Eine Teileinspruchsentscheidung bezüglich unstreitiger Bescheidbestandteile kann sachdienlich sein
Hintergrund
Zum 19.12.2006 wurde in § 267 AO ein neuer Abs. 2a eingefügt. Diese Regelung hat folgenden Zweck: Häufig wird wegen eines anderweit anhängigen Musterverfahrens Einspruch eingelegt. Das hat zur Folgen, dass der Bescheid nicht nur hinsichtlich des Streitpunkts, sondern insgesamt nicht bestandskräftig wird. Da sich die Entscheidung über das Musterverfahren hinziehen kann, bleibt die Veranlagung über diese Zeit offen, während der - wenn sich inzwischen auch zu den bisher nicht strittigen Punkten neue Gesichtspunkte ergeben - neue Streitpunkte in das Verfahren eingeführt werden können. Häufig geht das Interesse dahin, die Veranlagung möglichst lange offen zu halten, um von neuen - günstigen - Rechtsentwicklungen zu profitieren. Um dem zu begegnen, wurde dem FA mit der Neuregelung eine Teileinspruchsentscheidung ermöglicht, sodass, wenn dagegen keine Klage erhoben wird, der Bescheid im Umfang der Teilentscheidung bestandskräftig wird. In der "End-Einspruchsentscheidung" wird dann nur noch über den noch offenen Teil des Bescheids entschieden. Hier war strittig, ob eine solche Teilentscheidung nur über ausdrücklich benannte Streitpunkte ergehen darf oder ob sie auch allein oder darüber hinaus über nicht ausdrücklich benannte Streitpunkte entscheiden kann mit der Folge, dass ein "Nachschieben" von bisher nicht benannten Streitpunkten ausgeschlossen ist.
Die Eheleute machten Sonderausgaben geltend, die das FA nur teilweise anerkannte. Dagegen legten sie im Hinblick auf Musterverfahren Einspruch ein. Das FA erließ darauf eine Teileinspruchsentscheidung, mit der es den Einspruch als unbegründet zurückwies und mitteilte, über die benannten Streitpunkte (Musterverfahren) sei nicht entschieden, da das Verfahren insoweit ruhe.
Mit der Klage wandten sich die Eheleute gegen die Teileinspruchsentscheidung, da diese sich nicht mit dem Einspruch (Musterverfahren) befasse, sondern nur bezwecke, den Bescheid hinsichtlich aller anderen Punkte bestandskräftig werden zu lassen. Das FG wies die Klage ab.
Entscheidung
Auch der BFH hält eine Teileinspruchsentscheidung über die unstreitigen Bescheidbestandteile für zulässig.
Da sich ein Einspruch unabhängig von seiner Begründung auf den gesamten Bescheid bezieht, enthält praktisch jede Einspruchsentscheidung auch eine Entscheidung über nicht benannte Streitpunkte. Es ist kein Grund ersichtlich, dies für eine Teileinspruchsentscheidung anders zu sehen. Eine Teileinspruchsentscheidung setzt allerdings (teilweise) Entscheidungsreife voraus, die nur gegeben ist, wenn kein weiterer Aufklärungsbedarf besteht. Unter dieser Voraussetzung ist eine Teilentscheidung sachdienlich und kann somit auch unbenannte Streitpunkte zu erfassen.
Hinweis
Das Interesse des Betroffenen geht regelmäßig dahin, die Veranlagung möglichst lange offen zu halten, um das Rechtsschutzbegehren ohne zeitliche Einschränkung erweitern zu können. Dem kann das FA dadurch begegnen, dass es eine Teileinspruchsentscheidung erlässt, sodass der davon umfasste Bescheidteil - wenn dagegen nicht geklagt wird - bestandskräftig wird und insoweit weiterer Streit ausgeschlossen ist. Der BFH gestattet dem FA diese Vorgehensweise auch hinsichtlich bisher unbenannter Streitpunkte.
Der BFH verlangt dazu keine vorherige Anhörung des Betroffenen. Das FA muss somit nicht auf eine beabsichtigte Teileinspruchsentscheidung hinweisen. Eigentlich würde es die faire Rechtsschutzgewährung gebieten, den Betroffenen anzuhören, damit er prüfen kann, ob er noch Einwendungen gegen den Bescheid vorbringen will. In der Praxis werden die FÄ wohl vor einer Teileinspruchsentscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Geschieht dies nicht und will der Betroffene weitere Einwendungen erheben, muss er den Klageweg beschreiten.
Eine Teileinspruchsentscheidung bietet sich insbesondere bei Einsprüchen wegen anhängiger Musterverfahren (z.B. bei Masseeinsprüchen) an. Dies ist jedoch nicht Voraussetzung. Auch in anderen Fällen ist eine Teilentscheidung zulässig. Die Teileinspruchsentscheidung muss jedoch genau erkennen lassen, über welchen Teil des Einspruchs entschieden ist.
BFH, Urteil v. 14.3.2012, X R 50/09 (veröffentlicht am 20.6.2012)
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