, sondern erst Jahre oder gar Jahrzehnte später.
Lange Laufzeit verschärft Problem
Auch wenn der Abzinsungssatz für alle Unternehmen gleich ist, so kann er sich doch unterschiedlich stark auswirken. Ein wichtiger Faktor ist naturgemäß die Laufzeit: Gerade bei jüngeren Mitarbeitern ist der Unterschied zwischen steuerbilanzieller und handelsrechtlicher Pensionsrückstellung deshalb hoch. Für Unternehmen ist es somit besonders unattraktiv, jungen Mitarbeitern eine Pension zuzusagen.
Das Niedrigzinsumfeld verschärft das Problem gerade bei Pensionszusagen, die durch eine Versicherung rückgedeckt sind. Denn während der Höchstrechnungszins für neue Lebensversicherungsverträge bei 0,9 Prozent liegt, bleibt es für die Rückstellung bei dem 6 %igen Satz. Dadurch steigt regelmäßig das zu versteuernde Einkommen des Unternehmens – schließlich gilt der hohe Zins nur für die Verpflichtung, nicht aber für die Vermögensseite. Unter betriebswirtschaftlichen Aspekten mag eine solche Zusage also sinnvoll sein – steuerlich führt sie zu einer Mehrbelastung, die sich im Falle einer Rentenzusage erst beim Tod des begünstigten Mitarbeiters wieder neutralisiert.
Nachteile im internationalen Vergleich
Auch ein Vergleich mit anderen Ländern zeigt, dass die Regelung nachteilig sein kann. Zwar ist in sehr vielen – auch in europäischen - Staaten (z. B. Niederlande, Frankreich, Großbritannien) eine Unterlegung der Pensionszusage mit Vermögensmitteln (sog. Funding) Pflicht. Ganz generell führt dann aber die Dotierung regelmäßig zum sofortigen Betriebsausgabenabzug. Anders als in Deutschland stimmen dann Zahlungsstrom und Besteuerung überein. Gerade Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, könnten somit abgehalten werden, neuen Mitarbeitern eine Direktzusage zu erteilen.
Das wäre ärgerlich. Schließlich ist die Direktzusage eine flexible und hoch effiziente Altersversorgung, die nicht vom Abschluss von Versicherungsverträgen abhängt. Vertriebs- und Verwaltungskosten sowie Sicherheitszuschläge (z. B. für Langlebigkeit) belasten die Rentenhöhe meist nicht. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, warum der Gesetzgeber gerade bei diesem Versorgungsinstrument die steuerlichen Nachteile bislang nicht behoben hat.
Bundesverfassungsgericht hat mehrere Optionen
Wie die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Verfahren 2 BvL 22/17, Vorinstanz FG Köln, Beschluss v. 12.10.2017, 10 K 977/17, Haufe Index 11394995) ausfällt, ist schwer einzuschätzen - das Spektrum möglicher Entscheidungen ist breit. So könnten die Richter die Regelung rückwirkend als verfassungswidrig einstufen oder den Gesetzgeber lediglich per "Prüftauftrag" verpflichten, den Diskontierungszins zu beobachten und ggf. für die Zukunft anzupassen. Weiterhin könnte das Gericht den 6 %-Satz auch mit Verweis auf die fiskalische Gestaltungsfreiheit explizit und dauerhaft erlauben.
Bisherige Regelung basiert auf Zinsen von 1981
In diesem Zusammenhang ist ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1984 lesenswert (Beschluss v. 28.11.1984, 1 BvR 1157/82, Haufe Index 1179084). Darin billigten die Richter die Anhebung des Rechnungszinses auf 6 % durch das 2. Haushaltsstrukturgesetz 1982 und verwiesen auf den wirtschaftlich angemessenen Rahmen. Maßstab dieser Prüfung war das Zinsumfeld des Jahres 1981, und seinerzeit waren am Kapitalmarkt sogar mehr als 6 % erzielbar.
Im 1984er-Beschluss stellte das Bundesverfassungsgericht aber zugleich klar, dass der Gesetzgeber die Regelung überprüfen soll, wenn es zu einschneidenden Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse kommt. Ohne Zweifel hat sich das Zinsumfeld seit 1981 erheblich verändert, während eine Anpassung des Diskontzinses auf sich warten lässt. Mit Blick auf diese Entscheidung wird es wahrscheinlicher, dass das Gericht für eine Gesetzänderung votiert.
Unternehmen sollten handeln
Doch selbst wenn das Bundesverfassungsgericht den Zinssatz als verfassungswidrig einstuft, ist damit nicht automatisch eine Entlastung für Unternehmen verbunden. Denn Steuerbescheide der Vergangenheit (im Urteilsfall für 2015) korrigiert das Finanzamt selbst bei festgestellter Verfassungswidrigkeit nur, wenn der Steuerpflichtige sie verfahrensrechtlich "offen" gehalten hat. Immerhin: Gerade bei großen Unternehmen erlässt das Finanzamt Steuerbescheide meist unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) oder vorläufig (§ 165 AO) - auch um effektive Betriebsprüfungen zu ermöglichen.
Allerdings fällt ein Vorbehalt der Nachprüfung regelmäßig nach 4 Jahren weg. Der Steuerbescheid ist dann nicht mehr änderbar - es sei denn, Unternehmen halten ihn selbst mittels Einspruch offen. Der Steuerberater sollte deshalb unbedingt eingebunden werden, auch um formale Fehler zu vermeiden.
Das gilt natürlich erst recht für kleinere Unternehmen, die nicht regelmäßig von Betriebsprüfungen betroffen sind und häufig Steuerbescheide ohne Nachprüfungsvorbehalt bekommen. Sie müssen dann sofort handeln und binnen 4 Wochen Einspruch einlegen.
Dies ist vor dem Blick längerer Verfahrensdauern besonders wichtig: Bis zu einer Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht können mehrere Jahre vergehen. Die komplexen verfahrensrechtlichen Regeln können das Verfahren weiter verzögern.
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MfG, Frank Holst, Haufe Online-Redaktion