Ermäßigter Umsatzsteuersatz für Techno- und House-Konzerte
Hintergrund: Musikdarbietungen renommierter Discjockeys
Die X-GbR veranstaltete verschiedene Musikveranstaltungen, bei denen von Discjockeys (DJs) Musik unterschiedlicher Stilrichtungen (z.B. House, Techno, Trance) dargeboten wurde. Im Rahmen der Veranstaltungen verkaufte die GbR gesondert berechnete Getränke, deren Erlös den aus dem Verkauf der Eintrittskarten erheblich überstieg.
Die GbR ging davon aus, die Umsätze aus den Eintrittsgeldern unterlägen dem ermäßigten Steuersatz. Das FA und ihm folgend das FG lehnten die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ab. Die Umsätze seien weder nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG (betr. u.a. Konzerte) noch nach Buchst. d (betr. u.a. Zirkusvorführungen, Schausteller) steuersatzermäßigt.
Entscheidung: Darbietungen der DJs als Veranstaltungszweck
Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Der BFH beanstandet die Würdigung des FG, die musikalischen Darbietungen der DJs ständen nicht im Vordergrund der Veranstaltung, als lückenhaft. Damit erweist sich die Tatsachengrundlage des FG als nicht tragfähig.
Weite Auslegung des Konzertbegriffs
Der Begriff des Konzerts i.S.v. § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG (Art. 98 Abs. 1 und 2 MwStSystRL i.V.m. Anhang III Kategorie 7) ist im Hinblick auf die technischen Entwicklungen auf dem Gebiet der Musik und dem unionsrechtlichen Neutralitätsgrundsatz weit auszulegen. Für die Musikrichtungen "Techno" und "House" sind daher als "Instrumente" i.S. der Begriffsbestimmung "Konzert" auch Plattenteller, Mischpulte und CD-Player u.Ä. anzusehen, mit denen die Musik im Rahmen eines Konzerts dargeboten wird, wenn sie (wie konventionelle Instrumente) zum Vortrag des Musikstücks - und nicht nur zum Abspielen eines Tonträgers - genutzt werden (BFH v. 18.8.2005, V R 50/04, BStBl II 2006, 101, Rz 18).
Konzert als eigentlicher Veranstaltungszweck
Weitere Voraussetzung für die Steuersatzermäßigung ist, dass die begünstigte Veranstaltung oder Vorführung ("Konzert") den eigentlichen Zweck der Veranstaltung ausmacht (BFH v. 18.8.2005, V R 50/04, BStBl II 2006, 101, Rz 16). Daher müssen Leistungen anderer Art, die in Verbindung mit diesen Veranstaltungen erbracht werden, von so untergeordneter Bedeutung sein, dass dadurch der Charakter der Veranstaltung als Konzert nicht beeinträchtigt wird. Für die Beurteilung, ob die Vorführung den eigentlichen Zweck der Veranstaltung ausmacht, ist die Sicht des Durchschnittsverbrauchers im Rahmen einer Gesamtbetrachtung maßgeblich (BFH v. 22.11.2018, V R 29/17, BFH/NV 2019, 260, Rz 17).
Fehlerhafte Würdigung des FG
Die vom FG vorgenommene Würdigung der einzelnen Indizien zur Feststellung des dominierenden Zwecks der Veranstaltung aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers (Besuchers) ist lückenhaft und nicht überzeugend:
- Die Regelmäßigkeit der Veranstaltung ist kein geeignetes Abgrenzungskriterium. Tritt ein renommierter Künstler (hier: DJ) mit seinem Repertoire auf, verliert die Veranstaltung für den Durchschnittsbesucher nicht dadurch ihr vorführungsbezogenes Gepräge, dass er dies mehrfach oder in regelmäßigen Abständen tut.
- Auch das Verhältnis der Umsätze (Eintrittskarten, Getränke) besagt im Regelfall nichts darüber, ob es sich dem Charakter nach um ein Tanzvergnügen oder ein Konzert handelt. Der Charakter der Veranstaltung als Konzert oder Tanzveranstaltung kann sich nicht in Abhängigkeit von der "Trinkfreude" der Besucher ändern.
- Die Beschreibung des Veranstaltungsorts als "Partylocation" schließt es nicht aus, dass dort auch Konzerte veranstaltet werden, sofern die Räumlichkeiten geeignet sind, die musikalischen Darbietungen der jeweiligen DJs akustisch wahrzunehmen. Die überwiegende Mehrheit der Besucher folgte den Musikvorführungen.
- Das FG hat nicht berücksichtigt, dass auf dem Werbeflyer nicht nur auf "leicht bekleidete Frauen" aufmerksam gemacht wurde, sondern auch auf die Veranstaltungen und auf die Namen der DJs hingewiesen wurde.
- Ferner hat das FG seine Folgerung nicht begründet, dass das Erleben des jeweiligen DJ-Auftritts als maßgebliches Motiv eines wesentlichen Teils der Besucher ungewiss sei, obwohl es die Auftritte der renommierten DJs für geeignet hielt, Besucher anzuziehen.
Keine Tätigkeit als Schausteller
Der BFH stimmt dem FG allerdings darin zu, dass die Erlöse aus dem Eintrittskartenverkauf nicht dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG unterliegen. Die GbR hat ihre Leistungen nicht als Schausteller erbracht. Die Vorschrift erfasst nur Schausteller, die ein Reisegewerbe betreiben, nicht auch ortsgebundene Schaustellerunternehmen (BFH v. 2.08.2018, V R 6/16, BStBl II 2019, 293). Die von der GbR veranstalteten Konzerte fanden in gemieteten Räumen und damit ortsfest statt.
Neue Gesamtwürdigung des FG
Das FG hat die fehlenden Feststellungen zur Ausgestaltung der Konzerte sowie zum Verhältnis der Erlöse aus dem Verkauf der Eintrittskarten und der Getränke nachzuholen und neu zu würdigen, ob die Auftritte der DJs aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers (Durchschnittsbesuchers) den Veranstaltungen das Gepräge geben.
Hinweis: Anforderungen an die Gesamtwürdigung des FG
Ob die Darbietungen der DJs die Veranstaltung prägen, ist Tatfrage und als solche vom FG zu beurteilen. Die revisionsrechtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob das FG bei der Gesamtwürdigung von zutreffenden Kriterien ausgegangen ist, die maßgeblichen Indizien beachtet und dabei nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat. Fehlt es in der FG-Entscheidung an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die Folgerungen oder sind die Folgerungen aus den festgestellten Tatsachen nicht ableitbar, liegt ein Verstoß gegen die Denkgesetze vor, der als Fehler in der Rechtsanwendung ohne besondere Rüge vom BFH beanstandet werden kann (z.B. BFH v. 9.05.2017, IX R 1/16, BStBl II 2018, 94, Rz 17).
BFH Urteil vom 23.07.2020 - V R 17/17 (veröffentlicht am 29.10.2020)
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