Zeitliche Grenze der Rücknahme der Option zur Umsatzsteuer
Hintergrund
Die X-GmbH erwarb im Dezember 1991 von der M-GmbH ein mit einem Hotel bebautes Grundstück. M verzichtete auf die Steuerfreiheit des Umsatzes und wies in der Rechnung vom 31.12.1991 USt in Höhe von rund 19 Mio. DM aus. Diese machte X in ihrer im Dezember 1992 eingereichten USt-Erklärung für 1991 als Vorsteuer geltend. Das FA stimmte zu und teilte mit, dass der USt-Überschuss erklärungsgemäß festgesetzt worden sei.
Im Dezember 1997 trafen die D-GmbH (Rechtsnachfolgerin der M) und X eine Vereinbarung über den Widerruf des Verzichts auf die USt-Freiheit der Grundstücksveräußerung. Hierauf erteilte die D der X eine Rechnung ohne gesonderten USt-Ausweis. X ging davon aus, dass der Widerruf zu einer Kürzung des Vorsteuerabzugs führe und berücksichtigte dies in der USt-Erklärung für 1997.
Im Rahmen einer Außenprüfung für 1996 bis 1999 reichte die X-KG (Rechtsnachfolgerin der X-GmbH) eine geänderte USt-Erklärung für 1997 ein und beantragte die Erhöhung der Vorsteuer um den zuvor korrigierten Betrag. Die Vorsteuerkorrektur sei wegen der Rücknahme des Verzichts auf die Steuerfreiheit des Grundstücksgeschäfts nicht im Jahr der Rücknahme (1997), sondern im Jahr des Leistungsbezugs (1991) vorzunehmen.
Das FA erließ darauf im Januar 2005 einen USt-Änderungsbescheid für 1997 und setzte die USt 1997 entsprechend der geänderten USt-Erklärung 1997 herab. Außerdem erließ es im Juni 2005 einen Änderungsbescheid für 1991 gegenüber der X-KG und minderte den Vorsteuerabzug entsprechend um 18.8 Mio. DM. Dagegen wandte sich die D-GmbH mit der Klage. Sie trug vor, die Festsetzungsfrist für die USt 1991 sei bereits abgelaufen gewesen. Außerdem setze eine Korrektur wegen widerstreitender Steuerfestsetzungen voraus, dass es sich bei dem zu korrigierenden und dem korrekturauslösenden Bescheid um bestandskräftige, endgültige Bescheide handele. Eine USt-Erklärung, die lediglich einem Steuerbescheid unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehe, genüge diesen Anforderungen nicht. Die Klage blieb ohne Erfolg.
Entscheidung
Auch die Revision wurde zurückgewiesen.
Die Rücknahme der Option vom Dezember 1997 führte zum Verlust des der X in 1991 gewährten Vorsteuerabzugs. Macht der Leistende den Verzicht auf die Steuerbefreiung rückgängig, wird der Umsatz rückwirkend wieder steuerfrei, sodass die Steuer für den berechneten Umsatz nicht mehr geschuldet wird. Der Erwerber verliert dann den Vorsteuerabzug rückwirkend im Jahr des Leistungsbezugs und nicht erst im Zeitpunkt der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung. Der rückwirkende Verlust des Vorsteuerabzugs durch die Rücknahme des Verzichts setzt allerdings voraus, dass die Rücknahme in formaler und zeitlicher Hinsicht wirksam war.
Im Streitfall ist der Verzicht auf die Steuerbefreiung durch Übersenden einer neuen Rechnung ohne USt-Ausweis im Dezember 1997 formal zutreffend rückgängig gemacht worden. Die Rücknahme war auch in zeitlicher Hinsicht wirksam. Es ist umstritten, ob die Rückgängigmachung nur bis zum Zeitpunkt der formellen Unanfechtbarkeit der USt-Festsetzung des Jahres der Leistungserbringung oder darüber hinaus noch möglich ist, solange die entsprechende Steuerfestsetzung aufgrund eines Vorbehalts der Nachprüfung noch anfechtbar ist. Der BFH räumt ein, dass die Begrenzung des Verzichts oder seiner Rücknahme auf die formelle Bestandskraft zwar für Rechtssicherheit und frühzeitig klare Verhältnisse sorgt. Sie begrenzt jedoch den Unternehmer unverhältnismäßig in der Ausübung seines Wahlrechts. Der BFH vertritt daher die Auffassung, dass der Unternehmer berechtigt ist, den Verzicht und dessen Rücknahme solange geltend zu machen, wie die Steuerfestsetzung für das Jahr der Leistungserbringung anfechtbar oder aufgrund eines Vorbehalts der Nachprüfung noch änderbar ist.
Sodann begründet der BFH, dass im Streitfall die Voraussetzungen einer widerstreitenden Folgeänderung vorliegen und die USt-Festsetzung 1991 durch den Bescheid vom Juni 2005 rechtmäßig geändert wurde. Die Korrektur widerstreitender Steuerfestsetzungen setzt zwar voraus, dass aufgrund der irrigen Beurteilung des Sachverhalts ein Steuerbescheid ergeht. Ein solcher ist im Streitfall zwar nicht erlassen worden, aber auch nicht erforderlich. Denn eine Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach Abgabe einer Steuererklärung steht einem Steuerbescheid gleich.
Hinweis
Der Verzicht auf die Steuerbefreiung und die Rückgängigmachung sind hinsichtlich der zeitlichen Grenzen gleich zu behandeln. Der BFH hat schon früher ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Verzicht bis zum Ende der Änderbarkeit aufgrund eines Vorbehalts der Nachprüfung erklärt werden kann. Der BFH stellt nunmehr ausdrücklich klar, dass er, soweit die bisherige Rechtsprechung dahin verstanden werden konnte, dass die Rücknahme des Verzichts nur bis zur formellen Bestandskraft der USt-Festsetzung des Leistenden zulässig sei, daran nicht festhält. Der BFH widerspricht daher der Auffassung der Finanzverwaltung in Abschn. 9.1. Abs. 3 Satz 1 UStAE. Danach soll sowohl die Erklärung zur Option zur USt als auch ihr Widerruf nur bis zur formellen Bestandskraft der jeweiligen Jahressteuerfestsetzung zulässig sein.
Urteil v. 19.12.2013, V R 6/12, veröffentlicht am 4.6.2014
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