Vom Mieter mutwillig verursachte Schäden nach dem Erwerb einer Wohnung
Hintergrund: Nach dem Erwerb verursachte Schäden an vermieteter Wohnung
Streitig war, ob Aufwendungen zur Beseitigung von Schäden, die erst nach dem Erwerb einer Eigentumswohnung verursacht wurden, als sofort abziehbare Werbungskosten oder als anschaffungsnahe Herstellungskosten zu behandeln sind.
A erwarb in 2007 für rund 104.000 EUR eine vermietete Wohnung, die sich im Zeitpunkt des Übergangs von Nutzen und Lasten in einem betriebsbereiten und mangelfreien Zustand befand. A setzte das bestehende Mietverhältnis zunächst fort. In 2008 kündigte er. Bei Rückgabe der Wohnung ergab sich, dass die Mieterin jüngst erhebliche Schäden verursacht hatte (eingeschlagene Scheiben, Schimmel, zerstörte Bodenfliesen). Mangels Zahlungsfähigkeit konnte A gegen die Mieterin keine Ersatzansprüche durchsetzen.
A machte für 2008 rund 17.000 EUR (netto) für die Beseitigung der Schäden als sofort abziehbaren Erhaltungsaufwand geltend. Das FA meinte, es handele sich um anschaffungsnahe Herstellungskosten i. S. v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG, da die Kosten 15 % der Anschaffungskosten (104.101 EUR x 15 % = 15.615 EUR) überschritten. Das FG gab der Klage mit der Begründung statt, nachträglich eingetretene Schäden würden von der Regelung nicht erfasst.
Entscheidung: Weite Auslegung des Begriffs der anschaffungsnahen HK
Zu den Herstellungskosten eines Gebäudes gehören auch Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen (ohne USt) 15 % der Anschaffungskosten übersteigen (anschaffungsnahe Herstellungskosten, § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG). Dazu zählen sämtliche Aufwendungen für Instandsetzung und Modernisierung im Zusammenhang mit der Anschaffung. Davon werden grundsätzlich auch die sog. Schönheitsreparaturen umfasst (Tapezieren, Streichen usw.; BFH, Urteil v. 14.6.2016, IX R 25/14, BStBl II 2016, 992). Nicht dazu gehören nach Satz 2 ausdrücklich nur Aufwendungen für Erweiterungen (i. S. v. § 255 Abs. 2 HGB) und für jährlich übliche Erhaltungsarbeiten.
Für diese (weite) Auslegung spricht zum einen, dass der Gesetzgeber den Begriff der Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen umfassend verstehen wollte, um schwierige Abgrenzungen von Erhaltungsaufwendungen und Herstellungskosten (Kosten zur Herstellung der Betriebsbereitschaft) zu vermeiden. Zum anderen spricht für diese weite Auslegung der Gesetzeszweck, die bis zur Rechtsprechungsänderung in 2001 bestehende frühere Rechtslage zum anschaffungsnahen Aufwand gesetzlich festzuschreiben und eine typisierende Regelung zu schaffen. Der BFH hatte in 2001 den Begriff der anschaffungsnahen Aufwendungen aufgegeben und auf die wesentliche Verbesserung i. S. v. § 255 Abs. 2 HGB abgestellt (BFH, Urteil v. 12.9.2001, IX R 39/97, BStBl II 2003, 569).
Beseitigung nachträglicher Schäden führt nicht zu anschaffungsnahen HK
Nach der Gesetzesbegründung ist der Normzweck lediglich darauf gerichtet, die vor der Rechtsprechungsänderung in 2001 geltende Rechtslage i. S. d. bisherigen Verwaltungsauffassung (R 157 Abs. 4 EStR 2001) gesetzlich festzuschreiben… Da jedoch nach der früheren Rechtslage nachträglich eingetretene Schäden keine anschaffungsnahen Herstellungskosten begründen konnten, ist der somit zu weit gefasste Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG einzuschränken. Demnach fallen Kosten für (anschaffungsnahe, aber unvermutete) Instandsetzungsmaßnahmen jedenfalls dann nicht unter die Regelung, wenn der maßgebliche Schaden nach Erwerb des Gebäudes eingetreten und auf das schuldhafte Verhalten Dritter zurückzuführen ist. Der BFH bestätigte daher das FG-Urteil und wies die Revision zurück.
Hinweis: Wiederherstellung der früheren Rechtslage
Mit der Einfügung des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG hat der Gesetzgeber auf die Rechtsprechungsänderung in 2001, mit der der BFH den Begriff der anschaffungsnahen Aufwendungen aufgegeben hat, reagiert. Die Neuregelung sollte aber lediglich die bisherige Verwaltungsauffassung auf eine gesicherte Rechtslage stellen. Sie sollte nicht darüber hinaus zu einer Rechtsänderung führen. Der Vorschrift kann daher nicht entnommen werden, dass auch Aufwendungen zur Beseitigung von Schäden, die eindeutig erst nach dem Erwerb entstanden sind, erfasst werden sollen. Das gilt unabhängig von der Verursachung des Schadens. Soweit der BFH auf das schuldhafte Handeln Dritter abstellt, dürfte dies auf den Besonderheiten des Streitfalls beruhen.
Der BFH stellt außerdem klar, dass von der Regelvermutung (anschaffungsnahe Herstellungskosten bei Maßnahmen innerhalb von 3 Jahren nach Anschaffung) auch die Kosten für die Beseitigung verdeckter, also im Zeitpunkt der Anschaffung bereits vorhandener Mängel erfasst werden. Denn für die Abgrenzung (Erhaltungsaufwand oder Herstellungskosten) sind die subjektiven Vorstellungen des Erwerbers unmaßgeblich. Das Gleiche gilt für die Kosten zur Beseitigung von bei der Anschaffung angelegten, aber erst nach dem Erwerb auftretenden altersüblichen Mängeln. Auch solche Mängel sind ihrer Natur nach verdeckte Mängel und daher in die Betragsgrenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG mit einzubeziehen.
Ergänzend verweist der BFH auf die Rechtsprechungsänderung in 2016, nach der nicht mehr daran festgehalten wird, dass Schönheitsreparaturen nur dann in die anschaffungsnahen Herstellungskosten einzubeziehen sind, wenn sie in einem engen Zusammenhang mit der Instandsetzung und Modernisierung stehen, sondern unabhängig von der handelsrechtlichen Einordnung zu anschaffungsnahen Herstellungskosten führen (BFH, Urteil v. 14.6.2016, IX R 25/14, BStBl II 2016, 992). Im Streitfall waren allerdings auch bei einer isolierten Betrachtung der Schönheitsreparaturen (Tapezieren, Streichen usw.) die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG nicht erfüllt, da die 15 %-Grenze nicht überschritten war.
BFH, Urteil v. 9.5.2017, IX R 6/16; veröffentlicht am 4.10.2017.
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