Vorsteueraufteilung bei erheblichen Unterschieden in der Ausstattung eines Gebäudes
Hintergrund
Zu entscheiden war, ob die Vorsteuern auf Eingangsleistungen zur Herstellung eines gemischt genutzten Gebäudes nach dem Verhältnis der Ausgangsumsätze aufgeteilt werden können.
A errichtete ein gemischt genutztes Gebäude. Das Erdgeschoss vermietete sie umsatzsteuerpflichtig an Gewerbetreibende, das Obergeschoss umsatzsteuerfrei an private Mieter. Die auf die Herstellungskosten entfallenden und nicht direkt zuzuordnenden Vorsteuerbeträge teilte sie nach dem Umsatzschlüssel auf. Das FA nahm dagegen die Aufteilung entsprechend dem steuerpflichtig vermieteten Flächenanteil vor (Flächenschlüssel).
Das FG gab der Klage statt. Es entschied, A sei zur Aufteilung nach dem Umsatzschlüssel berechtigt. Soweit nach der deutschen Regelung die Anwendung des Umsatzschlüssels ausgeschlossen sei (§ 15 Abs. 4 Satz 3 UStG), stehe die Norm nicht mit dem Unionsrecht in Einklang.
Entscheidung
Das Unionsrecht gibt für den Regelfall die Aufteilung nach dem Verhältnis der gesamten Umsätze vor. Der nationale Gesetzgeber kann jedoch die Aufteilung nach der Zuordnung eines Teils der Gegenstände oder Dienstleistungen gestatten. Die deutsche Vorschrift geht von der "wirtschaftlichen Zurechnung" aus (§ 15 Abs. 4 Satz 1 UStG). Ausgehend vom Unionsrecht ist die Zuordnung daher - entgegen früherer Rechtsprechung - nicht gegenstandsbezogen zu verstehen, sondern in dem Sinne, dass auch die Aufteilung nach dem gesamtunternehmensbezogenen Umsatzschlüssel zulässig ist. § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG geht allerdings insofern über die unionsrechtliche Ermächtigung hinaus, als der Umsatzschüssel nur dann anwendbar ist, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung "möglich" ist. Diese Regelung legt der BFH unionsrechtskonform dahin aus, dass der Umsatzschlüssel nur dann vorrangig ist, wenn keine andere "präzisere wirtschaftliche Zuordnung möglich" ist.
Als andere wirtschaftliche Zuordnung ermöglicht bei einem gemischt genutzten Gebäude der objektbezogene Flächenschlüssel in der Regel eine genauere Bestimmung des Verhältnisses als der Umsatzschlüssel. Der Flächenschlüssel schließt daher bei einem gemischt genutzten Gebäude als die im Regelfall präzisere Zurechnung den Umsatzschlüssel aus, und zwar sowohl den gesamtunternehmensbezogenen als auch den objektbezogenen.
Der Flächenschlüssel findet aber dann keine Anwendung, wenn die Ausstattung der Räumlichkeiten, die verschiedenen Zwecken dienen (z.B. wegen der Raumhöhe, der Dicke der Wände und Decken oder in Bezug auf die Innenausstattung) erhebliche Unterschiede aufweist. Denn in solchen Fällen kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Eingangsbezüge gleichmäßig auf die Fläche verteilen, sodass der Flächenschlüssel nicht die genauere Aufteilung ergibt. Ist hier keine präzisere wirtschaftliche Zurechnung durch den Flächenschlüssel möglich, gilt der Umsatzschlüssel, und zwar, um das Verhältnis "möglichst präzise" zu berechnen, der objektbezogene Umsatzschlüssel.
Der BFH verwies die Sache an das FG zurück. Das FG ging davon aus, A könne sich wegen Richtlinienwidrigkeit auf die Anwendung des Umsatzschlüssels berufen. Das gilt laut BFH jedoch nur, wenn keine andere präzisere wirtschaftliche Zuordnung möglich ist. Das wäre bei unterschiedlicher Raumausstattung und dadurch bedingter Anwendung des Flächenschlüssels der Fall. Das FG hat daher noch zu prüfen, ob entscheidende Unterschiede in der Raumausstattung vorliegen.
Hinweis
Die Entscheidung lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die Vorsteueraufteilung erfolgt im Regelfall nach dem gesamtunternehmensbezogenen Umsatzschlüssel. Bei einem gemischt genutzten Gebäude ist jedoch grundsätzlich der Flächenschlüssel der präzisere Aufteilungsmaßstab. Bei erheblichen Unterschieden in der Ausstattung der Räume ist aber der objektbezogene Umsatzschlüssel vorrangig.
BFH Urteil vom 07.05.2014 - V R 1 10 (veröffentlicht am 11.06.2014)
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