Drittanfechtungsrecht gegen Feststellung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos
Hintergrund: Anfechtung des Bescheids zur Feststellung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos durch Gesellschafter
Die B (Kapitalgesellschaft luxemburgischen Rechts) hat die einem Komplementär entsprechende Funktion in der A (Limited Partnership schottischen Rechts, vergleichbar einer KG).
Die B war zivilrechtlich zu 100% an der C-GmbH beteiligt. 99% der Anteile hielt sie treuhänderisch für A, die restlichen für eine GbR. Um der C den Erwerb einer Beteiligung zu ermöglichen, zahlte die B xxx Mio. EUR in die Kapitalrücklage der C ein. Die Bilanz zum 31.12.2015 weist eine entsprechende Position aus.
In ihrer Feststellungserklärung gemäß § 27 Abs. 2 Satz 4 KStG gab die C den Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2015 unzutreffend mit 0 EUR an. Das FA folgte der Erklärung und stellte den Bestand zum 31.12.2015 im Feststellungsbescheid gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 KStG mit 0 EUR fest. Der Antrag der C, den Feststellungsbescheid wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129 AO zu ändern, wurde vom FA abgelehnt.
Die A (Antragstellerin) sowie die an ihr vergleichbar mit deutschen Kommanditisten beteiligten Gesellschafter (Antragsteller) erhoben Einspruch gegen den Feststellungsbescheid und beantragten die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Das FA lehnte dies ab.
Den sodann beim FG gestellten AdV-Antrag wies das FG mit der Begründung als unzulässig zurück, die Antragsteller seien mangels Beschwer nicht befugt, den Feststellungsbescheid anzufechten.
Dagegen wenden sich die Antragsteller mit ihrer vom FG gemäß § 128 Abs. 3 Satz 1 FGO zugelassenen Beschwerde. Sie verweisen darauf, aus dem Feststellungsbescheid ergebe sich für sie eine Beschwer, da die erbrachte Einlage nicht berücksichtigt worden sei und sich bei ihnen wegen der materiell-rechtlichen Bindungswirkung des Feststellungsbescheids gemäß § 27 Abs. 2 KStG für die Festsetzung der Steuer auf der Ebene der Anteilseigner unmittelbar auswirke. Die hiermit verbundene Drittanfechtungsbefugnis sei daher anzuerkennen.
Entscheidung: Einschränkung der Anfechtung nach § 166 AO
Der BFH wies die Beschwerde als unbegründet zurück. Der BFH lässt bei der gebotenen summarischen Prüfung dahinstehen, ob die Antragsteller antragsbefugt sind. Selbst wenn diese Befugnis zu ihren Gunsten unterstellt würde, müssten sie den Feststellungsbescheid nach § 166 AO gegen sich gelten lassen.
Die Drittanfechtungsbefugnis der Gesellschafter ist umstritten
Der Feststellungsbescheid nach § 27 Abs. 2 KStG richtet sich ausschließlich gegen die Kapitalgesellschaft. Obgleich dem steuerlichen Einlagekonto für die eigene Ertragsbesteuerung der Kapitalgesellschaft keine unmittelbare Bedeutung zukommt, anerkennt der BFH deren Befugnis, gegen den Feststellungsbescheid vorzugehen (z.B. BFH, Urteil v. 30.1.2013, I R 35/11, BStBl II 2013, 560). Dieser Bescheid entfaltet über § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG materiell-rechtliche Bindungswirkung auch für die Anteilseigner. Ein Gesellschafter kann sich deshalb nicht darauf berufen, das steuerliche Einlagekonto sei im Bescheid über die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos unzutreffend ausgewiesen (BFH, Urteil v. 19.5.2010, I R 51/09, BFHE 230, 128, BStBl II 2014, 937). Ob wegen der bestehenden materiell-rechtlichen Bindungswirkung auch die Gesellschafter der Kapitalgesellschaft neben dieser gegen den Feststellungsbescheid als Drittanfechtungsberechtigte klagen können, ist vom BFH noch nicht entschieden und wird in der Rechtsprechung der FG und im Schrifttum uneinheitlich beurteilt.
Auch bei Bejahung des Drittanfechtungsrechts unterläge dieses der Anfechtungsbeschränkung nach § 166 AO
Der BFH hat insoweit zwar erhebliche Zweifel. Aber selbst wenn man das Drittanfechtungsrecht der Gesellschafter bejahen würde, wäre dieses jedenfalls den sich aus § 166 AO ergebenden Beschränkungen unterworfen.
Nach dieser Vorschrift hat die Unanfechtbarkeit gegenüber dem Steuerpflichtigen auch derjenige gegen sich gelten zu lassen, der in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid ... kraft eigenen Rechts anzufechten. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der gegenüber der C ergangene Feststellungsbescheid ist unanfechtbar geworden. Die weitere Voraussetzung des § 166 AO (Berechtigung zur Anfechtung kraft eigenen Rechts) wäre ebenfalls erfüllt, wenn man den Antragstellern – was vom BFH ausdrücklich offen gelassen wird – die Drittanfechtungsbefugnis zuspricht.
Die Rechtsfolge des § 166 AO besteht darin, dass der Dritte, der von dem ihm zustehenden Anfechtungsrecht bis zum Eintritt der Bestandskraft nicht Gebrauch macht, die Rechtswidrigkeit des Bescheids - im Streitfall die unzutreffende Höhe des Bestands des steuerlichen Einlagekontos - wegen der sich auf ihn erstreckenden Bestandskraft nicht mehr geltend machen kann.
Keine verfassungsrechtlichen Bedenken
§ 166 AO ist mit der Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) vereinbar. § 27 Abs. 2 Satz 2 KStG dient der Ordnung der steuerlichen Verhältnisse in einer Vielzahl von Betroffenen. Hier dient die Bestandskrafterstreckung auf etwaige Drittanfechtungsberechtigte nach § 166 AO sowohl der Rechtssicherheit als auch der Rechtsanwendungsgleichheit. Außerdem stehe sich Kapitalgesellschaft und Gesellschafter nicht beziehungslos gegenüber. Die Gesellschafter können ihre Rechte (z.B. Informationsrechte) einsetzen und die Kapitalgesellschaft zur Einlegung von Einsprüchen gegen (vermeintlich) rechtswidrige Feststellungsbescheide veranlassen.
Hinweis: Tendenz zur Ablehnung der Drittanfechtungsberechtigung
Die Begründung des Beschlusses geht dahin, dass selbst wenn man die Drittanfechtungsberechtigung anerkennen würde, die Antragsteller nicht durchdringen könnten, weil sie wegen der sich auf sie erstreckenden Bestandskraft des Feststellungsbescheids diesen nicht anfechten könnten. Soweit der BFH "erhebliche Zweifel" hinsichtlich eines Drittanfechtungsrechts der Gesellschafter äußert, lässt dies erkennen, dass innerhalb des BFH eine starke Neigung dahin besteht, die Drittanfechtungsberechtigung grundsätzlich abzulehnen.
BFH Beschluss vom 10.12.2019 - I B 35/19 (veröffentlicht am 04.06.2020)
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